Die juristische Presseschau vom 10. Juni 2015: Schweigen des Präsidenten – Rechtmäßigkeit der Polizei – Kopftuch der Referendarin

10.06.2015

Justiz

EuGH – OMT-Programm und Präsidentenwechsel: Am kommenden Dienstag wird der Europäische Gerichtshof seine Entscheidung über die Vorlagefrage des Bundesverfassungsgerichts zum OMT-Programm der Europäischen Zentralbank verkünden. Außerdem endet im Herbst die Amtszeit des in Deutschland ausgebildeten, griechischen EuGH-Präsidenten Vassilios Skouris. Im Bezug auf diese Ereignisse befasst sich die FAZ (Reinhard Müller) mit dem Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG. Die Welt stellt kurz dar, worum es bei der Entscheidung geht und welche Auswirkungen sie haben kann.

BGH zu Flugannulierung durch Vorverlegung: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Vorverlegung eines Flugs um neun Stunden einer Annulierung gleich steht und entsprechende Ausgleichsansprüche nach sich zieht. Es berichten lto.de und lawblog.de (Udo Vetter).

BGH zu Notwehr gegen Polizei: Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung zum Rechtmäßigkeitsmaßstab für (polizeiliche) Vollzugsakte bestätigt. Als der Angeklagte sich gegen die Polizisten, die ihn zur Abschiebung abholten wehrte, war er nicht durch Notwehr gerechtfertigt. Die Abschiebung war zwar rechtswidrig, aber nicht wegen Unzuständigkeit, offensichtlicher Unverhältnismäßigkeit oder Willkür. Es berichten die taz (Christian Rath) und blog.beck.de (Bernd von Heitschel-Heinegg).

VGH Kassel zu Fahrerlaubnis für Ausländer: Auch wer nicht durch Pass oder Geburtsurkunde Ort und Tag seiner Geburt nachweisen kann, ist nicht unbedingt am Erwerb eines Führerscheines gehindert. Das entschied der hessische Verwaltungsgerichtshof im Fall eines Ausländers mit vorläufiger Aufenthaltsgenehmigung, der eine eidesstattliche Versicherung zu Geburtsort und -zeit abgeben wollte. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, berichtet lto.de.

VGH Mannheim zu Grabsteinen ohne Kinderarbeit: Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof hob eine Regelung auf, nach der Grabsteine nachweislich ohne Kinderarbeit hergestellt worden sein mussten. Es gebe kein hinreichend kontrolliertes Zertifikat nach welchem sich Steinmetze richten könnten, daher beschränke die Regel sie in ihrer Berufsausübungsfreiheit ungerechtfertigt hart. Das melden lto.de und lawblog.de (Udo Vetter).

BFH zu Barzahlung: Wer Kinderbetreuung steuerlich geltend machen will, muss Tagesmutter oder Babysitter per Überweisung bezahlt haben und eine Rechnung vorweisen können, entschied der Bundesfinanzhof laut FAZ (Joachim Jahn).

OVG Lüneburg zu Arbeitszeitverordnung: Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat die Arbeitszeitverordnung nach der Gymnasiallehrer eine Stunde pro Woche mehr unterrichten sollten aufgehoben. Die Begründung der Ungleichbehandlung von Gymnasiallehrern gegenüber anderen sei nicht hinreichend belegt. Es berichten FAZ (Reinhard Bingener), SZ (ojo) und lto.de.

OLG München – NSU-Prozess: spiegel.de (Gisela Friedrichsen) schreibt über die zweifelhafte Aussage des Zeugen Marcel D., der seine V-Mann-Tätigkeit bestreitet und als Führungsfigur bei "Blood aand Honor" das NSU-Trio nicht gekannt haben will. Die taz meldet, dass ein Gutachten bestätigt, dass die Zeugin Melissa M. eines natürlichen Todes gestorben ist, was fraglich erschien.

OLG München – Deutsche Bank-Prozess: Die FAZ (Joachim Jahn) bringt einen Zwischenstand zum Prozess gegen (ehemalige) Deutsche Bank-Manager wegen möglichen Prozessbetrugs. Der Angeklagte Tessen von Heydebreck könne möglicherweise eine Falschaussage eingestanden haben. Auch spiegel.de schreibt dazu.

ArbG Düsseldorf: Leistungsboni sind Arbeitslohn und dürfen vom Arbeitgeber auf den Mindestlohn angerechnet werden, entschied das Arbeitsgericht Düsseldorf laut FAZ (Joachim Jahn). Der Mindestlohn solle bei Vollbeschäftigung einen angemessenen Lebensunterhalt ermöglichen. Entscheidend sei daher nur, wie lange für wie viel Geld gearbeitet werde.

StA Dortmund – NS-Verfahren: Die FAZ (Reiner Burger/Alexander Haneke) beschreibt die Bemühungen des Dortmunder Oberstaatsanwalts Andreas Brendel, Leiter der Dortmunder Zentralstelle zur Verfolgung von NS-Verbrechen, um ein Strafverfahren wegen des SS-Massakers in Oradour-sur-Glane/Frankreich am 10. Juni 1944. Gegen einen Nichteröffnungsbeschluss des Landgerichts Köln hat er Beschwerde eingelegt, die auf Grundlage der Beihilfe-Konstruktion in den Fällen Demjanjuk und Gröning noch zur Eröffnung führen könnte. Das LG hatte sich an die alte Beihilferechtsprechung in NS-Fällen gehalten.

Revision mit "Vier-Augen-Prinzip": In seiner Kolumne legt Bundesrichter Thomas Fischer auf zeit.de seine Kritik an der Handhabung von strafrechtlichen Revisionen durch den Bundesgerichtshof dar. Regelmäßig sehen nur vier Augen die Akten, die übrigen drei Richter entscheiden nach mündlichem Vortrag unter Verstoß gegen die Verpflichtung des gesetzlichen Richter zu gleichermaßen umfassender Kenntnis des Verfahrensstoffs.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. Juni 2015: Schweigen des Präsidenten – Rechtmäßigkeit der Polizei – Kopftuch der Referendarin . In: Legal Tribune Online, 10.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15805/ (abgerufen am: 12.05.2024 )

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