Hatespeech und Arbeitsplatz: Wer hasst, ris­kiert – womög­lich auch den Job

von Dr. Fabian Meinecke, M.A. und Christian Oberwetter

09.11.2016

Hatespeech in sozialen Netzwerken kann sich auf das reale Leben auswirken. Wie es sich mit Volksverhetzung und Beleidigung auf Facebook & Co. verhält und was das für den Job bedeutet, erläutern Christian Oberwetter und Fabian Meinecke.

In vielerorts beschworenen Zeiten eines politisch und verbal rauen Klimas hat sich unter der Bezeichnung "Hatespeech" ein zeitgenössisches Medienphänomen herausgebildet, das aktuell große Beachtung findet - und bereits die Frage nach seiner rechtlichen Einordnung aufgeworfen hat, insbesondere in Bezug zur Haftung für rechtswidrige Kommentare. Unter dem Begriff der Hatespeech werden abwertende, meist fremdenfeindliche Kommentare zusammengefasst, die den Besuchern entsprechender Gruppen vor allem auf Internetplattformen wie Facebook, Instagram, Google+, Twitter und Youtube begegnen können. 

Solche Kommentare werden strafrechtlich zunehmend verfolgt  (BT.-Drucks. 18/7941, S. 3). Volksverhetzung als Offizialdelikt muss bei entsprechendem Anfangsverdacht durch die Staatsanwaltschaft von Amts wegen verfolgt werden. Bei im Internet ausgetragenen Meinungskämpfen ist zudem die Tendenz zu beobachten, dass solche Posts und Beiträge an den Arbeitgeber gemeldet werden, der dann – unabhängig davon, ob Strafanzeige gestellt ist – über arbeitsrechtliche Konsequenzen zu entscheiden hat. 

Hatespeech ist dabei nicht bloß ein hochstilisiertes Einzelphänomen: Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sind ein Drittel der Internetnutzer bereits auf fremdenfeindliche Hasskommentare gestoßen. Im Vergleich zu 2014 verzeichnete die Beschwerdestelle des Verbands eco e. V. in 2015 über 150 Prozent mehr Beschwerden zu Fällen im Bereich Rassismus, Tendenz zunehmend.

Auf eine Kleine Anfrage einzelner Bundestagsabgeordneter sowie der Grünen-Fraktion im Bundestag hat die Bundesregierung  kürzlich  bejaht, dass die bestehende Gesetzeslage ausreicht, um Hatespeech im Internet wirksam zu bekämpfen. Danach ist es vor allem die Anwendung des Strafrechts – Volksverhetzung nach § 130 Strafgesetzbuch (StGB) und Beleidigungsdelikte nach §§ 185 ff. StGB – von der sich die Bundesregierung die Steuerung der Kommentierungskultur im Internet verspricht. 

Eine bestimmte Variante der Volksverhetzung

Der Volksverhetzungsparagraph schützt in erster Linie das Allgemeininteresse an einem friedlichen Zusammenleben im Staat, so der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 22.10.1993, Az. 2 StR 466/93). Damit ist prima facie klar, dass bei diffamierenden Beiträgen zu Zuwanderungsfragen, die die öffentliche Debatte in der Bundesrepublik Deutschland erheblich prägen, der Tatbestand verwirklicht werden kann.

In den Absätzen 1 und 2 der Vorschrift werden die geschützten Gruppen bestimmt: Es handelt sich um nationale, rassische, religiöse und ethnische Gruppen oder andere Teile der inländischen, das heißt in Deutschland lebenden Bevölkerung. Die Diffamierung von auf der Flucht befindlichen Menschen außerhalb Deutschlands unterfiele somit allenfalls Abs. 2 der Vorschrift. 

§ 130 Abs. 2 StGB stellt die Verbreitung und andere Tatvarianten wie das Ausstellen, Anschlagen, Vorführen und sonstige Zugänglichmachen und Herstellen von Schriften unter Strafe. Die Besonderheit gegenüber Abs. 1 besteht darin, dass nach herrschender Rechtsauffassung von der Schriftenverbreitung neben inländischen auch ausländische Gruppen geschützt sind. Wichtig für die Strafbarkeit im Zusammenhang mit im Internet verbreiteten Schriften ist die in Abs. 2 Nr. 2 enthaltene Regelung, nach der die Verbreitung einer Hetzschrift durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste ebenfalls unter Strafe steht. 

Häufig entstehen strafrechtlich relevante Kommentierungen im Zusammenhang mit der Aufnahme von Flüchtlingen durch die Bundesrepublik. So etwa, man "hoffe das alle verbrennen, die nicht gemeldet sind" (ArbG Herne, Urt. v. 22.03.2016, Az. 5 Ca 2806/15) oder "Weg mit dem Dreck!" Wenn der Staat das nicht verstehe, würden "noch viel mehr Asylheime brennen… hoffentlich dann mit vernagelten Türen." Auch mit Bezug zum Holocaust sind unter die Abs. 3 und 4 des § 130 StGB fallende Kommentare  anzutreffen, die darstellen oder behaupten, es habe sich etwa bei Konzentrationslagern um reine Arbeitslager gehandelt. Im Zusammenhang mit der Flüchtlingsproblematik ist nicht ausgeschlossen, dass ein Gericht bei der Strafzumessung unter dem Gesichtspunkt der Generalprävention selbst bei fehlenden Vorstrafen eine (kurze) Freiheitsstrafe (§ 47 StGB) verhängt, so wie unlängst das Amtsgericht Tiergarten.

Beleidigung seltener verwirklicht

Seltener kommt es zur Anwendung des insbesondere durch die Causa Böhmermann in die öffentliche Wahrnehmung gelangten Beleidigungsparagraphen (§ 185 StGB). Dieser setzt zum einen grundsätzlich den Strafantrag des Verletzten voraus, zum anderen muss ein Angriff auf die persönliche Ehre vorliegen. Insbesondere im öffentlichen Meinungskampf ist oft nicht leicht zu bestimmen, wie weit die Meinungsfreiheit im Verhältnis zum Persönlichkeitsrecht des Angegriffenen gehen darf. 

Die verfassungsrechtliche Judikatur setzt eine komplexe Wertung voraus, die der aktuellen Medien- und Empörungsgesellschaft nicht immer gerecht zu werden scheint. Jedenfalls ist verfassungsrechtlich eine Tendenz erkennbar, zugunsten der Meinungsfreiheit zu entscheiden, solange nicht die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (sogenannte Schmähkritik).

Zitiervorschlag

Christian Oberwetter, Hatespeech und Arbeitsplatz: Wer hasst, riskiert – womöglich auch den Job . In: Legal Tribune Online, 09.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21098/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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