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Mit diesen Examensnoten geht's ins Richteramt und zur Staatsanwaltschaft
Die Justiz scheint ständig überlastet: Gerichtsverfahren dauern immer länger, Straftäter:innen müssen frühzeitig aus der U-Haft entlassen werden und mehr Aufgaben kommen auf die Justiz zu – und lösen kann das nur mehr Personal. Doch daran scheint es eben zu mangeln – und das auch noch angesichts der drohenden Pensionierungswelle der sogenannten Babyboomer. So lauten seit ein paar Jahren zumindest die Schlagzeilen. Schon 2018 machte der Nachwuchsmangel der Justiz zu schaffen und einige Bundesländer senkten ihre Einstellungsvoraussetzungen für den Richterdienst ab, das berühmte Doppelprädikat – also jeweils mindestens neun Punkte in den Staatsexamina – war schon damals nicht mehr zwingende Voraussetzung. Im Jahr 2023 setzte sich der Trend fort - und im Jahr 2025 verstetigt er sich, wie die folgenden aktualisierten Zahlen zeigen.
So setzt Hessen nach wie vor auf das im Jahr 2023 unter dem damaligen Justizminister Prof. Dr. Roman Poseck erarbeitete Maßnahmenbündel, um alle Stellen besetzen zu können. Eine Maßnahme davon war die Herabsenkung der Notenschwelle für Bewerber:innen für das Richteramt und die Staatsanwaltschaft. Während Bewerber:innen 2018 noch eine Gesamtnote von 17 Punkten aus beiden Staatsexamina bzw. mindestens acht Punkte je Examen vorweisen mussten, senkte das Land diese Grenze im Jahr 2023 nunmehr um zwei Punkte ab. So müssen Bewerber:innen insgesamt 15 bzw. pro Examen mindestens 7,5 Punkte haben – in der Regel. Wenn ein:e Bewerber:in noch andere qualifizierende Merkmale aufweist wie Berufserfahrung, reichen auch sieben Punkte in einem der beiden Examina, solange die Gesamtpunktzahl von 15 Punkten nicht unterschritten wird. Diese Voraussetzungen gelten auch noch 2025.
Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen setzen auf Gesamtnote
Wie Hessen ist auch in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen die Gesamtnote aus den beiden Examina für die Einladung zum Bewerbungsgespräch entscheidend. Während sie im Jahr 2018 in Thüringen noch 16 Punkte betrug, lag diese Schwelle im Jahr 2023 bei 15 Punkten – wobei ebenfalls beide Einzelnoten mindestens befriedigend sein müssen. Im Jahr 2025 ist diese Schwelle um noch einen Punkt auf 14 Punkte als Summe beider Examensnoten gesunken.
Auch Sachsen-Anhalt wappnet sich mit einem Bündel von Maßnahmen gegen den zu erwartenden Nachwuchsmangel, schaffte u.a. das Rotationsprinzip ab und stellt bereits vor der anstehenden Pensionierungswelle verstärkt Proberichter:innen ein. Im Vergleich zu 2018 liegt die Notenschwelle nun bei 16 Punkten anstatt 16,5, wobei in beiden Staatsexamina mindestens ein Befriedigend erreicht worden sein muss. In Sachsen müsse man im Zweiten Examen mindestens sieben Punkte haben, in der Summe dann 14. Besondere Leistungen könnten Abweichungen aber rechtfertigen, so honoriert Sachsen einen mindestens neunmonatigen Studienaufenthalt in einem nicht deutschsprachigen Land und Sachsen-Anhalt einschlägige Berufserfahrung.
NRW: "Keine Mindestanforderungen an Erstes Staatsexamen"
Alle anderen Bundesländer hingegen betrachten nicht die Gesamtnote, sondern die Einzelnoten in den beiden Staatsexamina – mit dem Schwerpunkt auf der Note des Zweiten Staatsexamens. So müssen Bewerber:innen im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen "vorzugsweise - aber nicht zwingend - " im zweiten Examen ein Prädikat haben, mindestens aber 7,76 Punkte. Verfügt ein:e Bewerber:in über weitere persönliche Qualifikationen oder waren Leistungen zum Beispiel im Abitur, Studium oder in den Stationen des Referendariats erheblich besser, werde das positiv berücksichtigt. Außerdem: Die Note im Ersten Staatsexamen ist wie auch im Jahr 2023 irrelevant: "Daran werden keine Mindestanforderungen gesetzt", so das Justizministerium damals zu LTO. Das Erste Staatsexamen überhaupt zu haben, genügt also. Für die Arbeitsgerichtsbarkeit, Finanzgerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt es jeweils gesonderte Anforderungen.
Ähnliches gilt in Rheinland-Pfalz, Bayern, im Saarland sowie in Niedersachsen. Dort liegen die Voraussetzungen für die Einladung zu einem Einstellungsinterview in den Richterdienst oder in die Staatsanwaltschaft besonders niedrig. So reiche es in Niedersachsen aus, wenn man acht Punkte im Zweiten Examen hat – doch auch das könne bei Vorliegen anderer qualifizierender Merkmale noch unterschritten werden, etwa durch eine besondere Leistung im Ersten Examen oder durch eine wissenschaftliche Tätigkeit. So teilte das niedersächsische Justizministerium LTO mit, dass von August 2024 bis August 2025 insgesamt 29 von 163 eingestellten Bewerber:innen in den höheren Justizdienst weniger als acht Punkte im Zweiten Examen erzielt hätten. Auch in der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Bayern müssten mindestens acht Punkte im Zweiten Examen vorliegen, vorher werde kein Bewerbungsverfahren durchgeführt. Bis zu welcher Punktzahl letztlich tatsächlich eine Einstellung erfolgt, variiere von Einstellungstermin zu Einstellungstermin und hänge u. a. von der Anzahl der zu besetzenden Stellen und der Qualifikation der Bewerber:innen ab.
Rheinland-Pfalz setzt "in der Regel" ebenfalls mindestens acht Punkte im Zweiten Examen voraus, wobei auch hier Merkmale wie Auslandserfahrung oder der Gesamteindruck im Bewerbungsgespräch berücksichtigt werden. Das Land betont, dass es sich bei der Grenze von acht Punkten "nicht um ein Ausschlusskriterium, sondern lediglich um eine Orientierungsmarke" handelt. Im Saarland müssen Bewerber:innen entweder mindestens 7,5 Punkte in beiden Examina oder neun Punkte im Zweiten Staatsexamen aufweisen. Dabei reichen auch zweimal sieben Punkte oder einmal im Zweiten Examen 8,5 Punkte, wenn man mindestens vier Jahre Berufserfahrung oder eine wissenschaftliche Tätigkeit vorweisen kann.
Schleswig-Holstein: Grundsätzlich Doppelprädikat, aber häufige Abweichungen
In Schleswig-Holstein hingegen muss man laut Website in beiden Examina jeweils mindestens neun Punkte und überdurchschnittliche Leistungen im Vorbereitungsdienst vorweisen. Ein Sprecher betonte aber kürzlich gegenüber LTO, dass die Examensnoten bei der Auswahlentscheidung ein gewichtiges, aber nicht das allein ausschlaggebende Kriterium seien. "Die Summe der Noten aus beiden Examina ist weder ausdrücklich noch informell ein Auswahlkriterium für eine Einstellung in den Justizdienst", so der Sprecher weiter. Es seien in Schleswig-Holstein nämlich auch Einstellungen möglich, wenn "fehlende Prädikate kompensiert werden" durch zusätzliche erworbene Qualifikationen wie Promotion oder einer weiteren Ausbildung. Tatsächlich zeigen die Zahlen, dass auf diese zusätzlichen Qualifikationen häufig zurück gegriffen wird. So hätten zwischen 2016 und 2024 190 eingestellte Personen im zweiten Examen eine Note unterhalb eines "Vollbefriedigend", das sind knapp 46 Prozent aller Einstellungen.
Im benachbarten Mecklenburg-Vorpommern ist Voraussetzung für die Teilnahme am Bewerbungsverfahren mindestens acht Punkte im Zweiten Staatsexamen, bei besonderen fachlichen Qualifikationen reichen auch sieben. Im Ersten Staatsexamen müsse man mindestens 6,5 Punkte aufweisen.
Im Südwesten setzt man auf eine Schwelle von acht Punkten. So müsse man in Baden-Württemberg "in der Regel" in beiden Staatsexamina jeweils mindestens acht Punkten haben, ein LL.M. oder eine Promotion würden als Plus angesehen und so auch Einstellungen unter acht Punkten möglich.
Hamburg: Ehrenamt und soziales Engagement können einfließen
In der Hauptstadt Berlin baut man wie 2018 auch auf mindestens sieben Punkte im Ersten Examen, nunmehr aber auf 7,5 statt acht im Zweiten wie noch im Jahr 2023. Aktuell weist Berlin aber daraufhin, dass "angesichts der aktuellen Stellen- und Bewerberlage auf eine Bewerbung zurzeit in der Regel nur dann eine Einladung zu einem Auswahlgespräch erfolgt, wenn in beiden Staatsexamina jeweils mehr als 9,0 Punkte erreicht wurden". Nachbar Brandenburg wollte noch im Jahr 2023 gegenüber LTO "keine allgemeingültige Aussage" über die Mindestnoten treffen, mindestens befriedigende Examensergebnisse seien aber vorausgesetzt gewesen. Inzwischen setzt man für den Richterdienst auch dort auf mindestens acht Punkte im Zweiten Examen, die Note des Ersten Examens wird nicht auf der Website erwähnt. Die Formulierung für die Einstellung als Staatsanwalt ist dagegen offener: "Sofern Sie das Referendariat mit einem Prädikatsexamen abgeschlossen haben, können Sie Ihre fachliche Eignung im Regelfall bereits durch dieses Ergebnis belegen", heißt es auf der Website. Aber auch ohne Prädikatsexamen könne man berücksichtigt werden.
Bremen hat seine Anforderungen im Vergleich zu 2023 abgesenkt und setzt nun auf mindestens acht Punkte im Zweiten Examen, sieben im Ersten und in der Summe auf 16 Punkte insgesamt. Eine schlechtere Note im Ersten Examen als sieben Punkte sei möglich, wenn besonders gute Leistungen im Zweiten Examen erbracht wurden. Hamburg baut wie im Jahr 2023 sowohl für die Richterschaft als auch für die Staatsanwaltschaft ebenfalls grundsätzlich auf zwei vollbefriedigende Examina sowie überdurchschnittliche Leistungen im Referendariat. Ausnahmsweise reichen auch ein Vollbefriedigend in einem Examen und mindestens acht Punkte im anderen Examen aus, wenn weitere Qualifikationen vorliegen – dazu gehöre auch ein soziales Engagement, ein Ehrenamt oder Auslandserfahrung.
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