Dublin III: Schlussanträge zu Überstellungs- und Wiederaufnahmefristen: Jetzt geht’s los

von Tanja Podolski

21.07.2017

2/3: Aussetzung oder Fristablauf

Shiri erhob Beschwerde beim Ö-BVerwG, u. a. mit dem Antrag, die Überstellungsentscheidung auszusetzen. Das Gericht gab der Beschwerde statt, weil die gesundheitliche Konstitution Shiris nicht hinreichend berücksichtigt worden war; diese könne einer Überstellung nach der Europäischen Menschenrechtskonvention möglicherweise entgegenstehen. Über den Antrag auf Aussetzung der Überstellungsentscheidung entschied es nicht. Die Asylbehörde wie den Antrag Shiris mit ihrem zweiten Bescheid vom 3. September 2015 erneut als unzulässig zurück, Abschiebung und Überstellung wurden angeordnet.

Shiri legte daraufhin erneut Beschwerde ein, da die sechsmonatige Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 der Dublin-III-VO am 23. September unverrichteter Dinge abgelaufen sei. Denn das nationale Gericht habe beim Vorgehen gegen den ersten Bescheid nicht die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels festgestellt. Damit sei die Zuständigkeit auf Österreich übergegangen.

Das Ö-BVerwG meint hingegen, die Aufhebung des Erstbescheides und die Zurückverweisung an die Asylbehörde seien als Aussetzung der Überstellungsentscheidung im Sinne von Art. 27 Abs. 3 iVm Art. 29 Abs. 1 der Dublin-III-VO anzusehen. Gegen diese Auslegung spreche, so meint Shiri, dass Österreich Antragstellern die Möglichkeit einräume, eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung zu beantragen.

Das war der Moment für das Ö-BVerwG, die Sache dem EuGH vorzulegen. Die Vorlage betrifft einerseits die Frage, ob Asylbewerber von Rechts wegen die Möglichkeit haben müssen, eine Überstellungsentscheidung wegen Fristablaufs angreifen zu können. Falls ja, möchte das Ö-BVerwG weiterhin wissen, ob der Wechsel in der Zuständigkeit der EU-Staaten unmittelbar mit Fristablauf eintrete, oder ob dieser vorher die Ablehnung des ursprünglich zur Aufnahme verpflichteten Mitgliedsstaates voraussetze.

Falsches Handeln muss Anfechtung ermöglichen

Nach Ansicht der Generalanwältin ist die frühere Rechtsprechung des EuGH in Hinblick auf Ansprüche der Antragsteller durch die Dublin-III-VO überholt. Das zeige die aktuelle Rechtsprechung des Gerichtshofs in den Fällen Ghezelbash (Urt. v. 07.06.2016, Az. C-63/15) und Karim (Urt. v. 07.06.2016, Az. C-155/15). Nicht länger zeitgemäß seien die Entscheidungen zur Dublin-II-VO, als die Übernahme nur mit der Geltendmachung von systemischen Mängeln, die eine unmenschliche Behandlung iSv Art. 4 der Charta darstellten, angefochten werden konnte (Urt. v. 10.12.2013, Az.C-394/12, Abdullahi).

Zwar gehe es im Fall Shiri – anders als bei Ghezelbash und Karim –, um die Frist nach Erlass eines Übernahmebescheides. Dies könne jedoch nicht dazu führen, dass das Recht auf ein Rechtmittel entfalle. Würden die Überstellungsfristen nach Dublin-III überschritten, so müsse dies auch anfechtbar sein.

Das entspreche auch dem Regelungssinn der Verordnung: Die Normen sollten die Mitgliedsstaaten zu zügigem Handeln anhalten, damit die Flüchtlinge nicht "im Orbit" verweilten. Sinn der Regelung sei  gerade nicht, die Verhinderung mehrerer Asylanträge in diversen Mitgliedsstaaten zu verhindern – für diese Fälle gäbe es andere Regelungen – sondern nur, Klarheit bei der Überstellung zu schaffen. Die Rechtslage folge daher aus der Dublin-III-VO selbst: Bei Nichteinhalten der First geht die Zuständigkeit auf den ersuchenden – hier Österreich – über, Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO. Das Ergebnis sei damit nicht vorweggenommen.

Die bestehende Unklarheit, ob die Fristen in Dubin-III-VO subjektive Rechte begründen, bejaht die Generalanwältin: Die Fristen regelten verfahrensbezogene Fragen, hätten haben aber auch materielle Auswirkungen für die Antragsteller, da es um die Frage gehe, welcher Staat den Asylantrag prüfe.

Zitiervorschlag

Tanja Podolski, Dublin III: Schlussanträge zu Überstellungs- und Wiederaufnahmefristen: Jetzt geht’s los . In: Legal Tribune Online, 21.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23537/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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