Generalanwältin am EuGH zur Zuständigkeit für Asylverfahren: Weil nicht sein darf, was nicht sein kann

von Tanja Podolski

08.06.2017

Dublin III nicht für diesen Zustrom gemacht

Die Generalanwältin meint, Dublin III stehe als "integraler Bestandteil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems" für sich und müsse einzig anhand des Wortlautes, des Kontextes und des Zwecks ausgelegt werden. Der Schengener Grenzkodex sowie die Rückführungsrichtlinie stünden unabhängig daneben, da sie  einen anderen Zweck und auch eine andere Rechtsgrundlage hätten.

Jedenfalls sei eine Einreise angesichts des "Massenzustroms von Drittstaatenangehörigen" nicht als illegaler Grenzübertritt zu bewerten, wenn Mitgliedstaaten die Ein- und Durchreise erlaubten, meint die Generalanwältin. Zwar solle die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO, welche die Zuständigkeit des Mitgliedstaates bei illegalem Grenzübertritt festlegt, grundsätzlich die Länder anhalten, auf die Außengrenzen zu achten. Die Regelung ziele aber gerade bei einem derartigen Zustrom von Flüchtlingen nicht auf die Verteilung der Menschen auf einzelne Länder ab.

Nicht ganz legal, aber auch nicht illegal

Die Einreise sowohl der Afghanen als auch des Syrers sei daher zwar nicht legal, aber auch nicht illegal im Sinne der VO. Dies gelte vor allem, weil die Transitmitgliedstaaten der Union die massenhaften Grenzübertritte nicht nur toleriert, sondern sowohl die Einreise als auch die Durchreise durch ihr Hoheitsgebiet aktiv erleichtert hätten, so die Generalanwältin. Die Verordnung sei "schlicht nicht für solche außergewöhnlichen Umstände gedacht gewesen", und deshalb liege unter den Umständen der vorgelegten Rechtssachen kein illegaler Grenzübertritt vor.

Vor diesem Hintergrund durften die Mitgliedstaaten den Flüchtlingen die Überschreitung ihrer Grenze aus humanitären Gründen oder aufgrund internationaler Verpflichtungen gestatten. Insofern greife die Ausnahme im Schengener Grenzkodex.

Dass die Einreise in diesem Sinne gestattet sei, bedeute jedoch nicht, dass eine visafreie Einreise im Sinne der Verordnung vorliege, auch nicht unter diesen besonderen Umständen, betont Sharpston. Drittstaatenangehörige könnten - abgesehen von den ausdrücklich genannten Ausnahmen - nicht von der Visumspflicht befreit werden. Das dürften die Mitgliedstaaten auch nicht von sich aus verändern. Auch die Gestattung der Ein- und Durchreise könne nicht als Visumserteilung oder der Verzicht auf ein Visum ausgelegt werden.

Ziel von Dublin III sei aber die Zuweisung von Zuständigkeiten innerhalb der EU: Art. 3 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung sieht vor, dass der Mitgliedstaat prüft, in dem der Antrag gestellt wird. Nach Ansicht von Eleanor Sharpston sind also Slowenien und Österreich für die Prüfung der Asylanträge zuständig - unabhängig davon, woher der Syrer und die Afghaninnen gekommen sind und wo sie erstmalig europäischen Boden betreten haben. 

Zitiervorschlag

Tanja Podolski, Generalanwältin am EuGH zur Zuständigkeit für Asylverfahren: Weil nicht sein darf, was nicht sein kann . In: Legal Tribune Online, 08.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23146/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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