DAV gegen Abschaffung des Weisungsrechts: Lieber nichts ändern bei der Kon­trolle der Staats­an­walt­schaft

04.11.2020

Auch die Staatsanwaltschaft muss kontrolliert werden, die Frage ist nur wie. Seit langem umstritten ist das Weisungsrecht der Justizministerien, doch der DAV warnt vor einer zu großen Änderung des Systems. 

Der Freistaat Thüringen will im Bundesrat einen Gesetzesentwurf vorlegen, der eine Beschränkung des Weisungsrechts der Landesjustizverwaltungen an die Staatsanwaltschaften anregt. Anlässlich dessen mahnt Rechtsanwältin Gül Pinar, Mitglied des Ausschusses Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV), man solle die Kontrolle der Staatsanwaltschaft in der bisherigen Struktur beibehalten. 

Das deutsche Modell gewährleiste bereits die demokratische Kontrolle der Staatanwaltschaften und es bestehe keine Veranlassung dieses System der Gewaltenteilung zu verändern. Die politische Verantwortung für das Handeln und die Entscheidungen der Staatanwaltschaft trage der Justizminister gegenüber dem Parlament. "Ohne das Weisungsrecht wäre diese aber ein parlamen­tarisch nicht kontrol­lierter Teil der Exekutive. Eine derartige "Demokra­ti­elücke" gilt es zu vermeiden", so die Rechtsanwältin. 

Der DAV habe bereits in einer früheren Stellungnahme aufgezeigt, dass eventuellen Bedenken mit der beabsichtigten Schriftform begegnet werden könne. Der Verein würde es bevorzugen, wenn sich eine Reform lediglich hierauf beschränken würde.

Nicht die erste Debatte über das Weisungsrecht

Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Mai 2019 ist eine Reform des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) im Gespräch. In seinem Urteil hatte das EuGH festgestellt, dass deutsche Staatsanwälte nicht unabhängig genug seien und daher keinen Europäischen Haftbefehl ausstellen dürfen. Seither muss jeder Europäische Haftbefehl von einem Richter unterzeichnet werden.

Grund hierfür ist §146 GVG, der die Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft bestimmt. Nach der Entscheidung hatte sich der Deutsche Richterbund dafür stark gemacht, das Weisungsrecht abzuschaffen und den Gesetzgeber zur Reform aufgefordert.

Doch bereits vor dem Urteil des EuGH war das Weisungsrecht schon umstritten. Für Diskussionen hatte 2015 eine Weisung von Justiminister Heiko Maas an den Generalbundesanwalt gesorgt. Generalbundesanwalt Harald Range hatte damals ein externes Gutachten in Auftrag gegeben, dessen Fertigstellung durch die Weisung des Ministers gestoppt wurde. Range hatte zu diesem Zeitpunkt auf Anzeige des Bundesamts für Verfassungssschutz gegen einige Blogger wegen Landesverrats ermittelt. Er hatte in dem Zusammenhang die Weisung des Ministers als "unerträglichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz" bezeichnet.

In der Verfassung garantiert ist allerdings nur die Unabhängigkeit der Gerichte, nicht die der Staatsanwaltschaft. Mit der Bundesratsinitätive will Thüringen nach Angaben von Justizminister Dirk Adams (Grüne) auch den Staatsanwälten in Deutschland mehr Unabhängigkeit verschaffen. Nur noch in klar definierten Ausnahmefällen sollen die Justizministerien dann Einfluss nehmen können. Der Entwurf soll der Länderkammer in der Sitzung am Freitag vorgelegt werden.

vbr/LTO-Redaktion  

 

Zitiervorschlag

DAV gegen Abschaffung des Weisungsrechts: Lieber nichts ändern bei der Kontrolle der Staatsanwaltschaft . In: Legal Tribune Online, 04.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43318/ (abgerufen am: 30.04.2024 )

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