Deutscher Juristentag: Arbeits- und Sozialrecht: Arbeits­recht ./. digi­tale Praxis

Interview von Tanja Podolski

14.09.2016

2/2: "Referentenentwurf arbeitsrechtlich noch grobschlächtig"

LTO: Das Stichwort Arbeitszeit haben Sie selber schon genannt. Was kann oder was soll der Gesetzgeber hier tun?

Thüsing: Wir haben ein Arbeitszeitgesetz, dass auf europarechtlicher Grundlage fußt. Hier sind verbindliche Ruhezeiten von elf Stunden vorgeschrieben nach einem Arbeitstag. Ungelöst ist bislang, wieweit Unterbrechungen durch Email im Feierabend oder noch das kurze Telefonat nach Dienstschluss hier zu einem Neubeginn oder Unterbrechung der elf Stunden führt. Mit anderen Worten: Ist unsere Praxis unternehmerischen Alltags überhaupt arbeitszeitrechtskonform, und wenn sie dies nicht ist, wie müssen wir das anpassen. Es geht darum, die geringfügigen Unterbrechungen zu definieren, die wir noch in der Freizeit tolerieren wollen  - und umgekehrt eine klare Grenze dort zu setzen, wo wir solche Belastungen außerhalb der regulären Arbeitszeit nicht mehr zulassen wollen. Das ist Arbeit im Detail, aber auch das kann der Juristentag leisten.

LTO: Datenschutzgrundverordnung und Beschäftigtendatenschutz: Da ist der Juristentag ja ganz aktuell, nachdem das Umsetzungsgesetz ja gerade in die Ressortabstimmung gegangen ist.

Thüsing: In der Tat, das ist ein glücklicher Zeitpunkt. Unsere Diskussion kann jetzt noch Änderungen in der Gesetzgebung bewirken und die richtigen Impulse setzen. Der bisherige Referentenentwurf ist arbeitsrechtlich noch etwas grobschlächtig. Es geht darum, klarer zu definieren, wann eine Einwilligung des Arbeitnehmers eine Rechtfertigung für eine Datenverarbeitung im Beschäftigungsverhältnis sein kann, und wann sie nicht mehr so freiwillig ist, dass wir sie als Legitimation zum Arbeitgeberhandeln hinnehmen wollen. Zum anderen sollte klar gestellt werden, dass derjenige Arbeitgeber, der die private Nutzung von Internet und Email seinen Arbeitnehmern erlaubt, dadurch nicht zum Teledienstleister wird, der den strengen Regelungen des Telekommunikationsgesetzes unterfällt und vielleicht gerade nur deswegen die Privatnutzung verbietet. Also hier auch Anpassungsbedarf, den der Juristentag diskutieren wird.

LTO: Herr Thüsing, können Sie abschließend sagen, was Sie sich vom Juristentag versprechen?

Thüsing: Ich kann auf jeden Fall meine Vorfreude ausdrücken.. Der Juristentag ist ein einzigartiges Plenum, in dem die verschiedenen Interessenvertreter aus Anwalts- und Unternehmenspraxis, Wissenschaft, Verbänden, Politik und Gerichtsbarkeit zusammenkommen, die anstehenden Fragen guter Gesetzgebung zu diskutieren. Gerade im Arbeitsrecht sind in der Vergangenheit wichtige Impulse von den Beschlüssen ausgegangen. Ich hoffe, dass es dieses Mal genauso ist.

Prof. Dr. Gregor Thüsing LL.M. (Harvard) ist Leiter des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit an der Universität Bonn und Referent zum Arbeits- und Sozialrecht beim 71. Deutschen Juristentag in Essen.

Das Interview führte Tanja Podolski.

Zitiervorschlag

Tanja Podolski, Deutscher Juristentag: Arbeits- und Sozialrecht: Arbeitsrecht ./. digitale Praxis . In: Legal Tribune Online, 14.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20580/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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