Stuttgarter Luftreinhalteplan vor dem BVerwG?: Zwi­schen hell­grün und dun­kelrot

von Dr. Ursula Steinkemper

03.08.2017

2/2: Keine zusätzlichen Abstufungen bei den Plaketten

Rechtlich geht es – wie so oft im Umweltrecht – um das Verhältnis des europäischen Umweltrechts zum deutschen Verwaltungsrecht. Die europäische Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft in Europa (Luftqualitätsrichtlinie) normiert für eine Reihe von Luftschadstoffen Grenzwerte, die unter Berücksichtigung der einschlägigen Normen und Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation festgelegt wurden. Die Richtlinie legt dabei insbesondere Grenzwerte für Stickstoffoxide, Stickstoffdioxid, Schwefeldioxid und Feinstaubpartikel fest, die in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht überschritten werden dürfen.

In Deutschland ist die Luftqualitätsrichtlinie im BImSchG und insbesondere der "Verordnung über Luftqualitätsstandards und Immissionshöchstmengen" (39. BImSchV) umgesetzt worden. Gemäß § 47 BImSchG ist ein Luftreinhalteplan von der zuständigen Immissionsschutzbehörde – hier das Regierungspräsidium – aufzustellen, wenn der Immissionsgrenzwert für einen Schadstoff in der Luft zuzüglich einer dafür geltenden Toleranzmarge überschritten wird. Der Luftreinhalteplan soll die Luftqualität durch "geeignete Maßnahmen" dauerhaft so verbessern, dass die festgelegten Grenzwerte eingehalten und "der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich" gehalten werden.

Eine der möglichen – und in Stuttgart umgesetzten – Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte ist die Einrichtung von Umweltzonen mit Fahrverboten für bestimmte Kraftfahrzeuge. Grundlage für die Einrichtung einer Umweltzone ist § 40 Abs. 1 BImSchG und die sog. Kennzeichnungsverordnung (35. BImSchV). Nach dieser sind Kraftfahrzeuge einer Schadstoffgruppe zugeordnet, die entsprechende Kennzeichnung stellen eine rote, gelbe oder eben grüne Plakette dar. Bei Einrichtung einer Umweltzone beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften auf Grundlage des § 45 Abs. 1 f StVO. Dieser sieht die Anordnung von Verkehrsverboten ausdrücklich "mittels Zeichen 270.1 und 270.2 und dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen" (das ist die Plakettenfarbe) vor. Eine weitere Differenzierung oder auch eine Ermächtigung hierzu ist gesetzlich bisher nicht geregelt.

Verfassungs- und europarechtliche Überformung?

Dass sich aus dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 GG staatliche Schutzpflichten ergeben können, ist grundsätzlich nichts Neues. Gerade im Umweltrecht ist auch die weite Auslegung von Vorschriften mit dem Ziel, dem europäischen und völkerrechtlichen Umweltrecht zu größtmöglicher Wirksamkeit zu verhelfen, gang und gäbe.

Allerdings ist zweifelhaft, ob sich Anordnungen einer Landesbehörde zu generellen Fahrverboten für Dieselfahrzeuge allein durch den pauschalen Verweis auf verfassungs- und europarechtliche Verpflichtungen des Staates rechtfertigen lassen. Denn der Bundesgesetzgeber hat die Voraussetzungen für immissionsschutzrechtlich begründete Verkehrsverbote und damit für die Einschränkung des Gemeingebrauchs an Straßen mit dem Ziel der Luftreinhaltung definiert, ohne die ausführenden Landesbehörden zu weitergehenden Regelungen ausdrücklich und hinreichend klar zu ermächtigen. Eine solche Ermächtigung dürfte aber vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsgebots des Art. 20 Abs. 3 GG erforderlich sein, nach dem Einschränkungen von Grundrechten einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage bedürfen.

Dass das VG Stuttgart – wie zuvor das VG Düsseldorf – die Sprungrevision zum BVerwG zugelassen und die Klägerin hierzu zugestimmt hat, ist im Sinne einer bundesweiten Klärung daher zu begrüßen. Solange bleibt umstritten, ob und wann es zu einem Diesel-Fahrverbot kommt.

Die Autorin Dr. Ursula Steinkemper ist Rechtsanwältin und Partnerin bei CMS in Deutschland und auf Umwelt- und Planungsrecht spezialisiert. Sie beschäftigt sich u.a. mit Themen aus dem Immissionsschutz-, Natur- und Artenschutzrecht sowie dem Wasserrecht.

Zitiervorschlag

Dr. Ursula Steinkemper, Stuttgarter Luftreinhalteplan vor dem BVerwG?: Zwischen hellgrün und dunkelrot . In: Legal Tribune Online, 03.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23773/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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