Gründerjahre einer Großkanzlei: "Eine wilde Zeit"

von Dr. Anja Hall

22.06.2016

2/2: Planvoller Aufbau

"Es war eine wilde Zeit", erinnert er sich an die Anfangstage unter neuer Kanzlei-Flagge. Immobiliensuche, Möbelkauf, IT-Infrastruktur, Personal – um all diese Themen kümmert sich Thaeter zunächst selbst. Die erste Person, die er einstellt, ist folgerichtig nicht etwa ein Anwalt, sondern eine Office Managerin.

Mit dem Aufbau verfolgen HSF und der Deutschland-Chef Thaeter einen Mehr-Jahres-Plan. Das Geschäft der Kanzlei ruht international auf den drei Säulen Corporate/M&A, Finance/Real Estate/Projects und Disputes, so soll es auch in Deutschland sein. "Im ersten Jahr hatten wir das Ziel, die Fundamente für diese Säulen zu legen", sagt Thaeter. Dazu holt er anerkannte Quereinsteiger, etwa den M&A-Anwalt Nico Abel und ein Team um Immobilienrechtler Thomas Kessler.

Das zweite Jahr steht im Zeichen des Ausbaus. Auch wenn HSF viele Schlagzeilen macht durch Aufnahme von Quereinsteigern auf Partnerebene, baut die Kanzlei weitgehend unbemerkt auch ihre Associate-Riege aus. Am Ende des Geschäftsjahres arbeiten 30 Berufsträger für die Kanzlei, darunter fünf Partner. Damit ist die Mannschaft groß genug, um wichtige Deals zu stemmen, etwa die Fusion der Tui AG mit ihrer britischen Tochter Tui Travel.

Im dritten Jahr wird arrondiert: Es kommen Quereinsteiger auf Partnerebene in Rechtsgebieten wie Kartellrecht oder Arbeitsrecht, die Zahl der Partner steigt auf acht. Die deutsche Praxis ist wieder an einigen Top-Deals beteiligt, etwa der milliardenschweren Übernahme von Italcementi durch HeidelbergCement oder dem letztlich gescheiterten Versuch der Vonovia SE, die Wettbewerberin Deutsche Wohnen zu übernehmen und so den größten Wohnungskonzern Deutschlands zu schmieden.

2016: Neuer Standort, weitere neue Partner

Zum 1. Mai 2016 hat das vierte Geschäftsjahr für Herbert Smith Freehills Deutschland begonnen, und wieder einmal häufen sich die Schlagzeilen: Anfang Juni eröffnet die Kanzlei in Düsseldorf ihren dritten deutschen Standort offiziell. Die Säule Disputes und Compliance, die bei HSF international "CC&I Corporate, Crime & Investigations" heißt, erfährt eine deutliche Stärkung: Es kommen die bekannte Schiedsrechtlerin Patricia Nacimiento sowie ein Compliance- und Investigations-Team um Helmut Görling und Dirk Seiler, zuvor hatte Thaeter den anerkannten Litigator Thomas Weimann gewonnen. Damit arbeiten jetzt 16 Berufsträger, davon fünf Partner, im Bereich Konfliktlösung und Compliance, der nun der größte innerhalb der Kanzlei ist.

Neue Player werden im Wirtschaftsanwaltsmarkt mit Argusaugen beobachtet. Es gibt viel Klatsch und Tratsch, und im Fall von HSF hatten nicht wenige Konkurrenten ein schnelles Scheitern prognostiziert. Danach sieht es derzeit nicht aus. Die Katastrophen blieben aus, die Fluktuation ist sehr gering und beschränkt sich bislang auf die Associate-Riege.

Dass HSF Deutschland bloß ein zusammengewürfelter Haufen von Top-Anwälten ist, wie manche Branchenbeobachter lästern, hat sich aus Thaeters Sicht nicht bewahrheitet. "Der Aufbau dauert länger als mit einem Merger, aber die einzelnen Anwälte kommen mit Begeisterung. Sie haben Lust auf neue Partner und ein neues Umfeld." Das sei ein wesentlicher Unterschied, sagt er. "Die Partner sind freiwillig bei HSF, nicht als Teil einer großen Gruppe, die per Mehrheitsbeschluss fusioniert hat", gibt er zu Bedenken.

"Lebhaft, aber immer freundschaftlich"

Wenn so viele gestandene Anwaltspersönlichkeiten sich versammeln, um eine neue Kanzlei aufzubauen, dann herrscht sicher nicht immer eitel Sonnenschein. Es ist anzunehmen, dass in der Partnerversammlung um Entscheidungen durchaus gerungen wird. Das räumt auch Thaeter ein: "Es entsteht eine neue Kanzleikultur. Dabei geht es lebhaft zu, aber immer freundschaftlich." Natürlich sei nicht immer alles rosarot, sagt er. "Aber wir sind allesamt 'positive Unternehmer', das heißt, alle wollen, dass es klappt."

Für Thaeter selbst war der Schritt weg von Gleiss Lutz und hin zu HSF mutig, denn sein Arbeitsumfeld hat sich massiv gewandelt: HSF hat 25 Standorte in aller Welt, rund 2.100 Anwälte arbeiten für die Sozietät. Deutschland ist damit nur eines von vielen Ländern, in denen die Kanzlei aktiv ist. Erheblich kleiner dagegen ist Gleiss Lutz, Thaeters langjähriger Arbeitgeber: Die Kanzlei beschäftigt 300 Anwälte an sieben Standorten und betont gerne ihre Position als unabhängiger, nationaler Player.

Das Risiko zu scheitern sah Thaeter durchaus, als er den Schritt zu HSF machte - aber es hat ihn trotzdem gereizt, denn die Aufgabe war wohl zu verlockend: "In Deutschland etwas Bleibendes zu schaffen, das erfüllt mich."

Zitiervorschlag

Anja Hall, Gründerjahre einer Großkanzlei: "Eine wilde Zeit" . In: Legal Tribune Online, 22.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19760/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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