AGH NRW stellt strenge Anforderung an Anwaltsrobe

"Un­sach­li­che" Wer­bung mit dem eigenen Namen?

von Niko HärtingLesedauer: 4 Minuten
Ein Kölner Anwalt hatte seinen Namen und Internetadresse auf seine Robe gedruckt – die Kammer und der AGH NRW untersagten ihm dies. Die Entscheidungen sind schwach begründet und erheben Geschmacksfragen zu Rechtspflichten, findet Niko Härting.

"Die Robe im Wandel." Unter diesem Motto stand im Mai der 8. Kölner Anwaltstag, veranstaltet vom Kölner Anwaltverein. Der Kölner Anwaltskammer ist dieses Motto hingegen fremd – sie besteht darauf, dass eine Robe schlicht, schwarz und frei von jeglichem Zierwerk sein muss. Der Anwaltsgerichtshof (AGH) Nordrhein-Westfalen pflichtet ihr darin in einer unlängst bekannt gewordenen Entscheidung bei (Urt. v. 29.05.2015, Az. 1 AGH 16/15). Der Brühler Anwalt Dr. Martin Riemer hatte den Rückenteil seiner Robe mit seinem Namen und seiner Internetadresse bedrucken lassen. Das muss man, ähnlich wie die Roben mit Fachanwalts-Aufnäher, nicht unbedingt stilvoll finden. Und man muss es auch nicht dulden, meint die Anwaltskammer Köln, die dem Anwalt einen strengen, "belehrenden" Hinweis erteilte. Die Kammer stellte sich auf den Standpunkt, es handele sich um "unsachliche" Werbung, die gegen § 43 b der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) verstoße. Außerdem verletze der Kollege seine Pflicht zur Berufstracht nach § 20 der Anwaltlichen Berufsordnung (BORA), da Aufdrucke nicht "üblich" seien.

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Überzeugter Einzelkämpfer in Sachen Anwaltswerbung

Anwalt Riemer ist kein Unbekannter. Er streitet sich seit Jahren mit der Kölner Kammer erbittert über "Werbetassen", die er hat herstellen lassen. Bevorzugte Motive: die nackten Hinterteile von Personen, die nach Großvaters Art über das Knie gelegt werden. Riemer bezeichnet die Motive als "Schockwerbung", die Kölner Kammer hält sie für "unsachlich" und hat die Tassen in einem Verfahren, das bis vor das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 05.03.2015, Az. 1 BvR 3362/14) ging, verbieten lassen. Den Kampf um die "Schocktassen" führt Riemer unverdrossen weiter. Er hat die "Dr. Riemer Rechtswissenschaftliche Dienstleistungen UG" gegründet, die die Tassen jetzt vertreibt. Die Kölner Kammer hält auch dies für berufswidrig. Eine erneute "Tassenklage" hat Riemer in erster Instanz verloren (AGH NRW, Urt. v. 29.05.2015, Az. 1 AGH 15/15). Erfolglos blieb auch sein Versuch, die Kölner Kammer zur Gewährung der Einsicht in Vorstandsprotokolle zu verpflichten (AGH NRW, Urt. v. 29.05.2015, Az. 1 AGH 15/15).

Berufung zum BGH dürfte sich lohnen

Der Anwaltsgerichtshof hat in allen drei Verfahren die Berufung zum BGH zugelassen. Zumindest  in dem Robenstreit dürfte sie sich lohnen. Mit § 43 b BRAO hat sich der Anwaltsgerichtshof gar nicht erst befasst. Wenig überraschend, da der Aufdruck des Namens und der Adresse zwar Werbung sein mag, diese Werbung jedoch dem Sachlichkeitsgebot genügt. Denn was sollte sachlicher sein als eine Namens- und Adressangabe? Statt auf das Werberecht setzen die Anwaltsrichter auf § 20 der Anwaltlichen Berufsordnung (BORA). § 20 BORA verpflichtet den Anwalt, eine Robe als Berufstracht zu tragen, soweit dies "üblich" ist.
Die Anwaltsrichter haben sich auf den Standpunkt gestellt, dass eine Robe ihre Eigenschaft als "Berufstracht" verliert, wenn sie bedruckt ist. Hierin liege ein Verstoß gegen § 20 BORA. Dies sogar dann, wenn die Robe vor einem Gericht getragen wird, bei dem gar keine Robenpflicht besteht – die Frage, ob das Tragen der Robe auch dort vom Richter erzwungen werden kann, hat das Landgericht Augsburg unlängst jedoch bejaht. Die Begründung des AGH jedenfalls ist gewagt und ergebnisorientiert; den strengen Maßstäben des Grundgesetzes dürfte sie schwerlich genügen. Es geht schließlich um einen Eingriff in Art. 12 Grundgesetz, der einer gesetzlichen Grundlage bedarf und zudem einem Gemeinwohlzweck dienen muss.

Geschmack kann fehlende Regelung nicht ersetzen

§ 20 BORA ist weder zu entnehmen, dass eine Robe nur dann "Berufstracht" ist, wenn sie unbedruckt ist. Noch lässt sich ein Belang des Gemeinwohls finden, der es rechtfertigt, aus einer Geschmacksfrage eine Frage des Berufsrechts zu machen. Die Robenpflicht lässt sich verfassungsrechtlich damit rechtfertigen, dass Gerichtsverhandlungen "in guter Ordnung und angemessener Form" durchgeführt werden sollen. Dies hat das BVerfG bereits im Jahre 1970 entscheiden (Beschl. v. 18.02.1970, Az. 1 BvR 226/69). Dass ein Rückenaufdruck die "gute Ordnung" stört, ist mehr als fraglich. Der Anwaltsgerichtshof, der sich sehr pauschal auf das alte BVerfG-Urteil beruft, hat nicht einmal versucht, dies schlüssig zu begründen. Es versteht sich von selbst, dass das Rheinische Grundgesetz ("Jeder Jeck ist anders") nicht für die Berufstracht des Anwalts gehen kann. Solange es jedoch keine Rechtsvorschriften mit genauen Vorgaben für die Robe gibt, bleibt für Individualität durchaus Raum. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH oder das BVerfG den "Wandel der Zeit" erkennen und den kölschen Reglementierungsversuchen Einhalt gebieten. Der Autor Professor Niko Härting ist Partner bei HÄRTING Rechtsanwälte in Berlin, Lehrbeauftragter und Honorarprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR Berlin) sowie Lehrbeauftragter an der Freien Universität Berlin. Er ist Mitglied des Ausschusses Berufsrecht des Deutschen Anwaltvereins.

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