Art. 20 GG
Nordrhein-Westfalen

Refe­­ren­dare müssen Ver­fas­sung­s­t­reue erklären

von Joschka Buchholz und Hasso Suliak2025 M10 9, Lesedauer: 4 Minuten

Wie umgehen mit Verfassungsfeinden im Referendariat? Die Bundesländer suchen nach Lösungen. In NRW müssen Bewerber für den juristischen Vorbereitungsdienst künftig eine Erklärung abgeben, wonach sie sich zur Verfassung bekennen.

Angehende Referendare in Nordrhein-Westfalen (NRW) müssen künftig eine verpflichtende Erklärung zur Verfassungstreue abgeben. Dies erfuhr LTO aus dem Justizministerium des Landes. Der offizielle Titel des Vordrucks der Erklärung, der LTO vorliegt, lautet "Erklärung zur Loyalitätspflicht".

Die Bundesländer versuchen seit Längerem, den juristischen Vorbereitungsdienst gegen Extremisten abzusichern. Einmal im Dienst, ist es für die Länder nämlich gar nicht mehr so einfach, ungeeignete Kandidaten wieder loszuwerden. So hatte 2023 etwa ein Fall aus Sachsen bundesweit Schlagzeilen gemacht, weil das Land einen rechtsextremen Referendar zähneknirschend zum Volljuristen ausbilden musste.

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Justizminister: "Nur diejenigen ausbilden, die für unser Grundgesetz einstehen"

Gesetzlicher Ausgangspunkt für die Maßnahme ist § 30 Abs. 4 Juristenausbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen (JAG NRW). Hiernach ist die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst zu versagen, wenn der Bewerber der Zulassung "nicht würdig ist". Das Gesetz nennt insoweit insbesondere Konstellationen, in denen Bewerber für das Rechtsreferendariat bestimmte Straftaten begangen haben.

Laut dem Justizministerium entspreche es mittlerweile aber "allgemeiner Auffassung", dass die Würdigkeit auch dann zu verneinen ist, wenn Bewerber die Grundwerte der Verfassung in Zweifel ziehen und darauf abzielen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) zu beeinträchtigen oder gar zu beseitigen.

Justizminister Dr. Benjamin Limbach (Grüne) erklärt die Einführung der verpflichtenden Erklärung so: "Mit der Verpflichtungserklärung fordern wir ein klares Bekenntnis zu Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat. Wer in unserem Land Richterin, Staatsanwalt oder Anwältin werden will, braucht Haltung und Rückgrat. Jede Person, die sich in Nordrhein-Westfalen für den juristischen Vorbereitungsdienst bewirbt, muss zeigen, dass sie mit beiden Beinen auf dem Boden der Verfassung steht. Wir dürfen nur diejenigen ausbilden, die bereit sind, für die Werte unseres Grundgesetzes einzustehen, und unsere Verfassung nicht bekämpfen".

Justizministerium: "Erklärung kein bloßer Formalakt"

Der Vordruck enthält zwei Erklärungen, welche die Bewerber zu bestätigen haben:

"Ich erkläre, die Grundwerte der Verfassung nicht in Zweifel zu ziehen und nicht darauf abzuzielen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder gar zu beseitigen."

und

"Ich bin kein Mitglied einer Organisation, die darauf abzielt, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder gar zu beseitigen."

Das Justizministerium betont, es handele sich bei der Erklärung nicht um einen "bloßen Formalakt". Die Verpflichtungserklärung sei "ein Ausdruck der Bindung von Staat und Referendarinnen und Referendaren während des öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses". Für beide Seiten vermittle die Erklärung eine "wichtige Signalwirkung". Für die Bewerber werde so "die Bedeutung von Rechtsstaat und Verfassung für die Ausbildung" verdeutlicht. Den einstellenden Gerichten zeige die Erklärung, "ob die betreffende Person bereit ist, sich zu den Grundwerten des Staates zu bekennen".

NRW verweist auf BVerwG-Rechtsprechung

Weiterhin angegeben ist auf dem Papier der Hinweis angegeben: "Die Prüfung der Würdigkeit als Teil der Eignung zur Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst erfolgt als Einzelfallprüfung. Begründete Zweifel reichen aus, um einen Eignungsmangel annehmen zu können (BVerwG, a.a.O.)." Gemeint ist dabei das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Sachen "Rechtsreferendar III. Weg" (Az. 2 C 15.23). Eine ausführliche Besprechung der Entscheidung von Dr. Felix Thrun ist hier zu lesen, ein kritischer Blick aus Anwaltsperspektive von Dr. Tillmann Krach hier.

Der Erklärung vorangestellt sind eine DIN-A4-Seite lange allgemeine Ausführungen zur Verfassungstreue. "Die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes umfasst diejenigen Prinzipien, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit gewährleisten", heißt es dort. Weiter werden unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ("NPD-Verbot II") insbesondere die Menschenwürde sowie Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip als Teil der FDGO betont.

Auch auf die Frage, was passiert, wenn Bewerber die Erklärung nicht, falsch oder unvollständig abgeben, hat das Justizministerium eine Antwort: "Wer nicht bereit ist, diese Treue zu bezeugen, gibt konkreten Anlass zu Zweifeln an seiner Verfassungstreue und damit Anlass für weitere Nachforschungen. Gleiches gilt für den Fall, dass die Erklärung falsch oder unvollständig abgegeben wird."

Klauseln gegen Verfassungsfeinde immer wieder vor den Gerichten

In anderen Bundesländern sind die Verfassungstreue beziehungsweise entsprechende Klauseln ebenfalls ein Thema: Der Thüringer Verfassungsgerichtshof verhandelte kürzlich einen entsprechenden Normenkontrollantrag der AfD gegen eine Neuregelung im Thüringer Juristenausbildungsgesetz, das einen Ausschluss von extremistischen Bewerbern fürs Referendariat vorsieht. Das Urteil soll Ende November verkündet werden. 

Auch das Verwaltungsgericht Koblenz hatte zuletzt einen Fall zu entscheiden, der in diese Richtung geht. Dabei bestätigte das Gericht, dass das Land einen Diplom-Juristen nicht zum Referendariat zugelassen hatte, der zeitweise Mitglied der AfD-Jugendorganisation war und menschenverachtende Texte veröffentlicht hatte. Den Ausschluss stützte das Land Rheinland-Pfalz ebenso auf sein Juristenausbildungsgesetz.

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Thema:

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