Nazi-Propagandisten und die Nürnberger Prozesse: Der Strafe ent­kommen

von Dr. Eike Fesefeldt

20.11.2015

2/3: Selbstständiger Prozess gegen Nazi-Propagandisten geplant

Wie auch andere Bereiche des Dritten Reichs stand die gesamte Medienlandschaft und insbesondere die Presse nach dem Zweiten Weltkrieg für die Alliierten unter Generalverdacht einer Mitschuld sowohl am Krieg als auch am Holocaust. Die amerikanischen Ankläger hatten die Macht und den Einfluss der Nazi-Propaganda erkannt und diese als eine Verbrechenskategorie eingestuft. Ebenso wie gegen die führenden Juristen und Ärzte des Dritten Reichs, sollte auch gegen leitende Propagandisten ein Prozess geführt werden. Als verantwortlicher Ankläger wurde der Jurist Alexander Hardy beauftragt, der darauf Ermittlungen in ganz Deutschland, insbesondere im ehemaligen Propagandaministerium aufnahm. Obwohl Hardy von der Schuld der Akteure der zentralisierten und gleichgeschalteten Presse- und Propagandamaschine der Nazis überzeugt war, gestalteten sich die Nachforschungen seines Ermittlungsteams als schwierig und langatmig, da die Verdächtigen eine große Zahl an belastenden Dokumente vernichtet hatten.

Besonders im Augenmerk hatte er den früheren Parteipressechef und Reichspressechef Otto Dietrich und den Präsidenten der Reichspressekammer Max Amann. Dietrich und Amann waren für die Ausrichtung und den Inhalt von allen Parteipublikationen und Zeitschriften und somit für das gesamte Pressenetzwerk der NSDAP zuständig. Neben Joseph Goebbels war Otto Dietrich als Reichspressechef bei weitestem der effektivste und mächtigste Propagandist im Dritten Reich. In dieser Position war er auch der größte Konkurrent des Propagandaministers. Hitler hatte ihn per Führererlass schon am 29. Februar 1934 in diese Position gehoben, weshalb Dietrich im Namen des Führers die Grundsätze der gesamten Parteipresse lenkte.

Erschlaffendes Interesse und knappe Kassen

Daneben gab es im Propagandaapparat, zu dem neben den staatlichen auch etliche freie Medien gehörte, zahlreiche weitere Personen, die ihren Teil dazu beigetragen hatten, Judenhass und Krieg zu schüren. Im Fokus von Hardy waren etwa der Präsident der Reichsrundfunkkammer Horst Dreßler-Andreß, der Leiter des Reichsverbands der deutschen Presse Wilhelm Weiß, Reichsfilmintendant Fritz Heppler, Reichsrundfunkintendant Heinrich Glasmeier, der SS-Journalist Gunter d’Alquen und eine ganze Reihe von Mitarbeitern des Propagandaministeriums wie zum Beispiel Rudolf Semmler, Helmut Sündermann, Eugen Hadamovsky oder Werner Stephan. Auch die Handlungen dieser Angeklagten hätten unter die Verbrechenstatbestände des Völkerstrafrechts subsumiert werden sollen und wären insbesondere als Verbrechen gegen die Menschlichkeit justiziabel gewesen.

Zu einem Presse- und Propagandaprozess sollte es aber nicht mehr kommen. Im Frühjahr 1947 war die Motivation der Amerikaner zu einer weiteren Durchführung der Prozesse deutlich gesunken. Hauptgrund hierfür war das erschlaffende Interesse der amerikanischen Öffentlichkeit und die immer größer werdenden finanziellen Engpässe. Kurzerhand filterten die amerikanischen Ankläger die laufenden Ermittlungen und fügten die wichtigsten Angeklagten aus den verschiedenen ursprünglich geplanten Prozessen in einem letzten zusammen, dem sogenannten Wilhelmsstraßenprozess. Auch Reichspressechef Otto Dietrich fand sich in diesem Verfahren als Angeklagter wieder, während die übrigen Propagandisten aus dem Ziel der amerikanischen Strafverfolgung verschwanden. Dietrich wurde am Ende wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen und das Nürnberger Tribunal stellte deutlich die Schuld der kontrollierten und gleichgeschalteten Presse an der Massenbeeinflussung der deutschen Bevölkerung und damit auch am Holocaust und den Angriffskriegen fest.

Zitiervorschlag

Dr. Eike Fesefeldt, Nazi-Propagandisten und die Nürnberger Prozesse: Der Strafe entkommen . In: Legal Tribune Online, 20.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17607/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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