Bayer nach dem ersten Weltkrieg: Ein iri­sches Acetyl­sa­li­cyl­säure-Pro­blem

von Martin Rath

01.05.2017

2/2: Die action of passing-off

Bei der action of passing-off handelt es sich möglicherweise um eine der ältesten Formen gewerblichen Rechtsschutzes. Bereits im Jahr 1618 stritt im Fall "Southern v. How" ein englischer Schneider darum, seine Schnitte vor Kopien eines Konkurrenten auf billigerem Stoff zu schützen. Bis heute wird im angelsächsischen Rechtskreis auf dieses Institut zurückgegriffen, das a) einen geschützten Geschäftswert ("goodwill"), b) eine Täuschung ("misrepresentation") sowie c) eine Beeinträchtigung des Geschäftswerts verlangt.

Bedingt durch ihre rechtshistorische, richterrechtliche Patina veranlassen "passing-off"-Klagen Richter offenbar etwas mehr als die doch abstrakt-formaleren kontinentaleuropäi-schen Markenrechtskonstruktionen dazu, auch einen Aspekt des lauteren Geschäftshan-delns beider Parteien mit in den Blick zu nehmen – erst recht im Irland des Jahres 1967, einer Insel fern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und soeben erst mit einem modernen Markenrechtsgesetz ausgestattet. Nicht allein die hohle Form "Marke" steht dabei im Vordergrund, auch die geschäftliche Fairness rückt ins Interesse.

Vorteil aus Versailler Vertrag wird eingehegt

Im Beschluss vom 1. Mai 1967 – im notorisch feiertagsarmen Irland auch dies kein "Kampf-tag der Arbeiterklasse", sondern ein gewöhnlicher richterlicher Arbeitstag – nimmt der Supreme Court auch die Fairness, die Lauterbarkeit des Bayer-Konkurrenten in den Blick:

Nicht nur, dass das Recht von Winthrop, allein die Marke "Bayer" zu benutzen – diese Frucht des Ersten Weltkriegs –von den Leverkusenern nicht verletzt worden sei; nein, das deutsche Unternehmen habe es ebenso vermieden, den Begriff "Bayer" ohne erklärende Zusätze in Irland zu gebrauchen.

Darüber hinaus habe Winthorp selbst es darauf angelegt, dass seine medizinischen Produkte den Eindruck erweckten, "dass eine deutsche Verbindung bestand oder dass ihre Produkte in irgendeiner Form aus Deutschland stammten".

Daher handele der Bayer-Konkurrent unlauter, indem er die Verwirrung der irischen Marktteilnehmer – die Winthorp mit der "action of passing-off" beklagte – eigentlich selbst zu verantworten habe.

Chemie ist nur richtig gut, wenn sie deutsch ist

Trotz verlorenen Schutzrechts am Wort "Bayer" konnte das deutsche Pharmautnernehmen seit dem 1. Mai 1967 in Irland mit Wortverbindungen wie "Bayer Germany", "Bayer Leverkusen" oder "Bayer Leverkusen Germany" hausieren gehen – ohne den lästigen Gedanken daran pflegen zu müssen, 1919 mit zu den Verlierern des Ersten Weltkriegs gehört zu haben.

Keinesfalls vorenthalten werden darf noch ein beunruhigender Gedanke, den der Dubliner Supreme Court am 1. Mai 1967 aussprach: Obwohl die Bayer-Produkte – also jene von Winthrop als auch jene aus Leverkusen – in ihrer äußeren Gestalt zu unterschiedlich ausfielen, um ein "passing-off"-Vertriebsverbot für das deutsche Unternehmen zu rechtfertigen, hingen in den Augen der Richter die irischen Human- und Veterinärmediziner sowie Pharmazeuten gleichwohl weitgehend der Idee an, dass die Chemie eben aus Deutschland komme – und bei diesen Marktteilnehmern handele es sich doch um akademisch gebildete Menschen.

Gemessen daran, dass die "action of passing-off" nach richterlichem Ermessen keinen "moron in a hurry" – keinen Idioten in Eile – vor Verwechslungen schützen will, liegt darin keine freundliche Erkenntnis.

Der Autor Martin Rath arbeitet als freier Lektor und Journalist in Ohligs.

Zitiervorschlag

Martin Rath, Bayer nach dem ersten Weltkrieg: Ein irisches Acetylsalicylsäure-Problem . In: Legal Tribune Online, 01.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22789/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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