Deutscher Juristentag: Arbeits- und Sozialrecht: Arbeits­recht ./. digi­tale Praxis

Interview von Tanja Podolski

14.09.2016

Beim DJT reden die Arbeits- und Sozialrechtler über die Datenschutzgrundverordnung. Gut so, vielleicht können sie die Mängel an dem noch frischen Referentenentwurf noch beheben, hofft Gregor Thüsing im Interview. 

LTO: Herr Thüsing, der 71. Deutsche Juristentag verhandelt seit Mittwoch in seiner arbeits- und sozialrechtlichen Abteilung über das Thema "Digitalisierung der Arbeitswelt – Herausforderungen und Regelungsbedarf". Was verbirgt sich dahinter?

Thüsing: Im Kern geht es darum zu überprüfen, wieweit unser weitgehend in Ansehung analoger Strukturen gewachsenes Arbeitsrecht ein digitales Update braucht. Stimmt der Arbeitnehmerbegriff noch? Wie verhält es sich mit dem Betriebsbegriff, den wir ja schon seit den Zeiten der Weimarer Zeit unverändert mit uns schleppen? Was bedeutet die zunehmende digitale Verfügbarkeit für die strengen Regelungen des Arbeitszeitrechts? Gibt es neue Perspektiven im Hinblick auf die Möglichkeiten, den Arbeitsort und die Arbeitszeit als Arbeitnehmer selbst zu wählen? Wohl nicht zuletzt: Was heißt die zunehmende Digitalisierung für den Beschäftigtendatenschutz, der durch die Datenschutzgrundverordnung  ja seine neue Ausprägung erfahren hat? Alles in allem also ein buntes Kaleidoskop von Themen, die sich hinter dieser Änderung der Arbeitswelt verbirgt.

BetrVG passt nicht zur digitalen gemeinsamen Arbeit

LTO: Das alles in zwei Tagen zu bearbeiten, ist ein strammes Programm. Können Sie bereits jetzt Schwerpunkte der Diskussion benennen?

Thüsing: Das vorbereitende Gutachten von Rüdiger Krause (Anm. der Red.:  Prof. Dr. Rüdiger Krause ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht an der Georg-August-Universität Göttingen) hat bereits deutlich gemacht: Ein Problem ist es in allen Diskussionen um die Fortentwicklung des Rechts, den Status quo überhaupt sauber zu beschreiben. Wir diskutieren viel über crowd working und wissen gar nicht so recht, welche vielfältigen Arbeitsformen sich dahinter verbergen. Rüdiger Krause hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir deswegen den Arbeitnehmerbegriff nicht ändern sollten, solange wir nicht wissen, wohin die Reise überhaupt geht, welches Ausmaß die digitalen Veränderungen haben werden. Bei anderen Fragen kann man schon mehr sagen. Insbesondere die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen sollten stärker anpassbar sein auf gemeinsames digitales Arbeiten. Bislang haben wir in § 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) Ansatzpunkte, hier Strukturen vereinbarungsgemäß festzulegen durch die Tarifvertragsparteien oder durch Betriebsrat und Arbeitgeber. Diese Möglichkeiten können ausgebaut werden, um effektive Arbeitnehmervertretung auch in gewandelten Arbeitswirklichkeiten zu ermöglichen.

Vielleicht zusätzlicher Betriebsrat?

LTO: Lassen Sie mich beim Betriebsbegriff einhaken. Das klingt noch sehr abstrakt. Können Sie noch konkreter werden?

Thüsing: Ja, es sollte möglich werden, zukünftig Arbeitnehmervertretungen an die unternehmensübergreifenden Kooperationen und Organisationsformen anzupassen. Das kann auch als zusätzliche Arbeitnehmervertretung geschehen, die neben den Betriebsrat tritt und nicht an seine Stelle, und die eben funktionell nur eine begrenzte Zuständigkeit hat für die sich aus der Kooperation heraus entwickelnden Fragen und Handlungsfeldern.

Zitiervorschlag

Tanja Podolski, Deutscher Juristentag: Arbeits- und Sozialrecht: Arbeitsrecht ./. digitale Praxis . In: Legal Tribune Online, 14.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20580/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen