Cecilia Toland
Anwältin steigt aus Großkanzlei in New York aus

"Teil­weise habe ich vor Schlaf­mangel hal­lu­zi­niert"

Interview von Vanessa Meilin Rolke2025 M05 31, Lesedauer: 7 Minuten

Die deutsche Anwältin und Influencerin Cecilia Toland arbeitete in einer Großkanzlei in New York. Im Interview mit Vanessa Meilin Rolke erzählt sie, wie viel "Suits" in ihrer Arbeit steckte und wieso sie ausgestiegen ist. 

LTO: Hallo Cecilia, du bist als Influencerin auf Instagram aktiv, so bin auch ich auf dich gestoßen. Magst du dich den Lesern vorstellen?

Cecilia Toland: Natürlich. Ich bin Anwältin im Bereich Private Equity/M&A, Influencerin und Mutter und lebe seit etwa sechs Jahren in New York. Das fasst es ganz gut zusammen.

Du hast in Deutschland Jura studiert und beide Examina gemacht. Wie bist Du nach New York gekommen?

Ich habe meine Wahlstation im Referendariat in New York absolviert und in dieser Zeit meinen Mann bzw. damals noch Freund kennengelernt. Und dann wollte ich natürlich hierbleiben. Ich habe dann noch einen LL. M. im Bereich Banking, Corporate & Finance gemacht. Ein LL. M. aus den USA ist Voraussetzung, um in den USA zur Anwaltschaft zugelassen zu werden. Danach habe ich mich bei verschiedenen Kanzleien beworben und mich dann für Dechert entschieden.

Für einen LL. M. in New York braucht man bestimmt gute Noten. Welche Anforderungen muss man noch erfüllen?

Tatsächlich schauen die Unis gar nicht so sehr auf die Noten. Viele haben da falsche Vorstellungen, deshalb betone ich auch gerne, dass ich "nur" durchschnittliche Noten hatte. Wichtiger sind die Persönlichkeit der Bewerber und natürlich Englischkenntnisse. Ein TOEFL-Test ist eine Voraussetzung und man muss ein einseitiges Essay schreiben. Das ist kein klassisches Anschreiben wie in Deutschland, sondern man muss sich etwas aus seinem Leben herausgreifen und eine Story schreiben, was an einem selbst besonders ist. 

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"Man verkauft quasi sein Leben an die Kanzlei"

Du warst als Anwältin im M&A tätig. An welchen großen Deals hast Du mitgearbeitet?

Ich habe relativ viele Deals im Healthcare-Bereich/Gesundheitswesen gemacht, aber auch im industriellen Bereich. Der kleinste Deal, an dem ich gearbeitet habe, war um die 60 Millionen schwer, der größte um die vier Milliarden. Ich habe aber immer versucht, mich auf die Arbeit zu konzentrieren und nicht über die Summen nachzudenken. Ansonsten hätte ich wohl permanent Panik gehabt, einen Fehler zu machen, der dann dazu führt, dass die Mandanten unzufrieden sind.

Bei dir auf Instagram sieht es aus wie bei Suits. Wie sehr gelingt der Vergleich? 

Tatsächlich ist es vom Lifestyle her wirklich sehr ähnlich, abgesehen davon, dass nicht alle Leute jeden Tag in Designerklamotten rumlaufen. Diese langen Arbeitszeiten sind aber realistisch. Ich kann auch bestätigen, dass man viel nachts arbeitet. Man ist eigentlich immer online im Office. Das wird auch entsprechend entlohnt, also man verkauft quasi sein Leben an die Kanzlei.

Was natürlich nicht so realistisch ist, ist, dass man an einem Tag einen Merger vorbereitet und am nächsten als Strafverteidiger auftritt. In den USA ist es wie in Deutschland, dass man sich spezialisiert und nicht fachübergreifend arbeitet. Und der Ton war – zumindest in meiner Kanzlei – nicht so aggressiv. Und es gibt keinen Louis Litt, der die Juniors immer runter macht.

"Ich habe manchmal von 6 Uhr morgens bis 5 Uhr am nächsten Tag gearbeitet"

Wie waren deine Arbeitszeiten in der Kanzlei? 

Eigentlich musste ich 24/7 erreichbar sein. Das haben die Mandanten so verlangt. Dass ich vor Mitternacht Feierabend gemacht habe, kam sehr selten vor. Es kommt natürlich auch darauf an, in welcher Phase des Deals man sich befindet. Ganz am Anfang kann es auch sein, dass man tagsüber ein paar Stunden Leerlauf hat. Es gibt aber auch Phasen, kurz vorm Closing oder Signing, da fängt man morgens um 6 Uhr an und hört erst am nächsten Tag um 5 auf. Teilweise habe ich halluziniert, weil ich so einen Schlafmangel hatte. Das war natürlich noch, bevor ich Mutter geworden bin.

Wie lange warst Du in Elternzeit? Wie ist das in den USA geregelt? 

Das unterscheidet sich je nach State. In New York gibt es tatsächlich zwölf Wochen Mutterschutz, was sehr viel ist im Vergleich. Üblicher sind sechs Wochen. Alles weitere muss man mit seinem Arbeitgeber besprechen. Man hat dann aber keine Garantie, dass man seinen Job danach wiederbekommt. Ich war etwa 18 Monate zu Hause und konnte danach wieder in die Kanzlei zurück. Das ist aber keine Selbstverständlichkeit. Die reguläre Elternzeit in meiner Kanzlei wären fünf Monate gewesen.

"Viele Anwälte hier haben zwei oder drei Nannys"

Du bist kürzlich nach vier Jahren in der Großkanzlei ausgestiegen. Weshalb?

Mein Arbeitspensum war einfach zu krass. Es ist deutlich einfacher, sein Leben voll und ganz der Arbeit hinzugeben, wenn man keine Familie hat. Mit dem Kind haben sich auch meine Prioritäten geändert. Es gibt natürlich auch Kollegen, die trotzdem weiter in der Großkanzlei arbeiten, sei es aus finanziellen Bedürfnissen oder weil sie einfach so sehr für den Job brennen. Auch ich war noch in der Kanzlei tätig, nachdem ich Mutter geworden war. Die meisten berufstätigen Paare hier haben mindestens eine Nanny. Anwälte wie ich, die auch nachts und am Wochenende arbeiten, auch zwei oder drei. Auch wir hatten anfangs eine Nanny. Irgendwann wollte ich das aber nicht mehr, sondern mehr von meinem Kind haben. 

Möchtest Du denn noch als Anwältin arbeiten?

Ich liebe M&A und mein Job hat mir immer viel Spaß gemacht. Aber im selben Pensum wie vorher werde ich nicht mehr arbeiten. Es gibt natürlich kleinere Kanzleien, die kleinere Deals machen. Das könnte ich mir vorstellen. Aber erstmal liegt mein Fokus auf anderen Dingen. 

"Ich möchte mehr Charity-Work machen"

Auf welchen?

Ich würde gerne mehr Charity-Work machen. Das liegt mir sehr am Herzen, bislang hat mir aber immer die Zeit dafür gefehlt. Gerade hier in New York kann man viel machen. Da möchte ich sehr gerne ansetzen und mein Netzwerk nutzen. Ich möchte aber auch betonen, dass mir bewusst ist, dass ich sehr privilegiert bin und nicht jeder diese Möglichkeit hat. Aber gerade deshalb möchte ich andere Menschen unterstützen.

Weißt du schon, in welche Richtung es gehen soll? 

Ich habe verschiedene Ansätze. Auf jeden Fall soll es um Frauen gehen. Ich möchte Frauen helfen und ihnen eine bessere Zukunft ermöglichen. 

"Junge Mädchen motivieren, alles zu schaffen, was man sich vornimmt"

Und Du bist weiterhin als "Cecilia_Sophie" bei Instagram aktiv und hast über 55.000 Follower. Verfolgst Du ein bestimmtes Ziel mit Deinem Account?

Eigentlich ist Instagram mehr ein Hobby. Ich poste schon länger ästhetischen Content aus meinem Leben. Die vielen Follower habe ich erst seit etwa einem Jahr, nachdem ich ein Vorstellungsvideo gepostet hatte. Deutsche Anwältin in New York, das fanden wohl viele spannend. Das freut mich, wenn ich vor allem junge Mädchen motivieren und inspirieren kann, alles zu schaffen, wenn man es sich vornimmt. 

Wie sieht das Feedback bisher aus?

Hauptsächlich positiv. Deshalb denke ich schon, dass es meine Aufgabe ist, Menschen zu motivieren, an sich zu glauben. Ich hatte kein Prädikatsexamen und habe auch nicht Jura studiert, weil meine Eltern und Großeltern schon seit sechs Generationen Juristen sind und eine Kanzlei haben. Im Studium habe ich mich zuerst etwas fehl am Platz gefühlt, so als sei ich zehn Schritte hinter allen anderen gestartet. Aber ich habe mich durchgebissen und bereue die Entscheidung für ein Jurastudium auch nicht. Meinen LL. M. konnte ich mit einem "Sehr gut" abschließen.

Ich habe aber mal viel Hass für ein Reel bekommen, in dem ich über mein Arbeitspensum in der Kanzlei gesprochen habe. Das wurde mir dann zu viel und ich habe es gelöscht.

"Ich bin in einem anderen Lebensabschnitt, wo ich nicht mehr 200 Prozent für meinen Job geben kann"

Was für Kommentare waren das?

Die meisten hatten kein Verständnis für mein Leben und schrieben immer wieder, wie ungesund das doch alles sei. Und diese ständigen Kommentare wurden mir irgendwann zu viel. Das war mir ja alles schon bewusst. Aber das so von anderen zu lesen, hat mir nochmal die Augen geöffnet. Man ist einfach sehr schnell in dieser Bubble drin.Man ist nur von Leuten umgeben, die das gleiche Arbeitspensum haben oder vielleicht noch eine Stunde länger im Büro waren als man selbst. 

Zweifelst du manchmal an der Entscheidung, die Kanzlei zu verlassen? 

Nein, eigentlich nicht mehr. Ich habe es wirklich versucht, aber einfach gemerkt, es funktioniert nicht. Ich bin einfach in einem anderen Lebensabschnitt, wo ich nicht mehr 200 Prozent für meinen Job geben kann und will. Ich habe hart gearbeitet, um dort zu landen, deshalb ist es natürlich schade, dass ich diese Karriere jetzt erstmal aufgebe. Ich weiß aber, dass es einfach aktuell nicht der richtige Weg ist für mich. 

Vielen Dank für das Gespräch!

Cecilia Toland hat in Kiel Jura studiert und am OLG Celle das Zweite Examen absolviert. In der Wahlstation war sie in New York. Seit März 2021 war sie Associate bei Dechert in New York. Vor kurzem entschied sie sich, aus der Kanzlei auszusteigen. Außerdem ist sie als Cecilia_Sophie bei Instagram aktiv und hat 56.000 Follower.

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