Bayern stellt neues Schutzkonzept vor: Online-Straf­an­zeige für Kom­mu­nal­po­li­tiker

02.07.2020

Immer häufiger sind Bayerns Kommunalpolitiker Hasskriminalität ausgesetzt. Nun kündigt die Staatsregierung weitreichende Schutzmaßnahmen an. Zukünfitg sollen Betroffenen in einem Online-Verfahren Anzeige erstatten können.

Die Bayerische Staatsregierung will Kommunalpolitiker besser vor Beleidigungen und Bedrohungen schützen. "Eine Demokratie lebt von Meinungsdebatte und von der lebendigen Diskussion, aber Hasskriminalität verhindert das", sagte Landesjustizminister Georg Eisenreich (CSU) am Mittwoch in München. Das von Justizministerium und Innenministerium erarbeitete Schutzkonzept sieht etwa vor, dass im Netz bedrohte oder beleidigte Kommunalpolitiker künftig in einem Online-Verfahren direkt Anzeige erstatten können. Geprüft werden die Meldungen dann von Bayerns Hate-Speech-Beauftragtem, Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Hartleb.

Darüber hinaus soll es feste Ansprechpartner für Kommunalpolitiker bei allen bayerischen Staatsanwaltschaften geben. Bei der Polizei sollen besonders geschulte Experten wie beispielsweise Cybercrime-Spezialisten zur Verfügung stehen.

Zahl der Straftaten steigt an

Tote Ratten, Hetzbriefe und hasserfüllte Drohungen - wenn Gudrun Donaubauer, Bürgermeisterin der Stadt Hauzenberg im Landkreis Passau, an die Postsendungen des vergangenen Sommers denkt, kehrt das beklemmende Gefühl zurück. "Damals war es erstmal das brutale Erstarren, dass es mir passiert. Auf einmal kommt da so ein Hass an bei mir", erinnert sich die parteilose Politikerin. 

Über Wochen hinweg bekam sie Tierkadaver, Rattengift, Hassbekundungen und Androhungen sexualisierter Gewalt ins Rathaus und nach Hause geschickt. Ihren Vater erreichte sogar ein Schreiben, in dem jemand der Bürgermeisterin ein qualvolles Krebsleiden wünschte. Bei jeder neuen Postsendung sei sie wieder in Hab-Acht-Stellung gewesen, erzählt Donaubauer. "Ich habe mir gedacht, was ist die Stufe nach der Post, ist das dann Gewalt?" Bis heute seien die Urheber der Sendungen nicht ermittelt worden. 

Ein Einzelfall ist Donaubauers Erfahrung mit Hass und Hetze nicht - im Gegenteil. Die Bayerische Staatsregierung und kommunale Spitzenverbände schlagen Alarm: Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zufolge stieg die Zahl der analogen und digitalen Straftaten gegen Kommunalpolitiker von Verleumdungen und Beleidigungen bis hin zu Morddrohungen und körperlichen Attacken zuletzt immer weiter an. Während es 2017 im Freistaat 194 angezeigte Fälle gegeben habe, seien es 2019 bereits 272 gewesen. Bis Ende Mai dieses Jahres habe es schon 158 entsprechende Strafanzeigen gegeben.

Den niederbayerischen FDP-Kommunalpolitiker Marco Altinger hat jüngst sogar ein Brief mit expliziten Morddrohungen erreicht. Sorgen mache er sich besonders um seine Familie, zu der auch zwei kleine Kinder gehören, schildert Altinger. Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) im vergangenen Jahr habe gezeigt, dass Drohungen auch Taten folgen könnten: "Man hat gesehen, dass die abstrakte Gefahr sehr konkret werden kann."

Justizminister Georg Eisenreich (CSU) sieht inzwischen das politische Leben im Freistaat durch Hass und Hetze als beeinflusst an, weil manche Bürger in der Folge nicht mehr für politische Ämter kandidieren wollten. 

So kam für Donaubauer ein Rückzug aus der Politik wegen der Drohungen nicht in Frage, wie sie betont: "Das war für mich nie der Gedanke, dass ich sage, jetzt kandidiere ich nicht mehr, weil mir das zu gefährlich wird. Das sind einzelne, wirklich kranke Geister, die glauben, auf dieser Schiene irgendeine Meinungsbildung beeinflussen zu können." Auch Altinger bremsen die nur wenige Wochen alten Drohungen nach eigener Aussage nicht aus. "Ich fühle mich dadurch eigentlich bestärkt, den Kampf für die Demokratie zu intensivieren."

dpa/vbr/LTO-Redaktion 

Zitiervorschlag

Bayern stellt neues Schutzkonzept vor: . In: Legal Tribune Online, 02.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42069 (abgerufen am: 11.12.2024 )

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