EuGH prüft kirchliches Selbstbestimmungsrecht: Konfession als Einstellungsvoraussetzung

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Am EuGH geht es heute um das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen als Arbeitgeber. Wieder einmal. Schon der Chefarzt-Fall hatte BAG und BVerfG in der Auslegung entzweit. Die Problematik erläutern Burkhard Göpfert und Sina Pfister.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte am 27. Juli 2016 den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen, um im Rahmen einer Vorabentscheidung darüber zu urteilen, inwieweit der Kirche als Arbeitgeber ein Selbstbestimmungsrecht zusteht. Aktuell geht es um die Zulässigkeit einer Stellausschreibung eines kirchlichen Arbeitgebers, in der die Konfession als Voraussetzung für die Bewerbung angegeben wurde. Der Fall wird am heutigen Dienstag vor dem EuGH verhandelt.
Das BAG hat zwei Fragen gestellt: Kann der kirchliche Arbeitgeber selbst verbindlich bestimmen, ob eine bestimmte Religion eines Bewerbers nach der Art der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung ist. Des Weiteren möchte das BAG wissen, ob § 9 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) - konkret § 9 Abs. 1 Alt. 1 AGG - durch die Gerichte angewendet werden darf.
Das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung hatte eine Referentenstelle ausgeschrieben, die es an die Bedingung einer Kirchenmitgliedschaft knüpfte. In der Ausschreibung hieß es, dass die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag vorausgesetzt würden und im Lebenslauf die Konfession angegeben werden solle. Die konfessionslose Bewerberin wurde nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen und verlangte daraufhin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Sie ist der Meinung, dass sie die Stelle aufgrund ihrer Konfessionslosigkeit nicht erhalten habe.
Chefarztfall: BAG gegen BVerfG
Das aktuelle Ersuchen des BAG vor dem EuGH ist nicht das erste im Falle der Frage nach dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche.
Vor rund einem Jahr hatte das BAG dem EuGH die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob ein Verstoß gegen die Rechtsordnung der Kirche und der damit einhergehende Loyalitätsverstoß eine Kündigung des kirchlichen Arbeitgebers rechtfertigen kann (BAG, Beschl. v. 28.07.2016, Az. 2 AZR 746/14 (A)). Der berüchtigte "Chefarzt-Fall" beschäftigt die nationalen Gerichte schon seit über sieben Jahren und selbst eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) konnte das BAG nicht befriedigen.
Inhaltlich geht es um die Kündigungsschutzklage des seit dem Jahr 2000 als Chefarzt beschäftigten Arbeitnehmers. Die Beklagte und Arbeitgeberin ist Trägerin mehrerer Krankenhäuser und institutionell mit der römisch-katholischen Kirche verbunden. Den Dienstvertrag schlossen die Parteien deshalb unter Zugrundelegung der vom Erzbischof von Köln erlassenen Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse, wonach der Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe als ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß galt, der eine Kündigung rechtfertigen konnte. Nachdem der Kläger im Jahr 2008 - nach der Scheidung von seiner ersten Frau - ein zweites Mal standesamtlich heiratete, wurde ihm das Arbeitsverhältnis schließlich ordentlich gekündigt.
Nachdem hier ja offenbar religiöse Argumente keine Berücksichtigung finden (siehe Kopftuchdiskussion) sollte man hier wenigstens konsequent sein und bei den Fetischisten für geschmacksneutrales Kleingebäck die selben Maßstäbe anlegen.
Jetzt Konsequenz zeigenStimmt, religiöse Argumente werden hier nicht berücksichtigt. Was aber berücksichtigt wird ist das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. Dieses ist ausdrücklich geschützt und man kann nur hoffen, dass der EuGH das auch sieht. Sonst sind neue Probleme vorprogrammiert.
Und nur als Vorbeugung, falls jemand meint Krankenhäuser hätten nichts mit Glauben zu tun: Krankenpflege ist eine wichtige Aufgaben der christlichen Kirchen und kann man als einen Kernbereich des Christentums bezeichnen. Es gibt seit über 1.000 Jahre Orden die sich der Krankenpflege widmen und so lange - eher noch viel länger - gibt es Zuwendungen von Gläubigen, um dieses zu ermöglichen.
Richtig, nur beträgt der Finanzierungsanteil der Kirchen an konfessionellen Krankenhäusern Promille. Dass sie trotzdem meinen, dort ihre fragwürdige Ideologie durchsetzen zu müssen, dürfte dem Steuerzahler schwer zu erklären sein. Die rechtliche Sonderstellung der Kirchen ist einfach nicht mehr zeitgemäß.
Der Finanzierungsanteil ist aber gleichgültig, es kommt auch die Eigentümerschaft an. Die Aussagen zur fragwürdigen Ideologie und zur Zeitgemäßheit sind Meinungen, die ich schlicht nicht teile. Auch wenn ich mich wiederhole: Krankenpflege wird als Teil des christlichen Auftrages verstanden und unterfällt damit Selbstbestimmungsrecht der Kirchen.
Wie meinen Sie, McMac, werden private Krankenhäuser finanziert? Über die Privatschatulle der Vorstandsvorsitzenden? Nein, genauso wie kirchliche Häuser durch die Krankenkassen. Und das ist auch korrekt so. Dennich laufen Prozesse und Renditevorstellungen dort nach marktwirtschaftlichen Prinzipien, denn die Aktionäre wollen ja etwas für das investierte Geld sehen. Bei den kirchlichen Häusern ist der Renditedruck wohl nicht ganz so hoch wie bei den privaten.
Damit sprechen Sie noch ein gravierendes Problem an. Renditedruck darf es in Krankenhäusern nicht geben. Es ist nicht haltbar, dass das Geld über dem Wohl der Patuenten steht. Dasselbe gilt für die katholische Ideologie, die Abtreibungen verhindert. Das läuft erstens dem "christlichen" der Krankenpflege zuwider. Außerdem ist es irre, wenn eine Einrichtung sich zur moralischen Institution stilisiert, in der noch immer massive Misbrauchsskandale vertuscht werden (Stichwort Domspatzen). Ideologie hat in der Medizin so wenig zu suchen wie Renditestreben
Fakt ist, dass die Rechtsprechung des BVerfG alle anderen Grundrechte hinter das kirchliche Selbstbestimmungsrecht zurücktreten lässt, was eine undifferenziert, verfassungswidrige Verallgemeinerung darstellt. Vorzugswürdig m. E. die Kontrollfrage, ob der betroffene AN eine herausragende, repräsentierende Stellung inne hat, insbesondere mit dem „Verkündungsauftrag“ betraut ist; so letztlich auch der Unterscheid Schüth Obst.
ErwinLetztlich wird es – so schon der Artikel – für die deutschen Kirchen schon deswegen schwierig, weil die Verquickung von Kirche und Staat durch die grundgesetzlich implementierten Überbleibsel der WRV ein spezifisch deutsches Phänomen sind und bei einer rechtsvergleichenden Betrachtung die derzeitige Handhabung einer Überprüfung nicht standhalten dürfte.
Den Chefarzt wollte man übrigens schlicht loswerden. – In Urteil des BAG vom 08.09.2011 - 2 AZR 543/10 – wird oft übersehen, dass die Möglichkeit der Kündigung je nach Schwere der Loyalitätspflichtverletzung durchaus gegeben ist, der KSchKlage aber bereits wegen eines Verstoßes gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stattzugeben war. Der AG hatte nämlich bei etlichen anderen Chefärzten mit Weib Nr. 2 bis n nichts unternommen.
Ich würde mir wünschen, dass der EuGH die Kirchen hier deutlich einbremst…
Wenn unsere Richter wollen, dann gilt das kirchliche Selbstbestimmungsrecht nicht mehr. So dürfen Kirchenbeamte in Dienstangelegenheiten neuerdings vor staatlichen Verwaltungs- bzw. Verfassungsgerichten klagen. Also doch kein ausschließliches kirchliches Selbstbestimmungsrecht?
Ohne die Fakten des zu Grunde liegenden Falles näher zu kennen, würde ich allgemein bei einem Chefarzt eine herausragende Stellung, repräsentierende Stellung annehmen. Allgemein kann man einen Chefarzt wohl als höheren Abteilungsleiter bezeichnen, der gegenüber einer Vielzahl von Mitarbeitern weisungsberechtigt ist.
OphoDiese Art von Verquickung wie Staat/Kirche ist nach meiner Einschätzung eh ein allgemeines Strukturprinzip des deutschen Staates, man beachte nur, dass i. d. R. die gesetzgebende Körperschaft selten die ausführende Körperschaft ist. In Deutschland kommt noch die komplizierte Vorgeschichte Staat/Kirche hinzu, mit der Auflösung des HRR, den Konkordaten als völkerrechtliche Verträge etc.
Deutschland hat in Europa die Sonderstellung, dass es nicht eine Staatsreligion gab, da sich katholische und evangelische Christen die Waage hielten.
Das ist ein Fall, der kein Fall sein sollte. Heutzutage kann jeder Arbeitgeber jeden Bewerber ablehnen, ohne dabei das AGG zu verletzen. Die entsprechenden AGG-neutralen Textbausteine lassen sich problemlos entwickeln. Unsere Gesellschaft will nunmal scheinheilig belogen werden und insbesondere die Kirchen sollten auf diesem Gebiet eigentlich unschlagbar sein.
M.D.Im Himmel lebt ein unsichtbarer Mann, der zu jedem Moment alles beobachtet, was wir tun. Er hat eine Liste mit 10 Dingen, die verboten sind, und wenn er uns damit erwischt kommen wir für immer in die Hölle, wo wir bis zum Ende der Zeit gefoltert werden.....aber er liebt uns!
Wer seit über 2000 Jahren diese Geschichte erfolgreich an den Kunden bringt, sollte mit der Umgehung des AGG wirklich keinerlei Probleme haben.
*lachträne-wegwisch*
Dem ist wenig hinzuzufügen. Wichtig ist aber, dass neben dem unsichtbaren Mann auch alle unsere (frommen) Vorfahren auf den Wolken sitzen und uns auch beobachten können.
Ist doch unglaublich beruhigend, zu wissen, dass die eigene tote Oma einem beim Poppen zuschauen kann, oder?
#GeschmacksneutralesKleingebäck
#OdinStattJesus
Die Kirchen unterhalten längst konzernähnliche Unternehmen und Strukturen. Ein Milliardengeschäft ohne jede Transparenz, oft vor Ort mit Monopolcharakter.
M.CivisDas alles wird nicht durch die Kirche sondern fremd finanziert. Die diversen Privilegien sind nicht gerechtfertigt.
Die Qualität, z.B. bei der Pflege, ist nicht abhängig von einer Konfession. Nicht einmal die Bekenntnis als Christ und die Zugehörigkeit zu einer christlichen Gemeinschaft reichte hier der Evangelischen Kirche. Das ist tiefstes Mittelalter! Es geht ja nicht um eine Pristerstelle. Hier kann es kein exclusives Selbstbestimmungsrecht geben. Gleichbehandlung für alle Arbeitgeber. Weg mit der Sonderbehandlung und endlich Transparenz (Mittelherkunft und Mittelverwendung im Detail!).
Lassen wir mal das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen außer Acht, auch die Frage der Finanzierung.
Günther BauerMeiner Meinung nach kommt es bei der Besetzung des Postens als Chefarzt doch weniger auf dessen Gesangbuch an.
Man braucht einen kompetenten Chef, der Organisator und Menschenführer ist, der von seinem Fach eine Ahnung hat; und das war es.
Also gut: Man mag die Bewerber fragen,
ob sie es gutheißen würden, dass in der Klinik Abtreibungen vorgenommen werden;
wie sie es halten mit lebenserhaltenden und gleichwohl vergeblichen Maßnahmen;
wie sie es halten mit gewissen christlichen Grundsätzen, je nach Ausrichtung des kirchlichen Trägers, aber eben jeweils bezogen auf die Patienten und deren Versorgung, Heilung.
Die Frage nach "geschieden", "2. Ehe" etc., das ist Sache der Seelsorger / Pfarrer etc., aber nicht so sehr der Kirche als Arbeitgeber, der eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt. Schließlich wird ja auch ein Atheist in einem kirchlichen Krankenhaus behandelt - oder etwa nicht??
Also machen wir es so, wie bisher auch:
Der Chefarzt, anerkannte Kapazität: ER lebt getrennt und möglichst unauffällig mit seiner Mätresse - und SIE ebenfalls getrennt und dito mit ihrem Freund.
Und bevor er seine "Verhältnisse ordnet", sieht er sich nach einer anderen Stelle um.
Die Kirche macht mit ihrer Rigorosität hier ein "Fass au", das sie lieber nicht aufmachen sollte.
Und wenn man einen Chef loswerden will - da mag es Gründe geben -, dann soll man die Gründe benennen und nicht sich scheinheilig auf "2. Ehe" etc. berufen.
Mal weitergesponnen:
Was mache ich mit einem Chef, dessen Kind aus der Kirche ausgetreten ist, sodass klar ist, dass der Chef als Vater in Sachen Religionsvermittlung klar versagt hat?
Schweres Manko!?!
Wir müssen damit leben...
Stephan OstIn der DDR musste man für manche Jobs in der SED sein, in Köln gibts viele Jobs nicht ohne Mitgliedschaft in der Katholischen Kirche und bei manchem Diakoniejob wird halt das evangelische Parteibuch gefordert.
In unserem Land ist die Kirche so mit dem Staat verbunden, dass sie sich seiner bedienen kann (z.B. Sreuereinzug durch den Staat, notfalls mit Hilfe seiner unabhängigen Justiz).
Im übrigen lieber Finger weg von solchen Jobangeboten.
Stephan OstWas nützt es, wenn die Kollegen zwar alle total fromm sind aber
Qualifikation nachrangiges Auswahlkriterium war?
Auch bei der Diakonie gibt es viele vernünftige Stellen, wo lediglich gefordert wird, daß man sich damit identifiziert, dort zu arbeiten, ohne explizit beitreten zu müssen.
Das Selbstbestimmungsrecht muss innerhalb des für alle geltenden Gesetzes bleiben. Also einfach sämtliche Ausnahmetatbestände für "kirchliche" Einrichtungen in der AO, dem AGG und dem Betriebsverfassungsgesetz streichen und dann ist es vorbei mit dem kirchlichen Arbeits"recht". Der Zölibat dürfte dann gleich mit fallen.
RDASoweit kommt das noch das ein Schwerverletzter der um sein Leben kämpft an einem Krankenhaus das kirchlich mitfinanziert wird abgewiesen wird weil vorher die Konfessionzugehörigkeit abzuklären ist. Der Hipokratische Eid hat in JEDEN Fall vorrang als die Mitgliedschaft in einer Kirche! Das ist Rassismus und Diskriminierung in seiner reinsten Form und man kann nur hoffen das das Gesetz zur Selbstbestimmung sowie der Schutz vor Nichtmitgliedern in der Arbeitswelt endlich ausgehebelt und abgeschafft wird! Was hat ein normaler Bürojob oder Kaffeekochen im Büro mit dem Glauben an einen Gott zu tun?
Ewald PetersIch arbeite seit uber 30 Jahre als Krankenpfleger u.a. auch in kirchlichen Einrichtungen. Gehöre keiner Religion an und bin Agnostiker oder Atheist. Es ist richtig dass auch das Christentum mit der Versorgung Kranker geschichtlich zusammenhängt wie auch an das ermorden vieler Menschen. Das versorgen der Schwächeren ist in allen Kulturen und Gesellschaften vorhanden. sogar bei den Tieren.
AndrosKrankenhäuser werden von öffentlichen Mitteln finanziert. Eine Arbeitsstelle darf nicht vom Glauben eines Menschen abhängen, wenn man nicht gerade als Pastor o.ä. arbeiten möchte. Es ist schon eine Frechheit dass die Konvession in der Lohnsteuerkarte vermerkt ist.
Ich schließe mich dem Andros völlig an. Die Kirchen leisten zweifellos wichtige Arbeit aber sobald man einen Cent Steuergelder annimmt ist es Schluß mit Diskriminierung.