Ex-BVerwRichter zur Gleichstellung in Behörden: "Die Jobs, in denen sie benach­tei­ligt sind, wollen Männer gar nicht"

Interview von Pia Lorenz

23.08.2016

2/2: "Mehr als nur Absichtserklärungen"

LTO: Die Vorschrift klingt aber zunächst einmal eher nach einer nett gemeinten Absichtserklärung . Konnten Sie bei Ihrer anwaltlichen und Vortragstätigkeit im Laufe des vergangenen Jahres seit Inkrafttreten der Änderung schon feststellen, dass die Neuregelungen eine echte Veränderung bewirkt haben?

Kugele: Mein Eindruck ist eher, dass sich die neuen Regelungen in den Personalreferaten noch nicht herumgesprochen haben. Wenn allerdings die Gleichstellungsbeauftragte hartnäckig ihre Aufgabe erfüllt, kann sie schon einiges durchsetzen. So gibt es jetzt besser geregelte operative Vorgaben, etwa in § 27 BGleiG n.F.: Dort werden - sehr übersichtlich formuliert - sämtliche Anlässe und Maßnahmen der Dienststelle aufgeführt, welche die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten zwingend erfordern.
Männerbenachteiligung: Prozessrechtliches Monster, aber leere Sprechblase

LTO: Eine andere Neuregelung kritisieren Sie allerdings: Auch Männer können sich nun bei Auswahlentscheidungen auf das BGleiG berufen.

Kugele: Das Gesetz macht bei Auswahlentscheidungen in § 8 nun auch Männer zum Gegenstand der Sorge der Gleichstellungsbeauftragten. In einer Konkurrenzsituation darf also auch ein gleich qualifizierter Mann, der eine Tätigkeit in einem Bereich ausüben will, in dem Frauen überrepräsentiert sind, sich auf das BGleiG berufen und eine bevorzugte Berücksichtigung verlangen. Das gilt allerdings nur dann, wenn die Unterrepräsentation der Männer eine strukturelle Benachteiligung darstellt.

LTO: Wie sollte ein Mann eine solche strukturelle Benachteiligung nachweisen? Und an welchen Fall dachte der Gesetzgeber dabei überhaupt?

Kugele: Diese Zielerweiterung könnte ein prozessrechtliches Monster geschaffen haben. Anders als bei Frauen, für die es aus den regelmäßigen Gleichstellungsberichten der Bundesregierung bereits verlässliche Zahlen gibt, müssten für die Männer Sachverständigengutachten eingeholt werden und ähnliches. Denn für sie gibt es noch keine Empirie zur strukturellen Benachteiligung.

Das einzig Gute an dieser Ergänzung ist, dass sie – obgleich politisch hoch aufgezäumt - praktisch eine leere Sprechblase ist.

"Männer wollen die Jobs gar nicht"

LTO: Wie meinen Sie das?

Kugele: Für Jobs in den Bereichen, in denen Frauen überrepräsentiert sind - in den neuen Ländern sind das zum Beispiel die Arbeitsagenturen -, melden sich keine Männer. Das gilt jedenfalls im Moment und das weiß man übrigens auch in der Politik, wo man von einem Gesetz ausgeht, das "für die Zukunft gemacht" sei. Juristisch möchte ich eine solche Aussage lieber nicht bewerten.

Hinzu kommt, dass es dann ein demokratisches Defizit gibt: Obwohl Männer sich nun auf eine Benachteiligung berufen könnten, sind sie auf Bundesebene – anders als in vielen Bundesländern – immer noch nicht aktiv wahlberechtigt bei der Wahl zur Gleichstellungsbeauftragten.

LTO: Wenn ich Sie recht verstehe, schadet diese eher politisch als praktisch bedeutsame Änderung aber auch erst einmal nicht weiter. Insgesamt also bewerten Sie die neue Fassung positiv?

Kugele: Die Änderungen aus dem Jahr 2015 sind ein Fortschritt, der sich auswirken wird, wenn der Gesetzesauftrag erfüllt wird -  wenn also die Führungskräfte und die Personalverantwortlichen ihre Fortbildungspflicht erfüllen und auch wissen, was neu ist und was sie tun müssen. Das BGleiG ergibt ein zunehmend stimmiges Gesamtbild. Wenn es nun in der Praxis hapert, dann liegt es am Vollzug,  nicht am Gesetz.

LTO: Herr Professor Kugele, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Prof. Dr. Dieter Kugele war von 1992 bis 2009 Richter am Bundesverwaltungsgericht. Nach seiner Pensionierung wurde er Anwalt mit Sitz in München und hat noch immer seinen Lehrauftrag am Institut der Politikwissenschaft der Universität Leipzig. Schwerpunkt seiner Vortrags- und wissenschaftlichen Tätigkeit ist das Öffentliche Recht, darunter auch das Beamten- und das Gleichstellungsrecht. Er ist Autor und Herausgeber mehrerer Online-Kommentare, unter anderem seit 2006 des soeben aktualisierten JURION Online-Kommentars zum Bundesgleichgestellungsgesetz.

*Das Werk erscheint beim Luchterhand Fachverlag, der wie LTO zu Wolters Kluwer gehört.

Die Fragen stellte Pia Lorenz.

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Ex-BVerwRichter zur Gleichstellung in Behörden: "Die Jobs, in denen sie benachteiligt sind, wollen Männer gar nicht" . In: Legal Tribune Online, 23.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20348/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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