Das Bild zeigt medizinisches Personal in Schutzkleidung, das konzentriert in einem Operationssaal arbeitet.
Analyse von Jurafuchs

Juris­ten­aus­bil­dung för­dert Gesch­lech­t­er­k­li­schees

16. Dezember 2025, Lesedauer: 3 Minuten

Weibliche Geliebte und eine Stripperin, aber keine männlichen Pendants. Deutlich mehr Männer in Arzt- und Juristenberufen als Frauen: Die Sachverhalte von Jura-Prüfungen bedienen überkommene Rollenbilder und Klischees, wie Jurafuchs zeigt.

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Die Jurist:innenausbildung fördert in den Prüfungsinhalten Geschlechterklischees. Zu diesem Ergebnis kommt die juristische Lernplattform Jurafuchs, die 495 Fallbeispiele aus juristischen Prüfungen bzw. Übungsprüfungen ausgewertet hat, die aus dem JuS-Klausurfinder stammen. 

Zunächst offenbart die Analyse geschlechtsspezifische Unterschiede beim Bildungsgrad der in den Sachverhalten auftauchenden Personen. So treten in den untersuchten Fallbeispielen 60 Rechtsanwälte, vier Staatsanwälte, drei Notare und neun nicht näher bezeichnete (Voll-)juristen auf. Demgegenüber stehen 15 Rechtsanwältinnen und eine Staatsanwältin. Auffallend: geht es in den Prüfungsinhalten um Personen, die die Jur:istinnenausbildung noch nicht vollständig abgeschlossen haben, sind dies ausschließlich Frauen. Alle sechs auftretenden Rechtsreferendarinnen seien weiblich gewesen. 

Der Realität entspricht das nicht: Seit über 20 Jahren studieren mehr Frauen als Männer Jura und mehr Frauen absolvieren das zweite Staatsexamen, im Jahr 2023 (das sind die aktuellsten Zahlen des Bundesamts für Justiz) betrug der Frauenanteil 57,59 Prozent

Keine Dachdeckerin, kein Stripper

Das Bild zieht sich in anderen Berufsbildern fort, die in den Prüfungen relevant wurden. Die in der Gesellschaft oft vertretenen klischeehaften Rollenbilder wurden bedient. So seien der Techniker, Maurer und Elektriker alle männlich gewesen. Die Erzieherin, die Krankenschwester oder Friseurin weiblich. Dazu kommen laut Pressemitteilung 16 Männer und nur vier Frauen, die als Ärzt:innen arbeiten. In der Wirklichkeit sieht anders aus: Im Jahr 2024 arbeiteten laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft in Krankenhäusern 47,1 Prozent weibliche Ärztinnen, 73,2 Prozent der Medizin-Erstsemesterstudierenden waren Frauen. Entsprechend wird auch der Anteil der weiblichen Ärzt:innen in den kommenden Jahren deutlich steigen.  Beim medizinischen Hilfspersonal hat Jurafuchs drei weibliche Arzthelferinnen gefunden – kein einziger männlicher war dabei. Nur bei den Pfleger:innen tauchten zwei weibliche und vier männliche auf. 

Überhaupt keine weiblichen Personen übten in den Fallbeispielen die immer noch männliche geprägten Berufe Dachdecker:in, Mechaniker:in und Landwirt:in aus. Von elf Bürgermeister:innen war eine weiblich. 

"Besonders auffällig" ist laut Jurafuchs, wie sexualisierte Frauenrollen den Lehrinhalt prägten. Eine Stripperin und zwei Geliebte, aber keinerlei männliche Pendants tauchten auf. 

Frauen im Examen schlechter benotet als Männer

Laut Jurafuchs-Mitgründer Dr. Carl-Wendelin Neubert könne zwar keine klare Korrelation zwischen der Rollenverteilung in Lerninhalten und späteren juristischen Berufen hergestellt werden, da die Gründe für die abweichenden Berufsbilder von Männern und Frauen komplex seien. "Klar ist aber, dass weibliche Juristen es deutlich seltener in die Führungsetagen von Unternehmen oder Kanzleien schaffen. Die Anpassung von Prüfungsinhalten kann ein Anfang sein, dieses Ungleichgewicht zu ändern", so Neubert weiter.

Die Analyse von Jurafuchs berücksichtigt, dass im allgemeinen Sprachebrauch die maskuline Form immer noch häufiger gewählt wird. Fanden sich in den analysierten Prüfungen Jurafuchs dann keine weitergehenden Informationen zu den Rollen, die eine Geschlechterzuordnung möglich machten, wurden diese nicht weiter mit einbezogen.

Die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern in der Jurist:innenwelt ist immer wieder Thema. Eine größere Baustelle ist die Tatsache, dass trotz der hohen Absolventinnenquote die Zahl der Frauen immer weiter sinkt, je höher man auf die Karriereleiter von Kanzleien schaut: In Deutschland sind nur 16 Prozent der Equity Partner in Großkanzleien Frauen.

Eine weitere Auffälligkeit: Frauen werden im ersten Staatsexamen schlechter benotet als Männerdas ist in anderen Studiengängen und im Abitur anders. Woran das liegt, erforscht aktuell das Justizministerium von NRW.  

pdi/LTO-Redaktion

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