OLG-Präsident zum Justiznachwuchs in Sachsen

"Über viele Jahre wurde viel zu wenig aus­ge­bildet"

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Der Generationenwechsel an sächsischen Gerichten ist in vollem Gang. Nun äußerte sich auch der Präsident des OLG Dresden zu der Thematik: Insbesondere eine verbesserte Referendarausbildung soll Bewerber locken.

Die aktuelle Pensionierungswelle belastet die sächsische Justiz. Etliche Richter:innen und Staatsanwält:innen, die beim Neuaufbau der Justiz 1990 halfen oder aus dem DDR-Justizdienst übernommen worden waren, gehen in den Ruhestand. Gleichzeitig herrscht starke Konkurrenz um den juristischen Nachwuchs. Der Sächsische Richterverein warnte aus diesem Grund noch kürzlich vor massivem Personalmangel, der der sächsischen Justiz drohe.

Nun äußerste sich auch der Präsident des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden Leon Ross zu der Thematik: "Über viele Jahre wurde viel zu wenig ausgebildet, auch vor dem Hintergrund stets drohender Abbaupflichten". Die in der Vergangenheit getroffenenen Sparmaßnahmen und politischen Entscheidungen rächten sich heute. So müssten nicht nur in der Richter- und Staatsanwaltschaft, sondern auch im Rechtspfleger- und Geschäftsstellendienst immer noch Lücken gefüllt werden.

Der OLG-Präsident sieht trotz der wenig versprechenden Zukunftsperspektive etwas Positives: Parallel ist die Zahl der Anwärter:innen für die Justizsekretärs- und Rechtspflegerlaufbahn laut Ross mehr als verdoppelt worden, zudem habe man erfolgreich die Referendarausbildung ausgebaut. Hinzu komme die Einführung der vorhandenen Neuzugänge bei Gericht. All das leiste die Justiz noch neben den laufenden Aufgaben des operativen Geschäfts, so Ross.

Genügen könnte das trotzdem nicht: Für 2023 und 2024 sei zwar jeweils ein Stellenaufwuchs vorgesehen, aber "nur in sehr geringem Umfang, nachdem lange nur über Abbau gesprochen wurde", so Ross.

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Ausbau der Referendarausbildung soll Fehler in der Hochschulplanung kitten

Als eine weitere Ursache für die prekäre Lage nennt Ross den mangelhaften Zugang zum Jurastudium in abgelegeneren Regionen Anfang der 2000er Jahre. "Die Schließung der Juristischen Fakultät in Dresden war ein großer Fehler der sächsischen Hochschulplanung." Nur eine juristische Fakultät - Rechtswissenschaften auf Staatsexamen kann man derzeit nämlich nur in Leipzig studieren - auf vier Millionen Einwohner, das gebe es in keinem anderen Bundesland - und das "aus gutem Grund", so Ross. Die Justiz, aber auch Anwaltskanzleien, Behörden und Unternehmen, hätten es dadurch umso schwerer, Juristennachwuchs anzuziehen.

Dem werde durch die Referendarausbildung an mittlerweile vier Standorten - seit kurzem auch in Bautzen - entgegengesteuert. Das "hohe akademische Niveau" locke nämlich auch Absolventen aus anderen Bundesländern, so Ross. "Wir haben auch die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und die juristische Fakultät in Dresden einmal wieder eingerichtet wird."

Diese Forderung stellt übrigens auch die Rechtsanwaltskammer (RAK) Sachsen. Dass die volljuristische Ausbildung allein in Leipzig nicht ausreicht, um den Bedarf in allen Bereichen der Rechtspflege zu decken, untermauere die aktuelle Situation, so die RAK. Ab 2028 würden Hunderte Stellen in Anwaltschaften, Gerichten, bei Notaren und der öffentlichen Verwaltung nicht besetzt werden können, warnt die Kammer. "Dies kann und wird den Zugang zum Recht für jeden Einzelnen erheblich erschweren." 

Hoher Konkurrenzdruck bei der Nachwuchsgewinnung

Am OLG Dresden geht man davon aus, dass die Altersabgänge am eigenen Haus sowie an den Amts- und Landgerichten in den nächsten Jahren stark zunehmen. Mit 56 Richter:innen und Staatsanwält:innen wechselten 2022 schon so viele wie nie seit 20 Jahren in den Ruhestand, wobei laut Ross 58 Proberichter:innen eingestellt wurden. Für 2027 rechne man mit 80 Abgängen in nur einem Jahr.

Die hohe Zahl der Ruhestände belaste damit einhergehend auch die Rechtspflege und Geschäftsstellen. Viele Mitarbeiter:innen gingen vorzeitig, teils noch erschöpft von den Belastungen in der Corona-Zeit - und "Arbeitskraft und Erfahrungswissen" seien mit ihnen verloren, so Ross.

Laut dem OLG-Präsidenten haben die Einstellung und Ausbildung junger Anwärter:innen und Richter:innen daher "höchste Priorität", auch damit die Älteren ihr umfassendes Wissen noch an sie weitergeben können. In Zeiten von Fachkräftemangel sei das keine leichte Aufgabe, auch da räche sich der Sparkurs der Vergangenheit. Die Konkurrenz mit privaten und öffentlichen Arbeitgebern auch in benachbarten Bundesländern sei deutlich spürbar.

Auch die anderen Bundesländer bemühen sich um attraktive Karrierechancen in der Justiz, um Bewerber:innen zu locken. Sachsen-Anhalt beispielsweise hat das Rotationsprinzip für Richter:innen auf Probe abgeschafft, um so den Anwärter:innen entgegenzukommen. Hessen hat dagegen die Einstiegsanforderungen abgesenkt. Noch reichten die Bewerbermengen für eine Leistungsauswahl in allen Laufbahnen zwar aus, so Ross, tendenziell werde es aber immer enger.

Sachsen punktet laut Ross "mit einer der Lebenswirklichkeit flexibel angepassten Ausbildung". Referendariat in Teilzeit, Distanzunterricht oder elektronische Examensklausur: Man wolle "auch weiter an allen Schrauben drehen". Am OLG Dresden werde etwa die in Kanzleien längst übliche Assistenz durch Referendar:innen erprobt. Die bezahlte Nebentätigkeit biete "besonders befähigten Referendaren" praktische Erfahrungen. Beim Einstieg ins Berufsleben sollen eine gute technische Ausstattung, flexible Arbeitszeitmodelle und berechenbare Karrierewege überzeugen.

"Und wer vollen Einsatz bringt, muss auch davon ausgehen dürfen, die Arbeitslast damit zu bewältigen", merkt Ross mit Blick auf das Pensum für Richter:innen an.

dpa/lmb/LTO-Redaktion

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