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Bundesländer punkten im Referendariat mit Verbeamtung
Deutschlandweit konkurrieren die Bundesländer um den juristischen Nachwuchs. Angesichts der anrollenden Pensionierungswelle, die bis 2030 für einen erheblichen Personalbedarf in der Justiz sorgen und Ostdeutschland besonders hart treffen wird, stehen die Länder unter Zugzwang.
Der größte Hebel bei der Nachwuchsgewinnung: das Rechtsreferendariat. Hier kann sich der Staat als Arbeitgeber (zumindest in der Theorie) von seiner besten Seite zeigen und die angehenden Volljuristen von sich überzeugen, um sie früh an sich zu binden.
Neben gezielter Förderung und attraktiven Zusatzangeboten geht es für Bewerber aber vor allem um eins: Kohle, Zaster, Pinkepinke. Denn die sogenannte Unterhaltsbeihilfe fällt nun wirklich nicht besonders üppig aus, sodass schon wenige Hundert Euro netto am Ende des Monats den entscheidenden Unterschied für jemanden machen können, der überlegt, wo er ins Referendariat gehen soll. Kein Wunder also, dass die meisten Bundesländer erst jüngst ihre Unterhaltsbeihilfe für Referendare erhöht haben, wie LTO in einer bundesweiten Nachfrage bei den Landesjustizministerien ermittelt hat.
Die spannenden Folgefragen lauten: Bringt das etwas? Können die Bundesländer einen Zusammenhang zwischen besserer Bezahlung und Anzahl der Bewerber auf ihr Referendariat erkennen? Und was außer der Bezahlung spielt bei der Standortwahl fürs Referendariat eine weitere Rolle? LTO hat hierzu erneut bei den Bundesländern nachgehakt und spannende Antworten erhalten.
Zwischen 1.500 und 1.800 Euro brutto monatlich
Die meisten Länder zahlen zwischen 1.500 Euro und 1.800 Euro brutto Unterhaltsbeihilfe im Monat. Im Schnitt sind es rund 1.611 Euro brutto. An der Spitze liegt Sachsen, das zum Februar 2025 die Unterhaltsbeihilfe auf 1795,10 Euro brutto angehoben hat.
Insgesamt fällt die Wirkung dieser Erhöhungen unterschiedlich aus. Während einige Länder einen regelrechten Bewerberansturm erleben, bleibt der erhoffte Zulauf in anderen Regionen aus. Die Gründe hierfür sind vielfältig, belastbare Empirie dazu gibt es nicht. Die Landesjustizministerien werten in aller Regel auch nicht gesondert aus, wie Änderungen der Referendariatsbedingungen die Bewerberzahlen beeinflussen.
Aber: Anhand der Antworten, die LTO von den Bundesländern erhalten hat, zeichnen sich zumindest zwei Trends ab.
Der Verbeamtungseffekt haut voll rein
Vier der 16 Bundesländer verbeamten ihre Anwärter oder bieten ihnen dies als optionale Möglichkeit an. Es handelt sich bei ihnen um Hessen, Sachsen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern.
Die ersten drei verzeichnen allesamt einen (teils sprunghaften) Anstieg der Bewerbungen. In Mecklenburg-Vorpommern sind immerhin erstmals seit Jahren wieder alle 73 Referendarplätze besetzt, nachdem die Zahlen zuletzt rückläufig waren.
Besonders ausgeprägt ist der Verbeamtungseffekt in Thüringen (das die Verbeamtung zwischenzeitlich übrigens abgeschafft hatte): Die Zahl der Bewerbungen war zum Einstellungstermin im Mai 2025 um 47 Prozent gestiegen, also um fast die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr. Rund 90 Prozent der Referendare entscheiden sich für die optionale Verbeamtung und profitieren damit von einem höheren Nettoeinkommen am Ende des Monats. Sie haben ungefähr 200 Euro mehr in der Tasche als diejenigen, die sich nicht verbeamten lassen und ihr Referendariat stattdessen als öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis durchlaufen.
Die Thüringer Justizministerin, Beate Meißner (CDU), zeigt sich gegenüber LTO sehr erfreut und betont, dass das Gewinnen vom juristischen Nachwuchs "eines der wichtigsten Anliegen sei" und man sich mit einem Referendariat in Thüringen für eine "hervorragende Ausbildung und Zukunftsperspektive" entscheide.
Sachsen braucht jetzt sogar eine Warteliste
Auch Sachsen boomt. Wegen der bundesweit höchsten Unterhaltsbeihilfe und der Möglichkeit, sich auf Widerruf verbeamten zu lassen, hat sich der Andrang deutlich erhöht. Von rund 1.800 Euro brutto bleiben einem alleinstehenden Referendar ohne Kinder noch ansehnliche 1.600 Euro netto, wenn er sich auf Widerruf verbeamten lässt.
Das sächsische Justizministerium spricht auf LTO-Anfrage von einem "spürbar gestiegenen Interesse" und untertreibt damit wohl etwas: Allein zum vergangenen Einstellungstermin im November 2025 gingen 290 Bewerbungen ein – obwohl Sachsen an beiden Terminen im Jahr insgesamt nur 270 Plätze vergibt. Damit haben sich für einen einzigen Einstellungstermin mehr Nachwuchsjuristen beworben, als in einem ganzen Jahr Plätze zur Verfügung stehen.
Erstmals musste Sachsen daher ein Auswahlverfahren durchführen (§§ 61 ff. Sächsische Juristenausbildungs- und -prüfungsordnung). Für den nächsten Einstellungstermin im Mai 2026 gibt es bereits eine Warteliste.
Hessen dagegen verbeamtet ausnahmslos, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Optional ist die Verbeamtung nicht. Dort ist ebenfalls ein Anstieg zu beobachten: Für den Einstellungstermin im November 2025 bewarben sich 565 Absolventen auf einen Platz im hessischen Vorbereitungsdienst – ein Zuwachs von durchschnittlich 22 Prozent im Vergleich zu den Einstellungsterminen davor.
Für das Land ist das allerdings kein Novum, Hessen war bei Bewerbern schon immer beliebt: Es liegt gut erreichbar in der Mitte Deutschlands, zahlte lange Zeit am meisten (jetzt immerhin noch am drittmeisten) und verbeamtet seit vielen Jahren, weshalb es dort seit jeher Auswahlverfahren und Wartelisten gibt.
Die Sprecher der Landesjustizministerien Sachsens, Thüringens, Mecklenburg-Vorpommerns und Hessens zeigen sich gegenüber LTO jeweils zuversichtlich: Die Kombination aus erhöhter Unterhaltsbeihilfe und Verbeamtung locke ganz sicher Bewerber an. Mehr Netto vom Brutto – das zieht eben.
Erhöhung, aber keine Verbeamtung: Reicht das?
Auch Sachsen-Anhalt verzeichnete im Herbst 2025 erstmals ein deutliches Bewerberplus: Statt der üblichen 50 gingen 75 Bewerbungen ein. Das könnte der jüngsten Erhöhung der Unterhaltsbeihilfe zu verdanken sein, so ein Sprecher, doch genau wisse man das nicht. Die Unterhaltsbeihilfe dort liegt mit rund 1.511,75 Euro brutto gute 100 Euro unter dem Bundesdurchschnitt. Ähnlich ist es in Niedersachsen: Das Land zahlt eine ähnlich unterdurchschnittliche Unterhaltsbeihilfe (1.531,72 Euro brutto) wie Sachsen-Anhalt und meldet seit der Erhöhung trotzdem einen deutlichen Anstieg der Bewerbungen von fast 60 Prozent im Herbsttermin. Statt der üblichen 300 Bewerber, die es zu diesem Termin noch 2024 gab, wollten 480 junge Juristen zur Ausbildung nach Niedersachsen.
In Rheinland-Pfalz, das nach der Erhöhung durchschnittlich bezahlt, sind die Bewerberzahlen dagegen stabil. Man verzeichnet dort seit November 2024 einen steten Andrang von rund 200 bis 250 Nachwuchsjuristen zu jedem der zwei jährlichen Einstellungstermine. In Schleswig-Holstein (1.594,79 Euro brutto) bewerben sich konstant gleichbleibend viele Menschen, ebenso verhält es sich in Baden-Württemberg (1.552,51 Euro brutto).
Das Saarland zahlt vergleichsweise schlecht (1.431,60 Euro brutto) und hat dennoch einen gleichbleibenden Andrang von Bewerbern. Brandenburg verzeichnet seit dem Sommer 2025 einen leichten Anstieg der Bewerbungen. Neben der erhöhten, jetzt überdurchschnittlichen Unterhaltsbeihilfe von 1.673,25 Euro brutto überzeuge das Bundesland viele Bewerber durch die Nähe zu Berlin und damit die Möglichkeit, die langen Wartezeiten in der Hauptstadt zu umgehen, wie ein Sprecher gegenüber LTO vermutete.
Die Angaben der Bundesländer zeigen: Die Kombination aus (teils ordentlich) erhöhter Unterhaltsbeihilfe und Verbeamtung ist für Bewerber sehr attraktiv. Überraschend ist das nicht, macht sie am Ende des Monats doch einige Hundert Euro netto aus, die Referendare mehr haben als ihre Kollegen in Bundesländern, die nicht verbeamten und auch sonst nicht vergleichsweise gut zahlen.
Ob (und gegebenenfalls ab wann) eine Erhöhung auch ohne Verbeamtung für Bewerber ausschlaggebend ist und warum einige Bundesländer trotz teils saftiger Erhöhung der Unterhaltsbeihilfe keinen Zuwachs verzeichnen, während sich andere über mehr Bewerber freuen können, obwohl sie trotz Erhöhung unterdurchschnittlich zahlen, lässt sich dagegen nicht mit Sicherheit sagen. Viele Bundesländer überwachen schlicht nicht, welchen Einfluss die Höhe ihrer Unterhaltsbeihilfe auf die Bewerberzahlen hat.
Nach der Geldfrage: Zusatzleistungen werden zur Währung
Die zweite spannende Entwicklung, die sich aus den Antworten der Bundesländer ablesen lässt: Wenn die Geldfrage geklärt ist, schauen Bewerber genau hin, was die Bundesländer sonst noch so zu bieten haben.
Hier kann vor allem das größte Bundesland Bayern punkten: Über 900 Bewerbungen gingen für den Herbsteinstellungstermin Oktober 2025 ein, deutlich mehr als die sonst üblichen 600 bis 700 Bewerbungen. Dabei zahlt das Bundesland nur eine etwa durchschnittliche Unterhaltsbeihilfe und hat wegen seiner Größe auch Nachteile für Bewerber: Als Münchner kann man auch schon mal an einem weit entfernten Ausbildungsstandort wie Memmingen landen, was nicht gerade beliebt ist.
Eine Warteliste gibt es in Bayern deshalb nicht. Doch Probleme, seine Referendariatsplätze zu besetzen, hat das Bundesland auch nicht. Das erklärt ein Sprecher gegenüber LTO damit, dass das Land auf ein besonders umfangreiches Zusatzangebot für seine Referendare setze. Der Fokus liege dabei auf der Digitalisierung der juristischen Berufe. Neben (freiwilligen) Zusatzveranstaltungen zu Legal Tech hat Bayern aber auch die klassischen Rhetorik- und Mediationsseminare im Angebot, die die angehenden Volljuristen sehr gern in Anspruch nähmen, wie der Sprecher betont. Über eine Online-Lernplattform stehen zudem digitale Skripte und Lernmaterialien zur Verfügung.
Dass überdurchschnittlich ausgebaute Zusatzangebote Bewerber locken, bestätigen auch die Sprecher aus Thüringen, Sachsen und Hessen. Diese Bundesländer bieten viel, von Crash-Kursen zur Examensvorbereitung über die bundeslandübergreifende Lernplattform "ELAN-Ref" bis hin zu Seminaren zu rechtshistorischen Themen. Nachfragen unter Referendaren hätten gezeigt, dass auch diese Angebote zur Beliebtheit der Länder beitragen und sich dadurch in den gestiegenen Bewerberzahlen widerspiegeln.
Spezialfall 2025: In Bremen mehr Bewerbungen aus NRW
Unter den Bundesländern ergeben sich von Zeit zu Zeit besondere Dynamiken. So sind es nicht etwa nur Berliner Bewerber, die auf Brandenburg ausweichen. Auch Bremen beobachtet einen ähnlichen Trend. Der Grund: Das klamme Nordrhein-Westfalen (NRW) hat im Zuge von Sparmaßnahmen 2024 die Zahl der Referendarsplätze reduziert. Statt 4.500 Plätzen gibt es nur noch 3.000. Derzeit müssen Referendare im bevölkerungsreichsten Bundesland teils über zwei Jahre auf einen Platz warten.
Des einen Leid ist bekanntlich des anderen Freud: Eine Sprecherin der Senatorin für Justiz der Hansestadt Bremen berichtet von "auffallend vielen Bewerbungen aus Nordrhein-Westfalen". Bremen stellt pro Jahr zu zwei Terminen jeweils 25 Referendare ein, verzeichnete aber allein für den Herbsteinstellungstermin 2025 57 Bewerbungen.
Bemerkenswert dabei ist, dass Bremen das Schlusslicht in Sachen Unterhaltsbeihilfe bildet (1.383,61 Euro brutto im Monat) und Referendare auch nicht verbeamtet. Offenbar machen jedoch die langen Wartezeiten in anderen Bundesländern und die "intensive Betreuung in kleinen Arbeitsgemeinschaften", die die Sprecherin gegenüber LTO betont, den Standort immerhin noch ausreichend attraktiv, sodass die jährlich zweimal 25 Plätze besetzt werden können.
Berlin und Hamburg spielen derweil in ihrer eigenen Liga. Als Millionenstädte sind sie ohnehin beliebt und müssen sich um Bewerber nicht sonderlich bemühen. Dass Berlin leicht überdurchschnittlich beziehungsweise Hamburg leicht unterdurchschnittlich bezahlt, fällt praktisch nicht ins Gewicht. Beide Stadtstaaten verzeichnen auch ohne Verbeamtung weiterhin starken Zulauf. In Berlin stehen mittlerweile rekordverdächtige 1.600 junge Juristen auf der Warteliste für einen Referendariatsplatz.
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