Zugriff in Flüchtlingsunterkunft auch ohne richterlichen Beschluss
Die Polizei darf die Zimmer von Geflüchteten ohne richterlichen Beschluss betreten, um die Bewohner abzuschieben, entschied das BVerwG im Juni (Urt. v. 15.06.2023, Az.1 CN 1.11) Das Urteil sorgt bei den Klägern für Enttäuschung, für Juristen hält es Antworten auf essenzielle Fragen parat.
Das BVerwG stellte zwar klar, dass Zimmer in Flüchtlingsunterkünften "Wohnungen" im Sinne des Grundgesetzes (GG) seien. Doch zugleich hielt es für zulässig, dass Polizeivollzugsbeamte die Zimmer ohne Durchsuchungsbeschluss zur Nachtzeit betreten, um die Abschiebung zu vollstrecken. Denn das bloße Betreten und Hineinblicken stelle keine Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG dar.
Das Gericht folgte damit der Auffassung des Landes Baden-Württemberg, wonach die Kombination aus bloßem Betreten und dem prüfenden Sich-Umsehen nicht für eine Durchsuchung reiche. Einen Bewohner in dem ihm zugeteilten Zimmer in einer Landeserstaufnahmeeinrichtung zu vermuten, sei keine "Suche nach etwas Verborgenem". Für eine Durchsuchung müssten weitergehende Suchmaßnahmen hinzutreten. Das hatte zuvor auch der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg so gesehen.
Der Kläger, ein togolesischer Asylbewerber, zeigte sich nach der Verkündung enttäuscht: "Das Urteil gibt Polizisten bei der Abschiebung zu viele Freiheiten. Sie können praktisch tun, was sie wollen", kritisierte er.
Sollte man kennen: Neun wichtige BVerwG-Entscheidungen 2023 . In: Legal Tribune Online, 29.12.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53500/ (abgerufen am: 09.05.2024 )
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