Update 12:45 - Strepp tritt nach Anruf beim ZDF zurück: Ein Pressesprecher patzt, die Presse taktiert

von Martin W. Huff

25.10.2012

Nach seinem Anruf beim ZDF ist CSU-Sprecher Hans Michael Strepp zurückgetreten. Politisch war das Telefonat für einen Pressesprecher mehr als eine Dummheit – egal, ob er versucht hat, Einfluss auf die Berichterstattung über den SPD-Parteitag zu nehmen. Jedenfalls wenn er das tatsächlich getan hat, war der gelernte Jurist nicht zu halten, kommentiert Martin W. Huff - auch wenn das  Telefonat rechtlich folgenlos bleibt.

Der sonntägliche Anruf von CSU-Sprecher Hans Michael Strepp, im Übrigen ein gelernter Jurist, in der heute-Redaktion des ZDF ist unbestritten. Unklar ist bis jetzt aber der konkrete Inhalt des Telefonats. Nach Angaben des Mainzer Senders hat Strepp versucht, von dem diensthabenden Redakteur in der heute-Redaktion Informationen darüber zu erhalten, was das ZDF über den bayerischen SPD-Parteitag sendet. Er soll darum gebeten haben, über diesen nichts zu bringen und für den Fall einer Berichterstattung mit wie auch immer gearteten Konsequenzen gedroht haben. Strepp bestätigt den Anruf in der Redaktion, dementiert aber auch nach seinem Rücktritt den Versuch einer Einflussnahme auf die Berichterstattung weiter.

Unterstellt man die Richtigkeit der Angaben des ZDF, ist bei der Bewertung des Vorgangs zu trennen: Schon der Anruf in der Redaktion, um zu erfahren, was Gegenstand der Berichterstattung des Senders sein soll, ist mehr als ungewöhnlich für den Sprecher einer Partei. Er ist auch schlichtweg nicht verständlich.

Es war zu erwarten, dass alle Medien über den SPD-Parteitag berichten werden, gerade weil dort der Gegenkandidat von Ministerpräsident Horst Seehofer gekürt wurde. Das Gegenteil wäre völlig ungewöhnlich gewesen. Strepp musste also davon ausgehen, dass auch das ZDF berichten würde. Auch Informationen darüber, was auf dem SPD-Parteitag vor sich geht, wird Strepp, der als gut vernetzt gilt, sicherlich gehabt haben. Schon die Meldungen der Nachrichtenagenturen gaben den Verlauf anschaulich wieder. Nach allem, was über den SPD-Parteitag bekannt ist, gab es dort auch keine so ungewöhnlichen Vorgänge, dass Strepp auf Informationen vom ZDF angewiesen gewesen wäre.

Gefährlich und unprofessionell - aber nicht rechtswidrig

Schon ein solcher Anruf an sich ist für einen Pressesprecher gefährlich und unprofessionell. Er zeigt damit an, dass man von den Medien etwas wissen möchte, wovon man wohl selbst noch keine Kenntnis hat. Es ist möglich und nicht allzu ungewöhnlich, dass ein Pressesprecher unter Umständen einen Journalisten anruft, zu dem er ein gutes Verhältnis hat. Aber einfach in einer Redaktion anrufen? Rechtlich verboten ist ein solcher Anruf nicht – solche Fragen sind in keinem der Mediengesetze in Deutschland geregelt. Eigentlich auch, weil die Spielregeln klar sind.

Sollte Strepp bei dem Anruf aber tatsächlich auch noch versucht haben, eine Berichterstattung zu verhindern oder zu beeinflussen, dann erhält die Angelegenheit eine ganz andere Dimension. Zwar ist auch dies rechtlich noch nicht zu beanstanden. Denn selbst in einem Versuch, die Berichterstattung über den Parteitag der Konkurrenz zu unterbinden, könnte man keine Nötigung nach § 240 des Strafgesetzbuches (StGB) sehen.

Dazu müsste die Androhung von Konsequenzen eine "Drohung mit einem empfindlichen Übel" sein. Eine solche ist aber nicht zu erkennen: Was sollten Konsequenzen sein? Dass die CSU nicht mehr mit dem ZDF spricht? Dass Fragen im ZDF-Verwaltungs- oder Fernsehrat gestellt werden, Gremien, in denen CSU-Vertreter sitzen? Wohl kaum, denn die Berichterstattung von einem Parteitag ist eine absolute Selbstverständlichkeit, die von den Aufsehern, auch von Parteiangehörigen, nicht kritisiert werden kann.

Auch die Mediengesetze sehen für solche Fälle – zu Recht – keine Regelungen vor. Wie sollten diese auch aussehen? Ein allgemeines Verbot, mit dem man Parteien verbietet, Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen? Eine solche Vorschrift wäre weder justiziabel noch zu überwachen.

Und wieder spielen die  Medien über Bande

Aber: Politisch wäre natürlich schon der offene Versuch einer Einflussnahme eine Dummheit und, sollte es ihn denn gegeben haben, wäre der CSU-Sprecher in seiner Funktion ohnehin nicht mehr zu halten gewesen. Denn schon der Anschein, dass man versucht, eine Berichterstattung zu verhindern, muss gerade von Parteien – und dazu noch in Bezug auf den politischen Gegner – immer verhindert werden.

Gemeint sind damit natürlich nicht die Fälle, in denen eine Berichterstattung tatsächlich rechtliche Folgen haben kann, etwa weil unwahre Tatsachen berichtet werden sollen oder aber weil in Persönlichkeitsrechte eingegriffen werden könnte. Dann ergibt aber ein Anruf, der ja nicht dokumentiert wird, wenig Sinn – denn in solchen Fällen muss man schon rechtlich korrekt, also nachweisbar schriftlich, zu einer Unterlassung auffordern. Darum ging es hier aber überhaupt nicht. Der Anruf bleibt unverständlich.

Eines ist klar: Die CSU muss jetzt erklären, was genau der Inhalt des Anrufs war, zumal das ZDF nach Informationen der Süddeutschen Zeitung auch am Mittwochabend "bei der Darstellung blieb, dass Strepp am Sonntag in der heute-Redaktion angerufen und die geplante Berichterstattung über den Landesparteitag der SPD in Frage gestellt hatte".

Bedenklich darf aber stimmen – und hier gibt es Parallelen zum Fall Christian Wulff –, warum nicht der Mainzer Sender selbst den Vorfall öffentlich gemacht, sondern offensichtlich die Informationen der Süddeutschen Zeitung hat zukommen lassen. Warum wurde hier wieder über Bande zwischen verschiedenen Medien gespielt?

Wie es von außen aussieht, wurde die Süddeutsche Zeitung aus ZDF-Kreisen unterrichtet und hat dies sicherlich nicht ohne Absprache veröffentlicht. Im Fall Christian Wulff war der Anruf beim Chefredakteur der Bild-Zeitung Kai Diekmann von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlich worden. Warum hatte auch das ZDF nicht den Mut, den mutmaßlichen Versuch der Einflussnahme selbst zu publizieren? Es ist auch Aufgabe der Medien, falsches Verhalten mit einer korrekten Darstellung des Sachverhalts zu veröffentlichen.

Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt und Journalist in Leverkusen. Er war von 1999 bis 2001 Pressesprecher im hessischen Justizministerium, hat heute u.a. einen Lehrauftrag für Medienrecht an der Fachhochschule Köln und schult Pressesprecher von Gerichten und Behörden. 

Zitiervorschlag

Martin W. Huff, Update 12:45 - Strepp tritt nach Anruf beim ZDF zurück: Ein Pressesprecher patzt, die Presse taktiert . In: Legal Tribune Online, 25.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7388/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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