Reform der Abgeordnetenbestechung: Spät kommt sie, aber sie kommt

von Dr. Sebastian Wolf

20.02.2014

2/2: Unklare Ausnahmebestimmungen könnten Anwendbarkeit schwächen

Nach der vorgeschlagenen Neuregelung liegt ein ungerechtfertigter Vorteil "insbesondere nicht vor", wenn seine Annahme abgeordnetenrechtlich erlaubt ist oder es sich um ein politisches Mandat, eine politische Funktion oder eine zulässige Spende handelt. Der Entwurfsbegründung ist zu entnehmen, es sei auch dann nicht von einem ungerechtfertigten Vorteil auszugehen, wenn die fragliche Zuwendung "anerkannten parlamentarischen Gepflogenheiten" entspreche. Das ist freilich eine relativ vage Ausnahmeregelung. Im Falle fehlender einschlägiger Vorschriften werden letztlich die Gerichte entscheiden müssen, welche Vorteile im parlamentarischen Betrieb als sozialadäquat angesehen werden müssen.

Verkompliziert wird dieser Umstand noch dadurch, dass sich die neue Strafnorm auch auf subnationale, ausländische und internationale Volksvertretungen erstreckt. Die betreffenden Parlamentarier, potentielle Vorteilsgeber, Strafverfolgungsbehörden und Gerichte haben letztlich die jeweils geltenden abgeordneten- und parteienrechtlichen Bestimmungen sowie möglicherweise von Institution zu Institution unterschiedlichen parlamentarischen Gepflogenheiten zu berücksichtigen. Dies könnte die Anwendbarkeit des künftigen § 108e StGB beeinträchtigen.

"Internationale Bestechung: Sonderregelung bleibt"

Der Gesetzentwurf tastet § 2 des Internationalen Bestechungsgesetzes (IntBestG), der die Bestechung ausländischer Abgeordneter im geschäftlichen Verkehr regelt, nicht an. In der Begründung heißt es, die Beibehaltung dieser Spezialvorschrift sei "im Hinblick auf die Besonderheiten der Bestechung im internationalen Geschäftsverkehr […] und das Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr […] angebracht".

Vermutlich trifft nur der letzte Punkt zu: Würde diese Sonderregelung vor dem Hintergrund des neugefassten Straftatbestands der Abgeordnetenbestechung aufgehoben, würde Deutschland nicht mehr die strengen Vorgaben des OECD-Bestechungsübereinkommens erfüllen. Diese entsprechen übrigens in weiten Teilen den einschlägigen Bestimmungen der UN-Konvention gegen Korruption. Eine Reform von § 108e StGB auf der Grundlage von § 2 IntBestG ginge den Abgeordneten von Union und SPD wohl zu weit.

Weitere Maßnahmen wünschenswert

Trotz der vorgenannten Kritikpunkte ist der Gesetzentwurf kriminal- und rechtspolitsch eindeutig zu begrüßen. Er reicht über den bislang geltenden, eher symbolischen Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung weit hinaus. In Verbindung mit der ebenfalls vorgesehenen Aufnahme von § 108e StGB in den Vortatenkatalog des Straftatbestands der Geldwäsche (§ 261 StGB) würde endlich die Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption ermöglicht werden.

Wünschenswert erscheinen in diesem Zusammenhang nun noch folgende Punkte: Erstens sollte die Bundesrepublik möglichst schnell dem Monitoringmechanismus der UN-Konvention gegen Korruption beitreten (das ist und war auch schon ohne die Ratifizierung des Übereinkommens möglich). Zweitens sollte die schwarz-rote Bundesregierung ihren Antikorruptions-Gesetzentwurf aus dem Jahr 2007 neu in den Bundestag einbringen (Bundestagsdrucksache 16/6558). Die seinerzeit nicht verabschiedete Initiative sah eine Harmonisierung der Straftatbestände betreffend die Bestechung ausländischer und internationaler Amtsträger vor, außerdem eine Reform der Regelung der Bestechung im privaten Sektor und eine Aufnahme der betreffenden Vorschrift (§ 299 StGB) in den Vortatenkatalog des Geldwäscheparagraphen. Gelingen der Großen Koalition diese Projekte, so hätte sie die weitreichendsten strafrechtlichen Antikorruptionsmaßnahmen seit den 1990er Jahren durchgesetzt.

Der Autor Dr. Sebastian Wolf ist Privatdozent an der Universität Konstanz und Forschungsbeauftragter am Liechtenstein-Institut in Bendern (Liechtenstein). Korruptionsbekämpfung ist einer seiner Forschungsschwerpunkte. Von 2007 bis 2010 war er Mitglied des Vorstands von Transparency International Deutschland, seitdem ist er Co-Koordinator des wissenschaftlichen Arbeitskreises dieser Nichtregierungsorganisation. Der Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.

Zitiervorschlag

Dr. Sebastian Wolf, Reform der Abgeordnetenbestechung: Spät kommt sie, aber sie kommt . In: Legal Tribune Online, 20.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11108/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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