Reichsbürger und ihre Ideologie: Die Staats­leugner

von Maximilian Amos

22.11.2016

3/3: Aggressives Vorgehen gegen Justiz und Verwaltung

Aber diese Halbwahrheiten nähren den Mythos vom Unterdrückungsregime BRD. Natürlich muss niemand den Staat anerkennen, solange er sich an seine bürgerlichen Pflichten hält. Doch in jüngerer Vergangenheit häuften sich Fälle, in denen Reichsbürger Verwaltungen mit überdimensionierten Schriftsätzen praktisch lahmlegten und Gerichtsverhandlungen störten. Vereinzelt kam es sogar zu tätlichen Übergriffen auf Justizbedienstete.

Inzwischen haben einige Bundesländer, vornehmlich im Osten, sie als echtes Problem ausgemacht. So hat ihnen das Brandenburgische Institut für Gemeinwesenberatung ein ganzes Handbuch gewidmet, das Oberlandesgericht (OLG) Thüringen eine eigene Arbeitsgruppe unter der Leitung von Richterin Kati Resch eingerichtet. Gegenüber LTO berichtet sie von Reichsbürgern, die bei Gericht herein platzten und dort "eine Drohkulisse aufbauen". Nun will man Handlungskonzepte für die betroffenen Mitarbeiter entwickeln.

In einer Kleinen Anfrage brachte die Bundestagsfraktion der Linken das Thema schon im Jahr 2012 auf die Tagesordnung. Damals beschrieb die Regierung die Reichsbürger als eine uneinheitliche Bewegung, die zahlenmäßig nicht zu beziffern sei und deren Mitglieder kaum strafrechtlich in Erscheinung träten. Gleichwohl fänden sich auch rechtsextremistische Organisationen unter ihnen. Im Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz von 2015 tauchen die Reichsbürger nicht auf. Auch die Landesämter beobachten sie nicht, informieren aber in Broschüren über die Bewegung. Laut Deutscher Presse Agentur (dpa) gehen Sicherheitsbehörden inzwischen von rund 1.100 Personen im Milieu aus.

Verschwörungstheorien aus dem Antisemitismus

Gesellschaftsforscher wie Jan Rathje betrachten die Reichsbürger mit Sorge, nicht zuletzt wegen ihres ideologischen Fundaments. Ihre Verschwörungstheorien speisen sich aus der Vermutung, dass eine kleine Gruppe im Geheimen die Welt regiere, analog zum antisemitischen Pamphlet "Protokolle der Weisen von Zion", erklärt Rathje. "Das ist eine Blaupause für die großen Weltverschwörungserzählungen". Somit seien Teile der Bewegung im Kern antisemitisch, was sie mit dem Rechtsextremismus verbinde.

Der Ursprung ihrer Thesen liege lange zurück: "Die Idee, das Deutsche Reich wieder herzustellen, existiert seit Ende des Zweiten Weltkriegs". Sie sei immer im Rechtsextremismus verankert gewesen und habe seit Mitte der 70-er Jahre eine Erweckung erfahren, zunächst durch den Juristen, Holocaust-Leugner und verurteilten Terroristen Manfred Roeder und später in den 80er Jahren durch Wolfgang Ebel, dem die Idee einer kommissarischen Reichsregierung zugeschrieben wird. Sie gilt als Urform der Fantasiereiche und findet noch heute großen Anklang. Weitere argumentative Unterfütterung lieferte auch der Rechtsextremist Horst Mahler.

Wohin sich die Bewegung entwickelt, vermag derzeit niemand zu sagen. Zu wenig erforscht sind diese Parallelgesellschaften, zu heterogen ihre Variationen. Sie sind aber Teil einer größeren gesellschaftlichen Entwicklung, die noch nicht am Ende ist, ist sich Rathje sicher: "Was sich zeigt, ist, dass Verschwörungserzählungen international auf dem Vormarsch sind". Auch die Weltpolitik steht unter ihrem Einfluss: Die Präsidentschaftskandidatur Donald Trumps gründete in Teilen auf der Erzählung von einer anti-amerikanischen Verschwörung und die russische Regierung sieht sich ebenfalls von Feinden umgeben. "Die Menschen werden in Stellung gebracht", sagt Rathje, ganz besonders gegen alles Fremde.

Zitiervorschlag

Maximilian Amos, Reichsbürger und ihre Ideologie: Die Staatsleugner . In: Legal Tribune Online, 22.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21215/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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