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"Vor meiner mündlichen Prüfung habe ich noch 'Roméo et Juliette' gesungen"
LTO: Herr Engel-Bunsas, Sie sind Jurist mit mehreren Abschlüssen im deutschen und französischen Recht – und singen Opern. Eine ungewöhnliche Kombination.
Christoph Engel-Bunsas: Schon, aber die Musik hat mich schon sehr früh begleitet, ich kann sie nicht lassen. Meine Mutter erzählt gerne, dass ich als Kind immer im Bett saß und gesungen habe, anstatt einen Mittagsschlaf zu halten. Als Kind habe ich viel Zeit bei meinen Großeltern verbracht und wir waren oft auf Konzerten. Noch vor der Einschulung bin ich in die Musikschule gegangen und ab der ersten Klasse habe ich Keyboard gespielt, später bin ich zum Klavier gewechselt. Während meiner gesamten Schulzeit habe ich im Schulchor gesungen. Die Musik war ständiger Begleiter meiner Kindheit und Jugend.
Und dann kam Jura.
Ja. Ich hatte schon früh einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Als Jugendlicher wollte ich unbedingt Staatsanwalt werden und habe mich deshalb für das Jurastudium entschieden. Den Berufswunsch habe ich zwar nach der ersten Strafrechtsvorlesung ad acta gelegt, die Begeisterung für Jura und das Streiten für Gerechtigkeit sind aber geblieben.
"Ich möchte nicht mein Leben lang nur Jura machen"
Nach dem Jurastudium in Potsdam und Paris haben Sie dann noch Musik in Basel studiert und seit 2018 in verschiedenen Opern mitgesungen. Konnten Sie sich etwa nicht entscheiden?
Ich wollte und will mich nicht entscheiden. Als ich während des deutsch-französischen Jurastudiums zwei Jahre in Paris verbrachte, habe ich zum ersten Mal Gesangsunterricht bei einer professionellen Sängerin erhalten. Ich habe mehr und mehr gemerkt, dass ich nicht mein ganzes Leben lang nur Jura machen möchte. Parallel zum Master in Frankreich habe ich mich deshalb auf die Aufnahmeprüfung im Gesang vorbereitet. Ich habe es tatsächlich geschafft und wurde an mehreren Musikhochschulen angenommen – und wusste, dass ich mir diese einmalige Chance nicht entgehen lassen konnte. Ich habe dann fünf Jahre lang klassischen Gesang in Basel studiert und bereits während des Studiums in verschiedenen Opernproduktionen mitgewirkt, zum Beispiel an der Oper in Lyon.
Und plötzlich brach Corona aus.
Ja. Ich war gerade dabei, mir eine Karriere als junger Sänger aufzubauen. Dann wurden aber alle Veranstaltungen und Vorsingen abgesagt. Ich habe dann überlegt, wie es weitergehen soll. Tatsächlich fehlte mir gleichzeitig auch das Juristisch-Rationale. Es lag also nahe, Synergien zwischen meinen Leidenschaften zu schaffen. Ich habe daher einen postgradualen LL.M. und einen MBA im Medienrecht und -management in Potsdam absolviert, um mich weiter zu spezialisieren.
"In Deutschland gibt es kein geschriebenes Recht an der eigenen Stimme"
Ihre Masterarbeit hat das "Recht an der eigenen Stimme" zum Thema. Das ist sicher kein Zufall.
Nein, natürlich bin ich da auch etwas "befangen". Ich finde es sehr schön, dass ich so aus meiner Leidenschaft für die Stimme und meiner juristischen Ausbildung eine Nischenexpertise kreieren konnte. Die konkrete Idee kam mir bei einem Spaziergang. Im Rahmen der Masterarbeit habe ich rechtsvergleichend deutsch-französisch untersucht, wie die Stimme geschützt wird. In Deutschland haben wir in den Paragrafen 22 ff. Kunsturhebergesetz das Recht am eigenen Bild und in Paragraf 12 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) das Recht am eigenen Namen. Das sind sehr alte Persönlichkeitsrechte, die gemeinhin als besondere Persönlichkeitsrechte bezeichnet werden. Für die Stimme existiert aber kein solches geschriebenes Persönlichkeitsrecht.
Sie meinen also, dafür brauchen wir auch eines?
Die Stimme ist das Persönlichkeitsmerkmal, das uns am stärksten identifiziert und individualisiert. Gerade in Zeiten von generativer KI gibt es ein großes Problem für Sprech- und Singberufe, also für Menschen, die effektiv von der Verwertung ihrer Stimme leben. Wie man den Persönlichkeitsschutz der Stimme dogmatisch ausgestaltet, darüber lässt sich diskutieren, ob etwa als sonstiges Recht nach § 823 BGB, als Analogie zum Recht am eigenen Bild oder als eigenständiges Recht an der eigenen Stimme durch einen neuen § 12 BGB, so wie ich es vorschlage. Aber wichtig ist, dass über das Recht an der eigenen Stimme gesprochen wird. Natürlich ist meine Sicht nicht rein juristisch, sondern als Sänger bin ich auch selbst direkt betroffen, was mir aber erlaubt, eine ganzheitliche Sicht auf das Thema einzunehmen
"Auf der Bühne ist es egal, ob man schlecht geschlafen hat oder der große Zeh weh tut"
Was hat Ihnen die Musik beigebracht, das auch für Ihre Juristenlaufbahn nützlich ist?
Die Fähigkeit, im entscheidenden Moment Höchstleistungen zu erbringen und niemand anderen als einen selbst für eine schlechte Leistung verantwortlich zu machen. Wenn man auf der Bühne steht, ist es egal, ob man schlecht geschlafen hat, der große Zeh wehtut oder ob die Kollegen einen geärgert haben. Die Menschen, die die Vorstellung besuchen, haben Geld für eine Karte bezahlt und dementsprechend auch Erwartungen. Und wir als Sänger sind dafür verantwortlich, diese Erwartungen zu erfüllen.
Ich habe vor zwei Jahren die Vorbereitungsprüfung für die französische Anwaltsschule gemacht. Nur etwa 25 bis 30 Prozent bestehen diese Prüfung. Am Vorabend meiner mündlichen Prüfung war die Premiere von "Roméo et Juliette" in Bern, ich musste aber am nächsten Morgen um neun Uhr in Paris sein. Diese Prüfung durfte ich nicht verpassen. Also hat mich ein guter Freund direkt nach der Oper nach Paris gefahren. Wir sind morgens um vier angekommen. Ich habe eine Stunde geschlafen, mich noch einmal vorbereitet und war dann pünktlich im Prüfungssaal. Die Prüfer meinten, ich sähe so ruhig aus. Ich war noch voller Adrenalin, bin es aber durch die Auftritte auch gewöhnt, mit Stress umzugehen.
"Von der Disziplin des Juristen profitiert auch der Sänger"
Können Sie aus dem Juristischen auch etwas Nützliches für die Musik ziehen?
Das ist sicherlich das Bewusstsein für Abstraktion. Vom Abstraktionsgrad sind Jura und Gesang tatsächlich sehr ähnlich. Beim Gesangsunterricht versucht eine Person, die Ihre Stimme anders hört als Sie, Ihnen beizubringen, wie eine gute Gesangstechnik funktioniert. Diese Technik kann eine andere Person Ihnen aber nur begrenzt zeigen, weil es sehr viel auf eigenem Körpergefühl basiert. Umsetzen muss man diesen Input dann selbst. Und: Von der Disziplin des Juristen profitiert auch der Sänger.
Tagsüber Anwaltsausbildung, abends Auftritte und irgendwann müssen Sie noch proben und das Leben auf die Reihe bekommen. Wie ging das?
Natürlich ist man auf die Flexibilität und das Verständnis des Arbeitgebers angewiesen, das war bei mir bislang zum Glück immer der Fall. Jedes Opernhaus hat verschiedene Zeiten für die Proben, meistens zweimal am Tag. In Bern zum Beispiel wurde immer von 10 bis 13 Uhr und dann von 19 bis 22 Uhr geprobt. Ich habe zum damaligen Zeitpunkt in einer Kanzlei in Zürich gearbeitet. Nach der Arbeit bin ich regelmäßig zur Abendprobe gefahren. Natürlich war das anstrengend, aber beides hat viel Spaß gemacht und es tat gut, sich nach der Schreibtischarbeit körperlich anzustrengen. Ich singe aber auch keine vier oder fünf Opernproduktionen im Jahr, sondern versuche eine pro Spielzeit zu schaffen. Konzerte kann man leichter zwischendurch einplanen, weil sie meistens an Wochenenden stattfinden und man weniger proben muss. Aber natürlich muss man auch jeden Tag für sich allein üben. Muss man dafür auf andere Dinge verzichten? Vielleicht – aber das nehme ich gerne in Kauf.
"Ich habe im Royal Opera House im Oman gesungen"
Was war Ihr bisheriges Highlight in der Musikkarriere?
Ein Highlight war es sicherlich, als ich im Royal Opera House in Maskat im Oman singen durfte. Da haben wir die Oper "L'enfant et les sortilèges" (das Kind und die Zauberdinge) von Maurice Ravel aufgeführt. Die Kinder, für die wir das Stück gespielt haben, waren begeistert, das war sehr schön. Und darüber hinaus ist der Premierenabend immer am aufregendsten. Man weiß, dass die Kritiker, die Agenten, die Operndirektion und die Intendanz im Publikum sitzen. Und man will endlich nach vier bis sechs Wochen Probe ein Ergebnis auf die Bühne bringen und anschließend mit den Kollegen feiern.
Seit Kurzem sind Sie als Avocat in Frankreich zugelassen. Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Ich werde im Januar meine eigene Kanzlei-Boutique in Basel eröffnen. Spezialisieren möchte ich mich auf die Beratung und Vertretung von Urhebern und Interpreten. Da ich ja am Dreiländereck sitze, werde ich Mandanten aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz beraten und vertreten. Eine besondere Expertise wird natürlich das Recht an der eigenen Stimme bilden. Ich habe meine Vollzulassung in Frankreich. In der Schweiz und in Deutschland werde ich bald die Eignungsprüfung ablegen und bis dahin im Rahmen der Niederlassungs- bzw. Dienstleistungsfreiheit praktizieren.
Eine letzte Frage: Wann stehen Sie wieder auf der Bühne?
Wahrscheinlich im Sommer 2026 bei einer Oper. Mehr kann ich noch nicht dazu sagen, aber es wird schöne Projekte geben.
Viel Erfolg dabei und vielen Dank für das Gespräch!
Christoph Engel-Bunsas ist Jurist mit mehreren Abschlüssen im deutschen und französischen Recht. Seit Oktober 2025 ist er in Frankreich als Avocat zugelassen. Außerdem hat er Gesang studiert und seit 2018 in verschiedenen Opern mitgewirkt, darunter "Roméo et Juliette" und "Don Carlos". Im Januar 2026 wird er seine auf das Urheber- und Medienrecht in Deutschland, der Schweiz und Frankreich spezialisierte Kanzlei in Basel eröffnen.
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