Saal des Thüringer VerfGH
Thüringer Verfassungsgerichtshof

Land darf Ext­re­misten vom Refe­ren­da­riat aus­sch­ließen

26. November 2025, Lesedauer: 4 Minuten

Die Thüringer AfD ist mit ihrem Normenkontrollantrag gegen eine Regelung gescheitert, die es dem Land als Dienstherrn erlaubt, Extremisten nicht zum Referendariat zuzulassen. Das Vertrauen in die Justiz müsse geschützt werden, so das Gericht.

Extremisten dürfen in Thüringen vom Rechtsreferendariat ausgeschlossen werden. Konkret sei § 8 Abs. 1 Nr. 3 des Thüringer Gesetzes über die juristischen Staatsprüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst (ThürJAG) mit der Thüringer Verfassung vereinbar. Das hat der Thüringer Verfassungsgerichtshof (VerfGH) entschieden (Urt. v. 26.11.2025, Az. VerfGH 9/25).

Hintergrund des Verfahrens ist ein abstrakter Normenkontrollantrag der AfD-Fraktion im Landtag, LTO berichtete. § 8 ThürJAG regelt mehrere Tatbestände, wann der Zugang zum Referendariat zu versagen ist. Beispielsweise ist das der Fall, wenn ein Bewerber bereits zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist oder in einem anderen Bundesland die Prüfungen des Zweiten Staatsexamens endgültig nicht bestanden hat.

Vor dem VerfGH ging es nun konkret um Abs. 1 Nr. 3 der Norm. Danach ist die Zulassung zum Vorbereitungsdienst zu verwehren, wenn Bewerber "gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes tätig sind." Die AfD hatte argumentiert, dies verletze das Grundrecht auf Berufsfreiheit gemäß Art. 35 Abs. 1 S. 1 Verfassung des Freistaats Thüringen (ThürVerf). Schon in der mündlichen Verhandlung Anfang September hatte sich abgezeichnet, dass dieser Punkt für das Gericht für die Entscheidung von zentraler Bedeutung sein würde.

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Parteizugehörigkeit allein genügt für Ausschluss nicht

Aus Sicht des Gerichts ist der mit § 8 Abs. 1 Nr. 3 ThürJAG verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit allerdings gerechtfertigt, weil das Vertrauen in die Justiz geschützt werden müsse. "Die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege – unter den Bedingungen des grundrechtlich gebundenen demokratischen Rechtsstaats – setzt voraus, dass gesellschaftliches Vertrauen nicht nur in die einzelne Richterpersönlichkeit, sondern in die Justiz als Ganzes besteht", so der VerfGH. Damit unvereinbar sei die Beschäftigung und Ausbildung von Referendaren, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung tätig sind.

Gleichwohl sei der Eingriff in die Berufsfreiheit nur verhältnismäßig, wenn die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Handlungen von "einigem Gewicht" sind. Dieses Erfordernis ergibt sich nach Auffassung des Gerichts schon aus der Formulierung "gegen [die freiheitlich demokratische Grundordnung]" sowie aus dem Sinn und Zweck der Norm.

Regelmäßig nicht ausreichend für die Versagung der Zulassung zum Vorbereitungsdienst sei die bloße Zugehörigkeit zu einer Partei, so der VerfGH. "Dies ist nicht nur verfassungsrechtlich überzeugend, sondern dürfte auch ungerechtfertigte Abschreckungseffekte vermeiden", kommentiert gegenüber LTO Dr. Felix Thrun, Habilitand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Staatsphilosophie und Rechtspolitik an der Universität zu Köln. Auch sei ein gewisser zeitlicher Zusammenhang erforderlich, so der VerfGH weiter, sodass eine weit zurückliegende Tätigkeit eine Nichtzulassung jedenfalls nicht ohne weiteres rechtfertige. 

"Mit dem heutigen Urteil über den Antrag der AfD-Fraktion hat der ThürVerfGH seine Rechtsprechungslinie fortgesetzt, die er bereits 2021 im Fall Matthias B. (Az. 4/21) skizziert hatte. Das Verfassungsgericht in Weimar wendet konsequent die Rechtsprechung des BVerfG aus den 70er-Jahren an, wonach die Ablehnung von verfassungsfeindlichen Bewerber*innen in weitem Umfang möglich (und wohl sogar geboten) ist", analysiert Thrun weiter.

Die AfD-Fraktion wurde vertreten von Prof. Dr. Michael Elicker, außerplanmäßiger Professor an der Universität des Saarlandes. Für die Thüringer Landesregierung trat Prof. Dr. Christoph Möllers von der Berliner Humboldt Universität auf.

Verfassungstreue von Referendaren bundesweit ein Thema

In anderen Bundesländern sind die Verfassungstreue und entsprechende Klauseln in den Juristenausbildungsgesetzen ebenfalls ein Thema. In Nordrhein-Westfalen müssen etwa seit Kurzem alle Referendare im Rahmen der Einstellung eine verpflichtende Erklärung zur Verfassungstreue abgeben. Dagegen sei das sächsische Referendariat ein "Refugium für Extremisten", wie Dr. Felix Thrun jüngst auch unter Berücksichtigung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs für LTO analysierte. Insoweit begrüßt Thrun gegenüber LTO mit Blick auf die heutige Entscheidung aus Thüringen, "dass die verfassungsrechtliche Argumentation des SächsVerfGH keinen Anklang finden und die Entscheidung singulär bleiben wird."

Außerdem entschied vor gut einem Jahr das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), dass Bewerber für den juristischen Vorbereitungsdienst Mindestanforderungen an eine Verfassungstreuepflicht erfüllen müssen. Daran fehle es, wenn sie sich aktiv gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung betätigen. Der konkrete Fall betraf einen Parteifunktionär von "Der III. Weg" (Urt. v. 10.10.2024, Az. BVerwG 2 C 15.23). Die Entscheidung wurde bei LTO sowohl kritisch als auch eher positiv kommentiert.

Das Verwaltungsgericht Koblenz hatte zuletzt einen Fall zu entscheiden, der ebenfalls in diese Richtung geht. Dabei bestätigte das Gericht das Land Rheinland-Pfalz, das einen Diplom-Juristen nicht zum Referendariat zugelassen hatte, weil er zeitweise Mitglied der AfD-Jugendorganisation war und menschenverachtende Texte veröffentlicht hatte. Den Ausschluss hatte das Land Rheinland-Pfalz als Dienstherr ebenfalls auf eine entsprechende Norm in seinem Juristenausbildungsgesetz gestützt.

jb/LTO-Redaktion

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