BVerwG zu "Rechtsreferendar III. Weg": Wie das Refe­ren­da­riat gegen Ext­re­misten geschützt werden kann

Gastbeitrag von Dr. Felix Thrun

17.02.2025

Das BVerwG hat den Fall "Rechtsreferendar III. Weg" um ein Urteil bereichert. Die nun vorliegenden Gründe beseitigen Verwirrung, die der sächsische Verfassungsgerichtshof gestiftet hat, meint Felix Thrun. Problematischere Fälle werden folgen.

Die Diskussion um sogenannte Berufsverbote wurde über mehrere Jahrzehnte sprichwörtlich und politisch links liegen gelassen. Nun kehrt sie frisch vitalisiert in den öffentlichen Raum zurück. Unlängst sorgte etwa die Ablehnung einer bayerischen Lehramtsanwärterin für Aufsehen. Ob ihr Fall die Diskussion vorantreiben wird, bleibt abzuwarten. Wie bereits im so berühmten wie umstrittenen "Extremistenbeschluss" des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahre 1972 bleibt es vorerst ein Rechtsreferendar, an dem die Problematik verfassungsfeindlicher Staatsdiener verhandelt wird.

Dabei besticht der Fall "Rechtsreferendar III. Weg" vor allem durch seine Kuriosität. Nach ablehnenden Bescheiden aus mehreren Bundesländern ist der Bewerber schließlich ausgerechnet in dem Bundesland zum Volljuristen ausgebildet worden, das zuvor sein Juristenausbildungsgesetz mit Blick auf extremistische Bewerber verschärft hatte. Augenscheinlich hat die Gesetzesverschärfung damit ihr Ziel verfehlt, obgleich sie bei Lichte besehen den Rahmen des verfassungsrechtlich Möglichen noch nicht einmal ausgereizt hat.

Sonderansicht Sachsen

Der Gesetzesänderung des Freistaats Sachsen aus dem Jahre 2021 lag nämlich die zweifelhafte Rechtsauffassung zugrunde, dass die Einstellungsvoraussetzungen nach dem Juristenausbildungsgesetz (JAG) nicht über die Zulassungsvoraussetzungen der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) hinausgehen dürften. Andernfalls – so das Argument – würde der Zugang zur freien Advokatur unzulässig beschränkt. Da § 7 Nr. 6 BRAO ein strafbares Bekämpfen der freiheitlich demokratischen Grundordnung (fdGO) erfordert, soll in Sachsen auch lediglich strafbares Bekämpfen der fdGO zum Ausschluss vom Vorbereitungsdienst führen, § 8 Abs. 3 Nr. 3 JAG Sachsen.

Obgleich in Rheinland-Pfalz bereits eine vergleichbare Regelung galt, ist Sachsen damit einen couragierten Schritt gegangen, der – wegen der erforderlichen Strafbarkeit - mit Blick auf die Strafbarkeitsgrenze sogar noch als gemäßigt bezeichnet werden muss. Umso skurriler ist es,  dass diese grundrechtsfreundliche Rechtsauffassung dem Freistaat anschließend zum Verhängnis wurde. Der sächsische Verfassungsgerichtshof (SächsVerfGH) machte sich den an der BRAO orientierten Maßstab zu eigen und kam zu dem Ergebnis, dass die Straftaten des Bewerbers schon zu weit zurücklägen bzw. keinen hinreichenden politischen Bezug aufwiesen. Der Ausschluss vom Rechtsreferendariat verletze daher die Berufsfreiheit des Bewerbers. Damit hatten die politischen Bemühungen, das Rechtsreferendariat gegen extremistische Bewerber abzusichern, einen herben Rückschlag erlitten und die Einstellung des rechtsradikalen Bewerbers mutmaßlich erst möglich gemacht.

Zurecht ist diese Auslegung des SächsVerfGH jedoch kritisiert worden. Zum einen steht sie im offenen Widerspruch zur Rechtsprechung des BVerfG aus den 70er Jahren, wonach es auf eine Strafbarkeit nicht ankommt. Zum anderen ist sie aber auch mit Blick auf die BRAO kaum haltbar, weil diese bewusst an die Befähigung zum Richteramt anknüpft und damit strengere Zulassungsvoraussetzungen im Vorfeld dieser Ausbildung in Kauf nimmt.

BVerwG erinnert an Extremistenbeschluss

Nachbarschaftliche Unterstützung blieb dem SächsVerfGH auch durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) versagt, welches am 10. Oktober 2024 über die vorige Ablehnung ebenjenes Bewerbers durch die bayerische Justiz entschied und dessen Begründung nun vorliegt (Az. 2 C 15.23). Das Gericht hat dabei zwar letztlich nur ausgesprochen, was vor der Entscheidung des SächsVerfGH zumindest in der Rechtsprechung längst geklärt schien. Ein eindeutiges Wort war gleichwohl nach dem Ausreißer des SächsVerfGH mit Interesse erwartet worden und auch notwendig, hatte die Auffassung des SächsVerfGH doch immer mehr Anklang gefunden. So beschloss z. B. die Justizministerkonferenz 2023 eine Prüfung der BRAO, um das Referendariat besser gegen Extremismus abzusichern. Zuletzt war davon nichts mehr zu hören.

Das BVerwG bestätigt die Ungeeignetheit des Bewerbers, arbeitet in seiner Begründung die Verfassungstreuepflicht der Rechtsreferendare heraus und setzt sich mit dem Problem der Parteimitgliedschaft des Bewerbers auseinander. Nach der Begründung des BVerwG wäre der Bewerber auch in Sachsen sowie in jedem anderen Bundesland abzulehnen gewesen.

Passive Verfassungstreue im Vorbereitungsdienst

Das BVerwG erinnert an die im Rechtsreferendariat bereits seit den 1970er-Jahren geltenden und teilweise wohl in Vergessenheit geratenen "Mindestanforderungen an die Verfassungstreuepflicht". Diese Treuepflicht bleibt hinter der im Beamtenverhältnis geltenden insoweit zurück, als Rechtsreferendare die fdGO zwar nicht aktiv verteidigen müssen, sie aber auch nicht aktiv bekämpfen dürfen. Im Kern geht es um die Pflicht zur Unterlassung jeder verfassungsfeindlichen Aktivität, also zur passiven Verfassungstreue.

Im Gegensatz zum SächsVerfGH geht das BVerwG davon aus, dass jedes aktive Bekämpfen der fdGO diese Pflicht verletzt. Auf eine Strafbarkeit oder gar eine strafgerichtliche Verurteilung kommt es somit nicht an. Zugleich stellt das BVerwG klar, dass diese Treuepflicht unmittelbar aus dem Grundgesetz selbst folgt und damit in allen Bundesländern gleichermaßen gilt. Ergibt eine ordnungsgemäße Prognose der Einstellungsbehörde, dass ein Bewerber seine passive Verfassungstreuepflicht verletzten wird, ist er zwingend als ungeeignet abzulehnen. Auch insoweit liegt das BVerwG ganz auf der Rechtsprechungslinie des BVerfG.

Aktivität in politischen Parteien

In Bezug auf die Parteimitgliedschaft des Bewerbers wendet das BVerwG wiederum schlicht die alten Vorgaben des BVerfG an. Seine Ablehnung war insbesondere mit der Tätigkeit in einer nicht-verbotenen Partei begründet worden. Es liegt zunächst nicht fern, darin einen Eingriff in die Parteienfreiheit zu sehen.

Für den Bereich des öffentlichen Dienstes ist jedoch seit dem "Extremistenbeschluss" anerkannt, dass der Zugang auch für Mitglieder nicht-verbotener Parteien versperrt werden kann, soweit ihre Partei verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Trotz berechtigter Kritik gilt diese Ausnahme bis heute fort und hat zu einer Gruppe von politischen Parteien geführt, die zwar nicht verboten sind, deren Mitglieder aber im öffentlichen Dienst erhebliche faktische Nachteile erdulden müssen. Der "III. Weg" dürfte von Anfang an zu dieser Gruppe gezählt haben.

Insofern überrascht es nicht, wenn das BVerwG zunächst abstrakt die Verfassungsfeindlichkeit der Partei "III. Weg" prüft und erkennt, dass diese – wie die NPD – verfassungsfeindlich ist. Damit war die Aufnahme des Bewerbers, welcher sogar aktiv als Funktionär tätig war, zwingend zu versagen.

Bedeutung für die Einstellungspraxis in Sachsen

Für die sächsische Justiz bringt das Urteil des BVerwG jedoch weniger Klarheit, als es zunächst den Anschein haben mag. Anders als die Entscheidung des SächsVerfGH entfaltet es in Sachsen keine Bindungswirkung. Die dortige Justiz steht nun vor dem komplexen Problem, an widersprüchliche verfassungsgerichtliche Entscheidungen gebunden zu sein. Klärende Worte des BVerfG sind in näherer Zukunft jedoch kaum zu erwarten. 2021 nahm das BVerfG eine Verfassungsbeschwerde des Rechtsreferendars nicht zur Entscheidung an.

Es erscheint nach dem Urteil des BVerwG vielversprechend, einen weiteren Fall zur gerichtlichen Entscheidung zu bringen. Soweit der SächsVerfGH an seiner Rechtsprechung festhalten will, müsste er nach Art. 100 Abs. 3 GG dem BVerfG vorlegen.

Für den sächsischen Gesetzgeber dürfte der effektivste Weg darin bestehen, das dortige JAG zu ändern – zumal die aktuelle Regelung ihren Zweck offenbar verfehlt hat. Es bietet sich insofern an, statt der strafbaren Bekämpfung der fdGO ein aktives Bekämpfen ausreichen zu lassen. Damit wäre letztlich nur die nach der Rechtsprechung des BVerfG ohnehin geltende Rechtslage ausformuliert.

Auch für die Ablehnung von Bewerbern ohne strafrechtliche Vorgeschichte existiert im Übrigen eine Rechtsgrundlage in § 8 Abs. 4 Nr. 1 lit. a) JAG Sachsen. Demnach kann die Aufnahme verweigert werden, wenn "wichtige öffentliche Belange ernstlich beeinträchtigt würden".

Bedeutung über Sachsen hinaus

Die Entscheidung des BVerwG bringt lediglich Klarheit in einen klaren Fall. Allein der spektakulären sächsischen Sonderansicht ist es zu verdanken, dass der Bewerber überhaupt die Befähigung zum Richteramt erlangt hat. Insofern sollte die Entscheidung des BVerwG zeigen, dass Bemühungen zur Absicherung des Rechtsreferendariats nicht aussichtslos, sondern im Gegenteil verfassungsrechtlich geboten sind.

Ernsthaftere juristische Herausforderungen werden Vereinigungen und Parteien bringen, deren verfassungsfeindliche Ziele nicht so offen zutage treten wie jene des "III. Wegs". Bewerbungen aus den Reihen dieser Partei, die als "Auffangbecken für Neonazis" gilt, sind nach dem Urteil des BVerwG generell abzulehnen. Für andere problematische Vereinigungen dürfte sich der Argumentationspfad des BVerwG, wonach zunächst abstrakt über die verfassungsfeindlichen Ziele zu entscheiden ist, jedoch als steinig erweisen.

Auch insofern zeigt sich deutlich die Revisionsbedürftigkeit der alten BVerfG-Rechtsprechung zu den "Berufsverboten", welche zumindest aus heutiger Sicht kaum verträglich oder praktisch handhabbar ist. Es gilt, eine verfassungsdogmatisch überzeugende Basis für die ja weiterhin erforderlichen und dem Grunde nach zweifellos zulässigen "Berufsverbote" zu finden. Einen wichtigen Schritt ist das BVerfG mit der Rekonzeption der fdGO bereits in der zweiten NPD-Verbotsentscheidung 2017 gegangen.

Zur Absicherung des Rechtsreferendariats ist außerdem eine Änderung des DRiG in den Blick zu nehmen. Ursprünglich ist die Kompetenz zur Regelung des juristischen Vorbereitungsdienstes dem Bund zugewiesen. Eine bundeseinheitliche Regelung der Eignungsvoraussetzungen in § 5b DRiG würde der länderübergreifenden Bedeutung des Problems gerecht und zugleich den Freistaat Sachsen aus seinem Dilemma befreien.

Dr. Felix Thrun ist Habilitand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Staatsphilosophie und Rechtspolitik an der Universität zu Köln (Institutsleitung Prof. Dr. Christoph Schönberger). Er arbeitet unter anderem zu Fragen der wehrhaften Demokratie.

Zitiervorschlag

BVerwG zu "Rechtsreferendar III. Weg": . In: Legal Tribune Online, 17.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56613 (abgerufen am: 17.03.2025 )

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