Hatespeech in sozialen Netzwerken kann sich auf das reale Leben auswirken. Wie es sich mit Volksverhetzung und Beleidigung auf Facebook & Co. verhält und was das für den Job bedeutet, erläutern Christian Oberwetter und Fabian Meinecke.
In vielerorts beschworenen Zeiten eines politisch und verbal rauen Klimas hat sich unter der Bezeichnung "Hatespeech" ein zeitgenössisches Medienphänomen herausgebildet, das aktuell große Beachtung findet - und bereits die Frage nach seiner rechtlichen Einordnung aufgeworfen hat, insbesondere in Bezug zur Haftung für rechtswidrige Kommentare. Unter dem Begriff der Hatespeech werden abwertende, meist fremdenfeindliche Kommentare zusammengefasst, die den Besuchern entsprechender Gruppen vor allem auf Internetplattformen wie Facebook, Instagram, Google+, Twitter und Youtube begegnen können.
Solche Kommentare werden strafrechtlich zunehmend verfolgt (BT.-Drucks. 18/7941, S. 3). Volksverhetzung als Offizialdelikt muss bei entsprechendem Anfangsverdacht durch die Staatsanwaltschaft von Amts wegen verfolgt werden. Bei im Internet ausgetragenen Meinungskämpfen ist zudem die Tendenz zu beobachten, dass solche Posts und Beiträge an den Arbeitgeber gemeldet werden, der dann – unabhängig davon, ob Strafanzeige gestellt ist – über arbeitsrechtliche Konsequenzen zu entscheiden hat.
Hatespeech ist dabei nicht bloß ein hochstilisiertes Einzelphänomen: Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sind ein Drittel der Internetnutzer bereits auf fremdenfeindliche Hasskommentare gestoßen. Im Vergleich zu 2014 verzeichnete die Beschwerdestelle des Verbands eco e. V. in 2015 über 150 Prozent mehr Beschwerden zu Fällen im Bereich Rassismus, Tendenz zunehmend.
Auf eine Kleine Anfrage einzelner Bundestagsabgeordneter sowie der Grünen-Fraktion im Bundestag hat die Bundesregierung kürzlich bejaht, dass die bestehende Gesetzeslage ausreicht, um Hatespeech im Internet wirksam zu bekämpfen. Danach ist es vor allem die Anwendung des Strafrechts – Volksverhetzung nach § 130 Strafgesetzbuch (StGB) und Beleidigungsdelikte nach §§ 185 ff. StGB – von der sich die Bundesregierung die Steuerung der Kommentierungskultur im Internet verspricht.
Eine bestimmte Variante der Volksverhetzung
Der Volksverhetzungsparagraph schützt in erster Linie das Allgemeininteresse an einem friedlichen Zusammenleben im Staat, so der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 22.10.1993, Az. 2 StR 466/93). Damit ist prima facie klar, dass bei diffamierenden Beiträgen zu Zuwanderungsfragen, die die öffentliche Debatte in der Bundesrepublik Deutschland erheblich prägen, der Tatbestand verwirklicht werden kann.
In den Absätzen 1 und 2 der Vorschrift werden die geschützten Gruppen bestimmt: Es handelt sich um nationale, rassische, religiöse und ethnische Gruppen oder andere Teile der inländischen, das heißt in Deutschland lebenden Bevölkerung. Die Diffamierung von auf der Flucht befindlichen Menschen außerhalb Deutschlands unterfiele somit allenfalls Abs. 2 der Vorschrift.
§ 130 Abs. 2 StGB stellt die Verbreitung und andere Tatvarianten wie das Ausstellen, Anschlagen, Vorführen und sonstige Zugänglichmachen und Herstellen von Schriften unter Strafe. Die Besonderheit gegenüber Abs. 1 besteht darin, dass nach herrschender Rechtsauffassung von der Schriftenverbreitung neben inländischen auch ausländische Gruppen geschützt sind. Wichtig für die Strafbarkeit im Zusammenhang mit im Internet verbreiteten Schriften ist die in Abs. 2 Nr. 2 enthaltene Regelung, nach der die Verbreitung einer Hetzschrift durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste ebenfalls unter Strafe steht.
Häufig entstehen strafrechtlich relevante Kommentierungen im Zusammenhang mit der Aufnahme von Flüchtlingen durch die Bundesrepublik. So etwa, man "hoffe das alle verbrennen, die nicht gemeldet sind" (ArbG Herne, Urt. v. 22.03.2016, Az. 5 Ca 2806/15) oder "Weg mit dem Dreck!" Wenn der Staat das nicht verstehe, würden "noch viel mehr Asylheime brennen… hoffentlich dann mit vernagelten Türen." Auch mit Bezug zum Holocaust sind unter die Abs. 3 und 4 des § 130 StGB fallende Kommentare anzutreffen, die darstellen oder behaupten, es habe sich etwa bei Konzentrationslagern um reine Arbeitslager gehandelt. Im Zusammenhang mit der Flüchtlingsproblematik ist nicht ausgeschlossen, dass ein Gericht bei der Strafzumessung unter dem Gesichtspunkt der Generalprävention selbst bei fehlenden Vorstrafen eine (kurze) Freiheitsstrafe (§ 47 StGB) verhängt, so wie unlängst das Amtsgericht Tiergarten.
Beleidigung seltener verwirklicht
Seltener kommt es zur Anwendung des insbesondere durch die Causa Böhmermann in die öffentliche Wahrnehmung gelangten Beleidigungsparagraphen (§ 185 StGB). Dieser setzt zum einen grundsätzlich den Strafantrag des Verletzten voraus, zum anderen muss ein Angriff auf die persönliche Ehre vorliegen. Insbesondere im öffentlichen Meinungskampf ist oft nicht leicht zu bestimmen, wie weit die Meinungsfreiheit im Verhältnis zum Persönlichkeitsrecht des Angegriffenen gehen darf.
Die verfassungsrechtliche Judikatur setzt eine komplexe Wertung voraus, die der aktuellen Medien- und Empörungsgesellschaft nicht immer gerecht zu werden scheint. Jedenfalls ist verfassungsrechtlich eine Tendenz erkennbar, zugunsten der Meinungsfreiheit zu entscheiden, solange nicht die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (sogenannte Schmähkritik).
2/2: Fristlose Kündigung bei Unternehmensbezug möglich
Im Bereich des Arbeitsrechts sehen sich die Unternehmen mit zwei Ebenen von Hatespeech konfrontiert. Auf der einen Seite handelt es sich um betriebsinterne Vorgänge, die über Kommentare auf Sozialen Netzwerken bekannt werden. Beschäftigte äußern sich dabei beleidigend über Kollegen oder Vorgesetzte (vgl. LAG Hamm, Urt. v. 10.10.2012, Az. 3 Sa 644/12; LAG Hessen, Urt. v. 28.01.2013, Az. 21 Sa 715/12). Die zweite Ebene betrifft Fälle, in denen Arbeitnehmer beleidigende oder volksverhetzende Kommentare über betriebsfremde Umstände auf Sozialen Netzwerken verfassen (vgl. ArbG Gelsenkirchen, Urt. v. 24.11.2015, Az. 5 Ca 1444/15; ArbG Mannheim, Urt. v. 19.02.2016, Az. 6 Ca 190/15).
Für die Beurteilung möglicher arbeitsrechtlicher Konsequenzen, dabei vor allem der außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), ist diese Unterscheidung von erheblicher Bedeutung, denn es gilt das Prinzip der Trennung von Geschäftlichem und Privaten: Was ein Arbeitnehmer in seiner Freizeit tut, geht den Arbeitgeber nichts an. Außerdienstliches Verhalten kann nur dann einen Grund für eine fristlose Kündigung bieten, wenn ein Unternehmensbezug vorliegt. Ein solcher Bezug ist bei der Beleidigung von Kollegen oder Vorgesetzten in Sozialen Netzwerken in der Regel gegeben: Es reicht aus, wenn im Unternehmen beschäftigte Facebook-"Freunde" einen beleidigenden Kommentar lesen. Unerheblich ist, ob der Beschäftigte den Kommentar während oder außerhalb seiner Arbeitszeit verfasst hat.
Bei fremdenfeindlichen Facebook-Beiträgen, die sich nicht auf Unternehmensangehörige beziehen, wird es schwieriger. In jedem Fall ist der Unternehmensbezug gegeben, wenn der Beschäftigte auf seinem öffentlichen Facebook-Profil seinen Arbeitgeber angibt oder Fotos von sich in Dienstkleidung postet (vgl. ArbG Mannheim, Urt. v.19.02.2016, Az. 6 Ca 190/15; ArbG Herne, Urt. v. 22.03.2016, Az. 5 Ca 2806/15).
Verstoß muss schwer genug wiegen
In einem weiteren Schritt ist dann zu klären, ob die inkriminierte Aussage an sich einen Grund für eine fristlose Kündigung bieten kann. Grobe Beleidigungen zum Nachteil des Arbeitgebers oder von Arbeitskollegen sind grundsätzlich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG, Urt. v. 8.12.2014, Az. 2 AZR 265/14). Gleiches gilt für volksverhetzende Äußerungen (BAG, Urteil vom 14.02.1996, Az. 2 AZR 274/95). Es handelt sich dabei um die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht.
Wenn danach ein wichtiger Grund für eine Kündigung vorliegt, hat der Arbeitgeber im Rahmen des § 626 Abs.1 BGB eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei sind das Interesse des Unternehmens an der Beendigung und das Interesse des Beschäftigten an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses gegenüber zu stellen. Ein erhebliches Interesse des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist gegeben, wenn durch volksverhetzende Äußerungen der Ruf des Unternehmens beschädigt wird oder ein solcher Schaden droht. Dabei kommt es auf die Stellung des Beschäftigten und auf die Form des Unternehmens an. Fremdenfeindliche Äußerungen eines Leitenden Angestellten werden dem Unternehmen eher zugerechnet als solche eines Lagerarbeiters.
Wer im öffentlichen Dienst beschäftigt oder gar Beamter ist, muss besonders vorsichtig sein, da an solche Beschäftigte höhere Anforderungen in Bezug auf Verfassungstreue gestellt werden (vgl. BAG, Urt. v. 06.09.2012, Az. 2 AZR 372/11; ArbG Gelsenkirchen, Urt. vom 24.11.2015, Az. 5 Ca 1444/15). In die Interessenabwägung ist zugunsten des Arbeitnehmers sein Verhalten nach Abgabe des Kommentars zu berücksichtigen. Löscht er den Post sofort und entschuldigt er sich, so rechnen die Gerichte dies dem Beschäftigten positiv an. Eine weitere Rolle spielen die Dauer der Beschäftigung, ob das Arbeitsverhältnis bisher unbelastet war sowie die Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers.
Unternehmen sollten sich vor Ausspruch einer Kündigung die Frage stellen, ob die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der richtige Weg ist. Ein einmaliger Ausrutscher sollte dann nicht überbewertet werden, wenn es sich um einen ansonsten integren Mitarbeiter handelt, der Beschäftigte sich einsichtig zeigt und ein Reputationsschaden des Unternehmens nicht anzunehmen ist. Bei dieser kann auch die strafrechtliche Würdigung entscheidend sein. Die Geschäftsführung kann den Beschäftigten auch durch eine Abmahnung wieder zu vertragskonformen Verhalten bewegen.
Die Autoren und Rechtsanwälte Oberwetter und Dr. Meinecke beraten Unternehmen im Arbeitsstrafrecht. Ihre fachlichen Schwerpunkte liegen auf den Arbeits- und IT-strafrechtlichen Compliance-Anforderungen. Äußerungen von Beschäftigten auf Netzwerken nehmen dabei eine zunehmend große Rolle ein.
Christian Oberwetter, Hatespeech und Arbeitsplatz: Wer hasst, riskiert – womöglich auch den Job . In: Legal Tribune Online, 09.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21098/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
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