Länder senken teilweise die Anforderungen

Mit diesen Exa­mens­noten geht's ins Rich­teramt und zur Staats­an­walt­schaft

von Pauline Dietrich, LL.M.Lesedauer: 5 Minuten

Richter und Staatsanwalt kann man längst nicht mehr nur mit einem Doppelprädikat werden. In den meisten Ländern zählen immer häufiger auch andere Qualifikationen als Noten – und in einigen ist das Ergebnis im Ersten Examen sogar unerheblich.

Die Justiz scheint ständig überlastet: Gerichtsverfahren dauern immer länger, Straftäter:innen müssen frühzeitig aus der U-Haft entlassen werden und mehr Aufgaben kommen auf die Justiz zu – und lösen kann das nur mehr Personal. Doch daran scheint es eben zu mangeln – und das auch noch angesichts der drohenden Pensionierungswelle der sogenannten Babyboomer. So lauten seit ein paar Jahren zumindest die Schlagzeilen. Schon 2018 machte der Nachwuchsmangel der Justiz zu schaffen und einige Bundesländer senkten ihre Einstellungsvoraussetzungen für den Richterdienst ab, das berühmte Doppelprädikat – also jeweils mindestens neun Punkte in den Staatsexamina – war schon vor fünf Jahren nicht mehr zwingende Voraussetzung.

So arbeitet Hessen nach eigenen Angaben stetig daran, die Arbeitsbedingungen in der Justiz zu verbessern – gerade im Rhein-Main-Gebiet merke man ganz besonders die Konkurrenz zu den Großkanzleien und Wirtschaftsunternehmen. Das Justizministerium setzt unter Minister Prof. Dr. Roman Poseck daher auf ein Maßnahmenbündel, um alle Stellen besetzen zu können. Eine Maßnahme davon ist die Herabsenkung der Notenschwelle für Bewerber:innen für das Richteramt und die Staatsanwaltschaft. Während Bewerber:innen 2018 noch eine Gesamtnote von 17 Punkten aus beiden Staatsexamina bzw. mindestens acht Punkte je Examen vorweisen mussten, senkte das Land diese Grenze nunmehr um zwei Punkte ab. So müssen Bewerber:innen insgesamt 15 bzw. pro Examen mindestens 7,5 Punkte haben – in der Regel. Wenn ein:e Bewerber:in noch andere qualifizierende Merkmale aufweist wie Berufserfahrung, reichen auch sieben Punkte in einem der beiden Examina, solange die Gesamtpunktzahl von 15 Punkten nicht unterschritten wird.

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Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen setzen auf Gesamtnote

Aber wie sieht es in den anderen Bundesländern aus? Auf LTO-Nachfrage gibt tatsächlich die Mehrzahl an, noch alle offenen Stellen in der Richterschaft und bei der Staatsanwaltschaft besetzen zu können – die Betonung liegt dabei allerdings auf "noch", man merke den Wettbewerb. So ist wie in Hessen auch in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen eine Gesamtnote aus den beiden Examina für die Einladung zum Bewerbungsgespräch entscheidend. Während sie im Jahr 2018 in Thüringen noch 16 Punkte betrug, liegt diese Schwelle nun bei 15 Punkten – wobei ebenfalls beide Einzelnoten mindestens befriedigend sein müssen.

Auch Sachsen-Anhalt wappnet sich mit einem Bündel von Maßnahmen gegen den zu erwartenden Nachwuchsmangel, schaffte u.a. das Rotationsprinzip ab und stellt bereits vor der anstehenden Pensionierungswelle verstärkt Proberichter:innen ein. Im Vergleich zu 2018 liegt die Notenschwelle nun bei 16 Punkten anstatt 16,5, wobei in beiden Staatsexamina mindestens ein Befriedigend erreicht worden sein muss. In Sachsen müsse man im Zweiten Examen mindestens sieben Punkte haben, in der Summe dann 14. Besondere Leistungen könnten Abweichungen aber rechtfertigen, so honoriert Sachsen einen mindestens neunmonatigen Studienaufenthalt in einem nicht deutschsprachigen Land und Sachsen-Anhalt einschlägige Berufserfahrung.

NRW: "Keine Mindestanforderungen an Erstes Staatsexamen"

Alle anderen Bundesländer hingegen betrachten nicht die Gesamtnote, sondern die Einzelnoten in den beiden Staatsexamina – mit dem Schwerpunkt auf der Note des Zweiten Staatsexamens. So teilt das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen der LTO mit, dass für die Berücksichtigung im Bewerbungsverfahren für die ordentliche Gerichtsbarkeit zwar im Zweiten Staatsexamen mindestens neun Punkte vorliegen müssen. Allerdings reichen auch 7,75 Punkte aus, wenn ein:e Bewerber:in über weitere persönliche Qualifikationen verfügt oder sich eine Person im Zweiten Staatsexamen "unter Wert geschlagen" hat, also Leistungen zum Beispiel im Abitur, Studium oder in den Stationen des Referendariats erheblich besser waren. Außerdem: Die Note im Ersten Staatsexamen ist offenbar irrelevant: "Daran werden keine Mindestanforderungen gesetzt", so das Justizministerium. Das Erste Staatsexamen überhaupt zu haben, genügt also. Für die Arbeitsgerichtsbarkeit, Finanzgerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt es jeweils gesonderte Anforderungen.

Ähnliches gilt in Rheinland-Pfalz, Bayern, im Saarland sowie in Niedersachsen. So gibt Niedersachsen an, dass es einen Nachwuchsmangel nicht feststellen kann. Dort liegen die Voraussetzungen für die Einladung zu einem Einstellungsinterview in den Richterdienst oder in die Staatsanwaltschaft jedoch auch besonders niedrig. So reiche es aus, wenn man acht Punkte im Zweiten Examen hat – doch auch das könne bei Vorliegen anderer qualifizierender Merkmale noch unterschritten werden, etwa durch eine besondere Leistung im Ersten Examen oder durch eine wissenschaftliche Tätigkeit. Auch in der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Bayern müssten mindestens acht Punkte im Zweiten Examen vorliegen, vorher werde kein Bewerbungsverfahren durchgeführt. Bis zu welcher Punktzahl letztlich tatsächlich eine Einstellung erfolgt, variiere von Einstellungstermin zu Einstellungstermin und hänge u. a. von der Anzahl der zu besetzenden Stellen und der Qualifikation der Bewerber:innen ab.  

Rheinland-Pfalz setzt "in der Regel" ebenfalls mindestens acht Punkte im Zweiten Examen voraus, wobei auch hier Merkmale wie Auslandserfahrung oder der Gesamteindruck im Bewerbungsgespräch berücksichtigt werden. Im Saarland müssen Bewerber:innen entweder mindestens 7,5 Punkte in beiden Examina oder neun Punkte im Zweiten Staatsexamen aufweisen. Dabei reichen auch zweimal sieben Punkte oder einmal im Zweiten Examen 8,5 Punkte, wenn man mindestens vier Jahre Berufserfahrung oder eine wissenschaftliche Tätigkeit vorweisen kann.

Schleswig-Holstein: Grundsätzlich Doppelprädikat

Schleswig-Holstein gibt ebenfalls an, alle offenen Stellen besetzen zu können, ein Mangel bestehe noch nicht. Dort sind die Anforderungen an die Noten auch weiterhin hoch, so werden in beiden Examina jeweils mindestens neun Punkte und überdurchschnittliche Leistungen im Vorbereitungsdienst vorausgesetzt. Eine Abweichungsmöglichkeit davon gibt es allerdings im Einzelfall auch hier, so bei fachlichen und persönlichen Qualifikationen.

Im benachbarten Mecklenburg-Vorpommern könnten derzeit ebenfalls alle offenen Stellen besetzt werden. Voraussetzung für die Teilnahme am Bewerbungsverfahren seien mindestens acht Punkte im Zweiten Staatsexamen, bei besonderen fachlichen Qualifikationen reichen auch sieben. Im Ersten Staatsexamen müsse man mindestens 6,5 Punkte aufweisen.

Im Südwesten setzt man auf eine Schwelle von acht Punkten. So müsse man in Baden-Württemberg mit beiden Staatsexamina jeweils mindestens acht Punkten haben, ein LL.M. oder eine Promotion würden als Plus angesehen.

Hamburg: Ehrenamt und soziales Engagement können einfließen

In der Hauptstadt Berlin baut man wie 2018 auch auf mindestens sieben Punkte im Ersten Examen und acht im Zweiten. Nachbar Brandenburg könne "keine allgemeingültige Aussage" über die Mindestnoten treffen, mindestens befriedigende Examensergebnisse seien aber vorausgesetzt. Für die Auswahl relevant seien darüber hinaus auch andere Gesichtspunkte, wie die Stationsnoten im Referendariat, besondere berufliche Erfahrungen und Nebenqualifikationen. Erfolgsaussichten hätten auch Bewerbungen ohne Prädikatsexamen, die etwa besondere Sprachkenntnisse oder eine zusätzliche abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen.

Bremen setzt weiterhin "vorzugsweise" auf ein Prädikat, bei zusätzlicher Qualifikation (z.B. Berufserfahrung, Promotion, Auslandserfahrung) reichen aber auch wenigstens acht Punkte im Zweiten Examen und ein Befriedigend im Ersten Examen. Hamburg baut sowohl für die Richterschaft als auch für die Staatsanwaltschaft ebenfalls grundsätzlich auf zwei vollbefriedigende Examina sowie überdurchschnittliche Leistungen im Referendariat. Ausnahmsweise reichen auch ein Vollbefriedigend in einem Examen und mindestens acht Punkte im anderen Examen aus, wenn weitere Qualifikationen vorliegen – dazu gehöre auch ein soziales Engagement, ein Ehrenamt oder Auslandserfahrung.

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