Sollte man kennen: Sieben wich­tige EGMR-Ent­schei­dungen 2022

von Dr. Franziska Kring

31.12.2022

Die Überlebenden des Bootsunglücks von Farmakonisi bekommen eine Entschädigung – und der EGMR hat einen Abschiebeflug von England nach Ruanda gestoppt. Ein Rückblick auf die sieben wichtigsten Entscheidungen aus Straßburg.

Das Jahr 2022 war geprägt von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine – und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sich damit beschäftigt. In einer einstweiligen Maßnahme hat er Russland schon kurz nach Beginn des Krieges aufgefordert, Angriffe auf zivile Ziele zu unterlassen. Oft kommt das nicht vor – und bald wird der EGMR Russland auch nicht mehr zur Verantwortung ziehen können. Seit Mitte September 2022 ist Russland formell kein Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) mehr. Wegen des brutalen Krieges hatte der Europarat den Staat zunächst suspendiert und dann ganz ausgeschlossen, zudem hatte Russland angekündigt, "freiwillig" aus dem Europarat auszutreten.

Außerdem ging es in verschiedenen Entscheidungen um das Schicksal geflüchteter Menschen. So hat der EGMR entschieden, dass Nordmazedonien rund 1.500 Flüchtlinge zurück nach Griechenland schickten durfte. Die Menschen waren im Rahmen des sogenannten "March of Hope" aus dem griechischen Flüchtlingslager Idomeni bis nach Nordmazedonien gelaufen, einige Kilometer hinter der Grenze aber abgefangen und zurück nach Griechenland gebracht worden. Das war laut EGMR rechtmäßig. Zudem hat der EGMR einen Abschiebeflug von England nach Ruanda gestoppt und Griechenland muss den Überlebenden des Bootsunglücks vor der Insel Farmakonisi sowie Angehörigen der Getöteten eine Entschädigung in Höhe von 330.000 Euro zahlen.

Diverse Fälle aus Deutschland standen ebenfalls auf der Agenda des EGMR. So scheiterten unter anderem mehrere Gewerkschaften mit ihrer Beschwerde gegen das deutsche Tarifeinheitsgesetz und Deutschland hat einen Vorwurf des Racial Profilings nicht ausreichend geprüft.

Der Menschengerichtshof hat auch eine Grundsatzentscheidung zur Rückholung von IS-Anhängerinnen mit europäischen Staatsbürgerschaften getroffen: Zwar haben diese keinen Anspruch, aus den Lagern in Nordsyrien in ihre Heimatstaaten zurückgebracht zu werden, Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten müssen entsprechende Anträge aber genauer prüfen.

Ausblick auf 2023

In Zukunft will der EGMR übrigens effizienter werden – und deshalb gilt jetzt eine kürzere Beschwerdefrist: Seit dem 1. Februar 2022 können Beschwerden nur noch innerhalb von vier anstatt sechs Monaten nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung eingereicht werden.

Ukraine-Krieg, Push-Backs und Verantwortung für die IS-Frauen: Das Jahr 2022 beim EGMR war erneut von brisanten, politischen Themen geprägt. Auch für das kommende Jahr stehen schon einige spannende Punkte auf der Agenda: Ab Ende März verhandelt der EGMR die Beschwerde der KlimaSeniorinnen gegen die Schweiz. Und auch die erste Klimaklage aus Deutschland ist in Straßburg gelandet – wie es in dem Verfahren weitergeht, steht allerdings noch nicht fest.

Zitiervorschlag

Sollte man kennen: Sieben wichtige EGMR-Entscheidungen 2022 . In: Legal Tribune Online, 31.12.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50559/ (abgerufen am: 19.03.2024 )

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