Die juristische Presseschau vom 19. Oktober 2017: Größe bei der Polizei / Kein EZB-Eil­be­schluss / "Ritter Sport" im Quadrat

19.10.2017

Justiz

BVerfG zu EZB: Das Bundesverfassungsgericht hat in der vergangenen Woche Eilanträge mehrerer Euro-Kritiker abgewiesen, durch die der Europäischen Zentralbank untersagt werden sollte, ihre Käufe von Staatsanleihen fortzusetzen. Eine einstweilige Anordnung hätte die Hauptsache unzulässig vorweggenommen, so das Gericht in dem nun veröffentlichten Beschluss. Die Antragsteller erlitten hierdurch auch keinen schweren Nachteil. Es berichten u.a. lto.de und FAZ (Hendrik Wieduwilt/Philipp Plickert). Nach Holger Steltzner (FAZ) ist es "nur logisch" , dass Karlsruhe die Anträge abwies, nachdem es bereits vor zwei Monaten die Politik der EZB "mit starken Worten" rügte, die Hauptsache jedoch an den Europäischen Gerichtshof verwies.

BVerfG zu Familiennachzug: Für verfassungsblog.de bewertet Meike Riebau, Juristin bei Save the Children Deutschland, den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Familiennachzug aus der vergangenen Woche. Die Autorin blickt hierzu auf Sinn, Zweck und praktische Auswirkungen des Familiennachzugs und bedauert es als "vertane Chance", dass die zahlreichen grundrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiäre Schutzberechtigte das Gericht nicht zu einer anderen Entscheidung bewegen konnten.

BGH zu "Ritter Sport": Die quadratische Form von "Ritter Sport"-Schokolade genießt bis auf Weiteres markenrechtlichen Schutz. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellt die Form keine wesentliche Gebrauchseigenschaft von Schokolade dar, zur abschließenden Klärung wurde die Sache jedoch an das Bundespatentgericht zurückverwiesen. Gleiches gilt nach den Berichten von SZ (Wolfgang Janisch) und FAZ (Hendrik Wieduwilt) für den parallel verhandelten markenrechtlichen Schutz der Quaderform von "Dextro Energy"-Traubenzucker.

BGH zu Verbraucherrechten: Der SWR-RadioReport Recht (Klaus Hempel) stellt im Video mehrere verbraucherrechtlich relevante Urteile des Bundesgerichtshofs aus der vergangenen Woche vor.

BAG zu Schichtwechsel: Das betriebliche Eingliederungsmanagement nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) IX ist nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts keine formelle Voraussetzung der Versetzung eines Arbeitnehmers in eine andere Schicht. Dies gelte auch bei krankheitsbedingten Gründen für die Versetzung. Die notwendige Einzelfallprüfung aller relevanten Faktoren müsse die Vorinstanz jedoch noch nachholen, so Rechtsprofessor Michael Fuhlrott auf lto.de in einer ausführlichen Darstellung von Sachverhalt, Instanzenzug und Rechtsproblematik.

OLG Frankfurt/M. – Spion: Im Prozess gegen Daniel M., in dem vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zum Vorwurf der Spionage im Auftrag der Schweiz verhandelt wird, deutet sich eine verfahrensverkürzende Absprache an. Im Gegenzug für glaubwürdige und nachvollziehbare Angaben zu den Vorwürfen der Anklage könne der Angeklagte von einer Bewährungsstrafe ausgehen, so FAZ (Helene Bubrowski) und taz (Christian Rath) in ausführlichen Berichten, die auch auf die abenteuerlich anmutende Enttarnung des mutmaßlichen Spions unter der Beteiligung des jüngst wegen Steuerhinterziehung verurteilten Werner Mauss eingehen.

LG Würzburg – Gartenhaus-Fall: Zu Beginn des Verfahrens zum Kohlenmonoxid-Unfall mit sechs toten Jugendlichen hat der wegen fahrlässiger Tötung Angeklagte dem Landgericht Würzburg von seinem Anwalt eine umfassende Erklärung verlesen lassen. In dieser sei auch dargelegt worden, warum er die von ihm erdachte Konstruktion eines Stromgenerators für sicher hielt, so die SZ (Claudia Henzler). Die Welt (Gisela Friedrichsen) fragt, ob eine Bestrafung des Angeklagten hier überhaupt einen Sinn hat. In ihrem "Aktuellen Lexikon" beschreibt die SZ (Heribert Prantl) die hypothetische Frage nach dem Geschehen bei pflichtgemäßem Verhalten als den Kern der strafrechtlichen Schuld bei Fahrlässigkeit und nennt deren verschiedene Stufen.

LG München I zu Jerome Boateng: Nach Urteil des Landgerichts München I muss der Fußball-Profi Jerome Boateng einem Immobilienmakler aus seinem persönlichen Umfeld 300.000 Euro für die Vermittlung eines von ihm erworbenen Hauses zahlen. Trotz Zweifeln am Verhalten des klagenden Maklers war es für das Gericht eindeutig, dass beide einen wirksamen Vertrag geschlossen hatten, so lto.de. Nach Informationen von bild.de wird Boateng Berufung gegen die Entscheidung einlegen.

LG Nürnberg-Fürth – "Reichsbürger": Wegen Mord an einem Polizisten muss sich ein mutmaßlicher "Reichsbürger" vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth verantworten. In einer Seite-drei-Reportage beschreibt die SZ (Hans Holzhaider) auch, wie schwierig es für Behörden sei, präventiv festzustellen, ob es sich bei Menschen wie dem Angeklagten um "exzentrische, querulatorische, aber im Grunde harmlose Bürger" handele oder gefährliche Gewalttäter.

AG Berlin-Tiergarten zu Rigaer Straße: Wegen versuchten gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr hat das Berliner Amtsgericht Tiergarten einen jungen Mann zu anderthalb Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Der Mann hatte nach den Feststellungen des Gerichts während eines Polizeieinsatzes in der Rigaer Straße im Juni einen zur Beobachtung eingesetzten Polizeihubschrauberführer mit einem Laserpointer angestrahlt. Über die Verhandlung berichtet die taz-Berlin (Erik Peter).

FG Köln – Cum-Ex-Geschäfte: Die Zeit (FR, Zusammenfassung auf zeit.de) berichtet über eine von einem US-amerikanischen Pensionsfonds vor dem Finanzgericht Köln angestrengte Klage, mit der versucht werde, dass Bundeszentralamt für Steuern zur Auszahlung von 28 Millionen Euro wegen sogenannter Cum-Ex-Deals zu verpflichten. Ein Urteil werde frühestens Ende des Jahres erwartet.

StA München II – Diesel-Skandal: Das Hbl (Volker Votsmeier u.a.) beschreibt den Fall des von der Staatsanwaltschaft München II mutmaßlich wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft genommenen früheren Audi-Managers Wolfgang Hatz. Der Manager solle sich mit mehreren Personen aus dem Umfeld der wegen Betrugs geführten Ermittlungen getroffen und besprochen haben.

StA Bonn – Staatssekretär: Die Welt (Thorsten Jungholt) berichtet zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bonn gegen Gerd Hoofe, Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung wegen des Verdachts einer Strafvereitelung im Amt. Nach Angaben des Anzeigeerstatters soll Hoofe disziplinarrechtliche Ermittlungen in der Bundeswehr behindert haben.

Justizpersonal: Eine unter den Bundesländern durchgeführte Umfrage des Hbl (Heike Anger) belegt, dass die unter anderem von Heiko Maas (SPD), Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, geforderte bessere personelle Ausstattung von Gerichten nicht entscheidend vorankommt. Der Anstieg der Gesamtausgaben für die Justizhaushalte betrage nurmehr 1,7 Prozent. Nach Einschätzung von Kritikern wie Sven Rebehn, dem Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, sei dies jedoch nicht genug. Angesichts personeller Engpässe und solchen bei der Ausstattung der Gerichte erodiere vielmehr der Rechtsstaat "schleichend".

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 19. Oktober 2017: Größe bei der Polizei / Kein EZB-Eilbeschluss / "Ritter Sport" im Quadrat . In: Legal Tribune Online, 19.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25111/ (abgerufen am: 02.05.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen