Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken: Besser als sein Ruf

Vor etwas mehr als sechs Monaten wurde das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken verabschiedet. Sein Ziel: Überzogenen Gebührenforderungen bei (Massen-)Abmahnungen einen Riegel vorzuschieben. Doch hat das Gesetz missbräuchliche Geschäftsmodelle tatsächlich zurückgedrängt, oder ist es bei der hehren Absicht geblieben? Carl Christian Müller liefert einen ersten Eindruck.

Bereits vor seinem Inkrafttreten war das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken als unzureichend und nicht zielführend bemängelt worden. Im Zentrum der Kritik stand die Gebührendeckelungsvorschrift des § 97 a Abs. 3 Urheberrechtsgesetz (UrhG), mit der die Rechtsanwaltskosten bei Abmahnungen dadurch begrenzt werden sollen, dass der abmahnende Anwalt seine Gebühren aus einem Gegenstandswert von maximal 1.000 Euro für die Unterlassungsansprüche berechnen darf.

Die dort enthaltene Ausnahme, nach der der auf 1.000 Euro gedeckelte Gegenstandswert dann nicht gelten soll, wenn dies nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist, sei zu unscharf formuliert. Es stünde zu befürchten, dass die Ausnahme zur Regel würde. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv), Interessenvertreter der Verbraucher, legte im Mai 2013 gar ein Rechtsgutachten einer Kölner Anwaltskanzlei vor, die – noch bevor das Gesetz in der Praxis erprobt war – herausgefunden haben wollte, dass die neu geschaffene Gebührendeckelungsvorschrift in 78 Prozent der Fälle ins Leere laufe.

Zu früh für eine Bilanz

Ob diese Kritik auch nur ansatzweise berechtigt ist, kann ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes noch niemand sagen. Es ist bisher keine gerichtliche Entscheidung bekannt, die sich tatsächlich mit der Unbilligkeit der Gebührendeckelung des § 97 a Abs. 3 UrhG auseinandergesetzt hätte. Lediglich die Frage, ob die neue Regelung auf sogenannte Altfälle, also auf vor dem 9. Oktober 2013 versendete Abmahnungen, anwendbar ist, war bisher Gegenstand einiger Entscheidungen – und wurde dort zu Lasten der Verbraucher verneint. Dass die Ausnahme von der Gebührendeckelung zur faktischen Regel verkehrt würde, steht aber – anders als der vzbv es nach wie vor über seinen Internetauftritt verbreitet – nicht zu befürchten.

Zwar enthält die Neuregelung mit dem Unbilligkeitsmerkmal einen auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff. Jedoch ist es Aufgabe des abmahnenden Rechteinhabers, jeweils darzulegen und zu beweisen, weshalb der Ansatz eines Wertes von 1.000 Euro unbillig niedrig und ein Abweichen nach oben ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Angesichts der Masse von Filesharing-Abmahnungen, die an eine Vielzahl von Verbrauchern gerichtet sind und jeweils eine gleichgelagerte Rechtsverletzung betreffen, ist schwer vorstellbar, wie eine solche Begründung aussehen sollte. Das reichlich phantasielose Argument, dass Filesharing-Abmahnungen grundsätzlich den Ausnahmetatbestand erfüllen müssten, weil eine effektive Rechtsverfolgung andernfalls nicht wirtschaftlich durchführbar wäre, dürfte jedenfalls kaum genügen.

Dem Verbraucherschutz einen Bärendienst erwiesen

Dies gilt auch für die abenteuerliche Prognose des vom vzbv eingeholten anwaltlichen Gutachtens, nach der die Ausnahme in 78 Prozent aller Fälle greifen werde. Unzutreffend ist bereits die Grundthese dieses argumentativ dünnen Papiers, wonach eine Streitwertdeckelung dann unbillig sein soll, wenn eine im Sinne des § 101 Abs. 1 S. 2 UrhG schwere oder im Sinne des § 97 a Abs. 2 UrhG a. F. erhebliche Rechtsverletzung vorliegt. Sie verkennt insbesondere, dass der neue § 97 a Abs. 3 UrhG ein klares Regel-Ausnahme-Verhältnis vorsieht, wonach vom Regelfall der Gebührendeckelung nur in besonderen Ausnahmefällen abgewichen werden kann. Dies stellt einen wesentlichen Unterschied zur alten Vorschrift dar, für deren Anwendung verschiedene Voraussetzungen kumulativ vorliegen mussten.

Die frühere Kostendeckelungsvorschrift des § 97 a Abs. 2 UrhG a. F. war in der Praxis tatsächlich wirkungslos –deshalb wurde sie ja geändert. Die Sorge, dass für die neue Regelung nun weiterhin die Maßstäbe der alten Rechtsprechung angewendet würden, ist geradezu absurd. Vielmehr spricht – auch unter Berücksichtigung der etwas unglücklich geratenen Gesetzesbegründung – alles dafür, dass eine Ausnahme allenfalls bei Darlegung einer vom üblichen Maß abweichenden großen Anzahl von Rechtsverletzungen durch den Abgemahnten angenommen werden kann.

Der Autor des vzbv-Gutachtens war übrigens Christian Solmecke, ein Anwalt, der selbst im großen Stil Abgemahnte vertritt. Mit dem Gutachten – vom vzbv im Gesetzgebungsverfahren sicher mit den besten Absichten und in dem Versuch eingeholt, eine vermeintlich problematische Ausnahmeregelung zu verhindern – hat er seiner Klientel jedoch einen vorhersehbaren Bärendienst erwiesen. Längst haben es einige der abmahnenden Kanzleien in ihre Textbausteine aufgenommen und berufen sich hierauf gegenüber dem rechtsunkundigen Verbraucher. Massenabmahnungen sind das Geschäft mit Druck, Verunsicherung und dem Lästigkeitsprinzip. Was hier in der Beratungspraxis helfen wird, sind richtungsweisende Entscheidungen der Gerichte. Wenig hilfreich sind dagegen Gutachten mit haltlosen Thesen, die von mit öffentlichen Mitteln finanzierten Verbraucherschutzorganisationen verbreitet und anschließend von abmahnenden Rechtsanwälten als Argumentationshilfe verwendet werden.

Zitiervorschlag

Carl Christian Müller, Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken: Besser als sein Ruf . In: Legal Tribune Online, 29.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11814/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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