Sollte man kennen: Neun wich­tige BVerwG-Ent­schei­dungen 2023

von Hasso Suliak

29.12.2023

Die Kreuze dürfen bleiben

Das Aufhängen von Kreuzen im Eingangsbereich jeder bayerischen Behörde verletzt nicht das Neutralitätsgebot. Das entschied das BVerwG wenige Tage vor Weihnachten. (Urt. v. 19.12.2023, Az. BVerwG 10 C 3.22 und 10 C 5.22). Teilweise scheiterten dabei die Klagen bereits auf der Ebene der Zulässigkeit.

Ausgangspunkt des Verfahrens war der sogenannte Kreuzerlass aus dem April 2018. Auf Initiative des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) war eine Verwaltungsvorschrift erlassen worden, wonach jede bayerische Behörde ein Kreuz im Eingangsbereich haben muss.

Söder sah sich damals von unterschiedlicher Seite der Kritik ausgesetzt. Unter anderem von den Kirchen, aber auch vom Bund für Geistesfreiheit (BfG), einer religionskritischen Weltanschauungsgemeinschaft. Dieser klagte gegen § 28 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO) und deren Umsetzung bzw. § 36 AGO. Diese Vorschrift enthält die Empfehlung, dass sich auch Gemeinden, Landkreise und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts an diese Geschäftsordnung halten mögen.

Bereits vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hatten die Kläger keinen Erfolg. Und auch im Rahmen ihrer Revision konnte das BVerwG jetzt keinen Eingriff in ihre Grundrechte aus Art. 4 und Art. 3 Grundgesetz (GG) erkennen. Soweit die Klage sich auf eine Empfehlung an Behörden richtete, die entsprechend § 36 AGO angebrachten Kreuze wieder zu entfernen, scheiterte die Klage bereits an der Zulässigkeit. Denn: § 28 und 36 AGO seien bloße Verwaltungsvorschriften, die mangels rechtlicher Außenwirkung keine Rechte der Kläger verletzen, stellte der Senat klar. 

Auch sah das Gericht das grundrechtliche Verbot einer Benachteiligung wegen des Glaubens nach Art. 3 Abs.3 S. 1 GG in Kombination mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates nicht als verletzt an. Zwar dürfe der Staat nicht bestimmte Glaubensgemeinschaften privilegieren. Eine solche Bevorzugung sei hier aber nicht gegeben, soweit der BayVGH in tatsächlicher Hinsicht keinen "Werbeeffekt" für christliche Glaubensgemeinschaften festgestellt habe und der Senat an diese Feststellungen gebunden sei.

Zudem, so stellte das BVerwG klar, verlange der Grundsatz religiös-weltanschaulicher Neutralität vom Staat gerade keine Laizität, also einen vollständigen Verzicht auf religiöse Bezüge. Dieser bezwecke vielmehr die Verpflichtung des Staates zur Offenheit gegenüber der Vielfalt weltanschaulich-religiöser Überzeugungen. 

Zitiervorschlag

Sollte man kennen: Neun wichtige BVerwG-Entscheidungen 2023 . In: Legal Tribune Online, 29.12.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53500/ (abgerufen am: 09.05.2024 )

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