Auch wenn er quasi selbst darum gebeten hatte: der Bauer ist geopfert. Falls der Ex-GBA beabsichtigt haben sollte, dabei dem Justizminister zu schaden, scheint er auch beim letzten Akt seiner Amtszeit zu scheitern, kommentiert Pia Lorenz.
Häufig gibt es nach Staatsaffären nur Verlierer. Wer bis Montag spekuliert haben mag, dass dazu in der Affäre um die Veröffentlichungen von Netzpolitik.org der Bundesjustizminister gehören könnte, wird ab Dienstag eines Besseren belehrt.
Nur zaghaft fragen einige, fast verloren wirkende Verfechter nach der Unabhängigkeit der Justiz, in welche Harald Range einen unerträglichen Eingriff monierte. Wohlgemerkt durch den Bundesjustizminister, dessen Dienstaufsicht er untersteht*, und der, auch das ist selbstverständlich, sich das nicht bieten lassen konnte. Dass Ranges Tage im Amt gezählt waren und bloß noch die Stunden herunter tickten, das konnte sich jeder denken, der seine Vorwürfe gegen Heiko Maas am Dienstagmorgen mitverfolgt hatte.
Dieser begründete den Vertrauensentzug und faktischen Rauswurf Ranges damit, dass er sich nicht an gemeinsam getroffene Absprachen gehalten habe. Sehr ausführlich beschreibt das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) in einer Pressemitteilung, was zwischen Herrn Range und den zuständigen Mitarbeitern im Ministerium vereinbart worden sein soll. Ohne das hässliche Wort zu erwähnen, das Range benutzt hat, bestreitet Maas, dem Generalbundesanwalt eine Weisung erteilt zu haben. Das müsste er nicht, unabhängig davon, was geschehen sein mag in den vergangenen Tagen. Er ist der Dienstherr des Generalbundesanwalts und hat ihm gegenüber damit ein Weisungsrecht. So einfach ist das, juristisch.
Faktisch hingegen gibt es so gut wie keine Weisungen, jedenfalls keine offiziellen. Auch von hinter vorgehaltener Hand formulierten Befehlen der Minister an die Staatsanwälte wissen informierte Kreise kaum zu berichten. Derartiges werde öffentlich zwar bisweilen unterstellt, finde tatsächlich aber nicht statt – da werde lieber stundenlang auf den Staatsanwalt eingeredet, als ihm eine Weisung zu erteilen. Schon mal gar nicht in Schriftform, denn die Verantwortung will niemand übernehmen. Schließlich würde es dann heißen, dass die Politik Einfluss nehme auf die Justiz. Dürfte sie zwar. Tut sie auch. Aber eben nicht per Weisung. Und: man spricht nicht darüber.
Die Ruhe nach dem Sturm
Nun ist der gern zitierte Bauer also geopfert, obgleich die Metapher schief ist, denn die durchschnittliche Schachfigur bittet selten mit dem Mut der Verzweiflung lautstark um die eigene Exekution. Der Nachfolger aus bayerischem Hause steht schon in den Startlöchern.
Niemand erwartet ernsthaft vom noch ausstehenden Gutachten aus dem BMJV, dass es zu dem Ergebnis käme, dass Netzpolitik.org Staatsgeheimnisse veröffentlicht oder sonst einen ernsthaften Anlass zu einer Ermittlung wegen Landesverrats gegeben hätte.
Vom gegenteiligen Gutachten des Verfassungsschutzes sprechen nur noch die Medien, denen es zugespielt wurde. Wer jenes für den Generalbundesanwalt erstatten sollte, bleibt ein gut gehütetes Geheimnis.
Am ruhigsten ist es sicherlich um die Staatsschützer. Da ist de Maizières Innenministerium, dessen Chef nichts von dem Ermittlungsverfahren gewusst haben will, obwohl der ihm unterstellte Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen, der einmal mehr die Sicherheit der Republik gefährdet sah, den Anstoß dazu gab. Auch um Maaßen ist es still; er kann sich darauf berufen, dass Range nicht hätte ermitteln müssen. Dass der jedenfalls erst einmal herausfinden musste, ob er überhaupt zuständig war, ob es also um Landesverrat ging, hört im lauten Tumult der Presse, der Bloggerszene und der öffentlichen Meinung, den sämtliche politischen Ebenen seit Tagen mit dem Mantra krönen, dass die Pressefreiheit "ein hohes Gut" sei, niemand.
* Rechtliche Klarstellung am 10.08.2015, 15.05 Uhr: Der GBA untersteht der Dienstaufsicht des Bundesjustizministers, der innerhalb der Bundesregierung und gegenüber dem Parlament die politische Verantwortung für die Tätigkeit der Behörde des GBA beim Bundesgerichtshof trägt.
Pia Lorenz, Die Affäre Netzpolitik.org: . In: Legal Tribune Online, 05.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16512 (abgerufen am: 15.10.2024 )
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