Saskia Kummerow.
"Gerade Berufseinsteiger brauchen mehr Geduld"
LTO: Frau Kummerow, zum Jahresende fassen viele Menschen gute Vorsätze – und dazu kann auch ein Jobwechsel zählen. In den vergangenen Jahren hat sich der juristische Arbeitsmarkt zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt. Ist das immer noch so?
Saskia Kummerow: Grundsätzlich haben wir immer noch einen Arbeitnehmermarkt. Die Absolventenzahlen sind seit Jahren rückläufig, deshalb gibt es auch weniger Top-Absolventen. Diejenigen mit exzellenten Noten haben fast überall sehr gute Karten. Außerdem kommt die Pensionierungswelle. Deshalb gibt es einen Nachwuchsmangel, der sich in den nächsten Jahren noch einmal deutlich verstärken wird.
Auf der anderen Seite haben wir eine sehr angespannte Wirtschaftslage. Die Unternehmen stellen restriktiv ein und das Budget für die Rechtsberatung ist nicht mehr so hoch. Das merken dann die Kanzleien, deren Hauptmandanten Unternehmen sind.
Worauf muss ich mich einstellen, wenn ich derzeit einen neuen Job im juristischen Bereich suche?
Man merkt deutlich, dass derzeit nicht so viele Stellen auf dem Markt sind, es gibt auch nicht so viele Wechsel. Gerade Berufseinsteigern würde ich deshalb raten, geduldig zu sein. Es kann sein, dass man im Moment mehr Bewerbungen schreiben muss. Man darf aber auf keinen Fall den Mut verlieren.
Gerade über die Feiertage zwischen den Jahren kommen viele zur Ruhe und machen sich Gedanken über ihre berufliche Zukunft. Viele merken dann, dass sie doch noch nicht dort sind, wo sie langfristig bleiben möchten. Deshalb wird es zum Jahreswechsel wieder mehr Bewegung im Markt geben. Aber alle, die wollen, finden auch einen guten Job – es kann nur etwas länger dauern.
"Im Arbeitsrecht wird konstant eingestellt"
Gibt es Rechtsgebiete, in denen man im Moment bessere Chancen hat?
Ja. Arbeitsrechtliche Streitigkeiten gibt es immer, deshalb wird im Arbeitsrecht ziemlich konstant eingestellt. Ansonsten im Immobilienrecht, im privaten Baurecht, im Datenschutzrecht und in den Bereichen Insolvenzrecht und Restrukturierung. Und natürlich alles rund um Künstliche Intelligenz (KI), Digitalisierung und Legal Tech.
Welche Rechtsgebiete gehen weniger gut?
Massenverfahren gehen deutlich zurück. Auch im Gesellschaftsrecht und M&A ist es schwieriger geworden. Im Strafrecht war der Einstellungsmarkt noch nie wirklich gut. Aber das kann man auch schwer prognostizieren, Straftaten hängen ja nur mittelbar von der Wirtschaftslage ab. Natürlich nimmt auch die KI in bestimmten Bereichen schon Arbeit ab, das wird sich auch noch bemerkbar machen.
"Wer im Homeoffice nur Netflix gucken möchte, würde im Büro nur Kaffee trinken"
Auch die "Generation Z" tritt mehr und mehr in den Arbeitsmarkt ein. Dieser Generation wird gerne nachgesagt, sie habe keine Lust, zu arbeiten. Ist da was dran?
Ich reagiere – gelinde gesagt – allergisch darauf. Wenn man sagt, alle aus der Gen Z seien faul, könnte man ja beispielsweise auch behaupten, alle Boomer wollten sich nicht verändern. Es trifft nie auf alle einer Generation zu. Es gibt beispielsweise auch Studien vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, die zeigen, dass die heute 20- bis 24-Jährigen der Gen Z mehr arbeiten als frühere Generationen in diesen Altersspannen.
Aus meiner Sicht hinterfragt die Gen Z sinnfreie Strukturen und übt berechtige Kritik, denn früher war nicht alles besser. Heutzutage sind Homeoffice und flexible Arbeitszeiten zum Glück in vielen Fällen möglich. Viele messen die Arbeitsleistung immer noch in Büropräsenz. Das sagt aber absolut nichts aus. Derjenige, der im Homeoffice nur Netflix gucken möchte, würde im Büro nur Kaffee trinken und Kollegen von der Arbeit abhalten. Wenn man sich um die Arbeit drücken möchte, findet man immer etwas – und das hat nichts mit dem Alter zu tun.
Ich habe eher den Eindruck, dass viele aus der Generation Z besonders motiviert sind.
Auf jeden Fall. Ich spreche vor allem mit Leuten, die froh sind, endlich das Studium und das Referendariat hinter sich gebracht zu haben und arbeiten zu können. Vielen geht es auch um Planbarkeit, Sicherheit oder stabile finanzielle Ausgangslagen. Die aktuelle Wirtschaftslage geht wohl an niemandem vorbei, in vielen Unternehmen gibt es große Kündigungswellen. Deshalb ist man dankbar, wenn man einen soliden Job findet, der einem Sicherheit und finanzielle Stabilität gibt.
"Geld allein bindet nicht langfristig"
Tatsächlich steigen die Einstiegsgehälter vieler Kanzleien stetig. Kann man exzellente Bewerber damit nach wie vor locken?
Sicherlich gibt es Menschen, die sich von 180.000 Euro Bruttojahresgehalt locken lassen. Grundsätzlich kann ich das auch nachvollziehen: Die juristische Ausbildung dauert gefühlt ewig. Im Studium bekommt man gar kein Geld, im Referendariat wird man alles andere als reich. Man verzichtet also sehr lange auf ein gutes Gehalt und fängt mit vielem später an. Aber das Geld allein bindet zumindest nicht langfristig – und man muss das Gehalt ja auch immer in Relation zur Arbeitszeit sehen. Immer mehr Menschen legen Wert darauf, dass sie auch Zeit für sich selbst und für ihre Familie haben, und würden dafür auf etwas Gehalt verzichten.
Was muss ein juristischer Arbeitgeber – abgesehen vom Gehalt – seinen Bewerbern noch bieten?
Sehr wichtig finde ich Flexibilität und sinnvolle Regelungen zum hybriden Arbeiten. Und man braucht ein sauberes Onboarding: Auch wenn die Berufseinsteiger schon im Studium und Referendariat praktische Erfahrungen in Kanzleien und Unternehmen gesammelt haben, müssen sie noch viel über die Strukturen lernen. Jede Kanzlei, jedes Unternehmen hat andere Abläufe, deshalb müssen auch Juristen mit mehr Erfahrung gut eingearbeitet werden.
Wichtig finde ich auch ein Weiterbildungsbudget für Seminare und Fachanwaltslehrgänge und ein vernünftiges Erholungskonzept. Es gibt Belastungsspitzen, in denen deutlich mehr Arbeit als sonst anfällt. Im gleichen Zug muss man dann aber auch einen Ausgleich bieten. Das kommt oft aber viel zu kurz.
"Viele Bewerbungsprozesse scheitern, weil erst einmal vier bis sechs Wochen nichts passiert"
Wenn Sie eine Sache nennen müssten, die juristische Arbeitgeber besser machen sollten, um attraktivere Arbeitgeber zu sein, welche wäre das?
Für mich ist der größte Faktor derzeit die Kommunikation und die Wertschätzung. Wertschätzung beginnt für mich schon, nachdem die Bewerbung eingereicht ist. Es gibt Kanzleien, die den Kandidaten direkt einen groben Zeitplan mitteilen und regelmäßig Feedback zum aktuellen Stand geben. Großkanzleien bekommen viele Bewerbungen, die sie bearbeiten müssen, das geht natürlich nicht innerhalb von ein paar Minuten. Aber viele Bewerbungsprozesse scheitern, weil erst einmal vier bis sechs Wochen nichts passiert und auf eine Nachfrage der Kandidaten auch erst verzögert eine Antwort kommt, weil niemand Bescheid weiß. Bis zu möglichen Bewerbungsgesprächen und einer Entscheidung vergeht noch mehr Zeit, in der die Bewerber in der Luft hängen.
Es gibt aber auch viele Kanzleien mit einer sehr guten HR-Abteilung und guten Prozessen. Kandidaten entscheiden sich natürlich für die Kanzlei, die schneller Nägel mit Köpfen macht. Gerade mit Blick auf den Nachwuchsmangel sollten Kanzleien bei der Kommunikation und der Transparenz besser werden.
"Mit insgesamt 16 Punkten aus beiden Examina schon solide Chancen"
Umgekehrt erwarten Kanzleien immer noch viel von ihren Bewerbern: am liebsten zwei Prädikatsexamina, Doktortitel, Auslandserfahrung. Ist das immer noch die einzige Eintrittskarte in Großkanzleien oder tut sich da etwas?
Es tut sich auf jeden Fall etwas, es hat sich auch schon viel getan. Noten sind nach wie vor die Eintrittskarte in Großkanzleien, aber nicht der einzig ausschlaggebende Faktor. Inzwischen hat man mit insgesamt 16 Punkten aus beiden Examina wohl schon solide Chancen, gerade wenn man noch einen LL.M. hat und in einem besonders nachgefragten Rechtsgebiet wie im Insolvenzrecht oder im Steuerrecht starten möchte. Wir hatten in letzter Zeit aber auch Kandidaten mit Doppelprädikat, teilweise auch mit abgeschlossener Promotion, die Absagen bekommen haben. Es lässt sich schwer pauschal sagen, woran das liegt; manchmal am Rechtsgebiet, manchmal passt es aber auch einfach menschlich nicht.
Worauf legen Kanzleien bei Bewerbern denn derzeit am meisten Wert?
Aus meiner Sicht achten Kanzleien noch mehr darauf, wie gut die Bewerber ins Team passen und wie ihre Einstellung ist. Berufseinsteiger muss man ohnehin einarbeiten und Fachwissen kann man gut vermitteln. Wenn jemand sich von Anfang an gut integriert und ausstrahlt, dass er motiviert ist, zu lernen und mitzuziehen, ist das viel wert. Und Bewerber sollten geübt im Umgang mit KI sein, das gehört mittlerweile einfach dazu.
"Mandanten haben immer weniger Verständnis, unendlich viele billable hours zu bezahlen"
Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft: Welche großen Herausforderungen gibt es für den juristischen Arbeitsmarkt in nächster Zeit?
Zum einen bringt die KI einen Produktivitätsdruck mit sich. Schon jetzt verändert sich die Erwartungshaltung der Mandanten, was die Preise und die Effizienz der Kanzleien angeht. Mandanten haben immer weniger Verständnis dafür, unendlich viele billable hours zu bezahlen, wenn sie von ChatGPT innerhalb von Minuten eine Antwort auf ihre Rechtsfrage bekommen können – die Qualität der Antwort sei mal dahingestellt. Natürlich kann KI niemals eine fundierte Rechtsberatung ersetzen, aber die Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Mandanten und der Kanzleien wird größer.
Eine weitere Herausforderung ist für mich die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie, die bis Juni 2026 erfolgen muss. Bewerber müssen dann bei der Bewerbung keine Gehaltsvorstellungen mehr angeben – da haben sich ohnehin viele Berufseinsteiger unter Wert verkauft. Arbeitgeber müssen den Bewerbern dann schon vor dem Vorstellungsgespräch das mögliche Gehalt bzw. die Gehaltsspanne mitteilen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Saskia Kummerow ist als Legal Talent Specialist im Bereich der juristischen Personalberatung tätig. Darüber hinaus ist sie Gründerin und Geschäftsführerin der SF Legal & Social Marketingagentur GmbH und bietet juristische Social-Media-Beratung an.
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