Reichsbürger und ihre Ideologie: Die Staats­leugner

von Maximilian Amos

22.11.2016

2/3: Die BRD als besetztes Gebiet

Diese Heimstätte ist vor allem das Internet. Recherchiert man auf einschlägigen Seiten, so finden sich dort zahlreiche selbsternannte Experten, die mit scheinbar juristisch fundierten Argumenten das Staatsgebilde BRD auseinandernehmen und für illegitim erklären. Darunter gibt es ein Füllhorn an Absurditäten, doch lassen sich einige Kernüberzeugungen herausfiltern.

Vielfach ist zu lesen, das Deutsche Reich bestehe nach wie vor in seinen alten Grenzen wahlweise von 1871 oder 1937. Es sei mit Ende des Zweiten Weltkrieges nicht untergegangen, sondern bestehe fort, was sogar das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigt habe (Urt. v. 31.07.1973, Az. 2 BvF 1/73). Somit besitze die BRD keine Staatsgewalt und ihre Gesetze und Amtshandlungen seien illegitim.

Ein Teil dessen trifft in der Tat zu, wie Bernd Grzeszick, Professor für Staatsrecht an der Uni Heidelberg feststellt: "Die Reichsbürger zitieren hier zutreffend das Bundesverfassungsgericht". Die Bundesrepublik Deutschland ist danach "nicht 'Rechtsnachfolger' des Deutschen Reiches". Tatsächlich unterschlügen sie dabei jedoch einen wesentlichen Teil: Im Weiteren führte das Gericht aus, die BRD sei "als Staat identisch mit dem Staat 'Deutsches Reich', – in Bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings 'teilidentisch'". Diese Ansicht hat das Gericht auch im "Teso"-Beschluss (Urt. v. 21.10.1987, Az.2 BvR 373/83) bestätigt.

Die Bundesrepublik Deutschland sei damit nur ein anderer Name für ein und dasselbe Staatsgebilde, wenngleich in neuen Grenzen, sagt Grzeszick. Zudem sei die BRD auf völkerrechtlicher Ebene als Rechtssubjekt anerkannt. "Demnach lassen sich für die fehlende Staatsgewalt auch unter Zugrundelegung der Identitätsthese schlicht keine greifbaren Argumente finden."

Grundgesetz = Verfassung?

Weiterhin ist die Bundesrepublik nach Meinung der "Selbstverwalter" nicht souverän. Es gebe keinen Friedensvertrag mit den Siegermächten, welcher dem besetzten Deutschland seine Souveränität zurückgegeben hätte. Auch dies ist nur ein Teil der Wahrheit, wie Grzeszick erklärt. Einen formalen Friedensvertrag gebe es in der Tat nicht, wohl aber einen materiellen, nämlich den Zwei-plus-Vier-Vertrag, der 1990 zwischen den beiden deutschen Staaten und den vier Siegermächten des Zweiten Weltkrieges geschlossen wurde: "Er regelt umfassend die politisch geforderte und rechtlich notwendige Friedensregelung mit Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, markierte damit das Ende der Nachkriegszeit und befreite Deutschland endgültig von besatzungsrechtlichen Beschränkungen". So besagt auch Art. 7 Abs. 2 des Vertrages: "Das vereinte Deutschland hat demgemäß volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten".

Aber für die Reichsbürger gibt es noch weitere Gründe, am Staat zu zweifeln. Den könne es nämlich ohne eine echte Verfassung gar nicht geben und eine solche sei das Grundgesetz (GG) schon dem Namen nach nicht. Dafür wird auch Art. 146 GG angeführt: "Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."

Diese Vorschrift, widerspricht Grzeszick, treffe aber keineswegs die Aussage, dass das Grundgesetz keine Verfassung sei: "Art. 146 besagt nur, dass es nicht die letzte Verfassung für Deutschland bleiben muss". Eine Verfassung im Sinne eines grundlegenden Kanons der Rechte und Befugnisse der Bürger und der Staatsgewalt könne man zwar durchaus als Voraussetzung für einen funktionierenden Staat betrachten, das Grundgesetz erfülle diesbezüglich aber alle Anforderungen.

Eine weitere Behauptung, die durch das Reichsbürger-Milieu irrlichtert, ist, dass es sich bei der BRD um eine Firma handele, die sogar am Amtsgericht in Frankfurt am Main eingetragen sei. Tatsächlich handelt es sich bei der "Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH" nur um ein vom Bund gegründetes Unternehmen. "Als zentraler Dienstleister für die Kreditaufnahme und das Schuldenmanagement des Bundes kümmert sie sich um die Platzierung von Staatsanleihen auf dem Finanzmarkt und ist deshalb privatwirtschaftlich organisiert" erläutert Grzeszick.

Zitiervorschlag

Maximilian Amos, Reichsbürger und ihre Ideologie: Die Staatsleugner . In: Legal Tribune Online, 22.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21215/ (abgerufen am: 17.04.2024 )

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