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Nur 16 Prozent der Partner sind Frauen
Christian, männlich, deutsch, ohne Migrationsgeschichte, promoviert und stets verfügbar: Das ist laut dem aktuellen Bericht der AllBright Stiftung der typische deutsche Kanzleipartner. Die gemeinnützige, schwedisch-deutsche Stiftung setzt sich für mehr Frauen und Diversität in den Führungspositionen der Wirtschaft ein. Seit über 20 Jahren studieren mehr Frauen als Männer Jura und mehr Frauen absolvieren das zweite Staatsexamen: Im Jahr 2022 – das sind die aktuellsten Zahlen des Bundesamts für Justiz – schlossen 57,6 Prozent der Frauen das Examen erfolgreich ab.
Viele Frauen mit entsprechenden Noten finden danach auch erst einmal den Weg in eine Großkanzlei: Auf Associate-Ebene beträgt der Frauenanteil noch 47 Prozent, auf der höheren Ebene der Counsels und Salary Partner immerhin noch 37 Prozent.
Nach oben hin verschiebt sich die Quote allerdings deutlich, wie neue Zahlen belegen: Im Schnitt sind nur 16 Prozent der Equity Partner in Großkanzleien Frauen. Für die Studie hat AllBright den Frauenanteil in den 20 umsatzstärksten Kanzleien Deutschlands zum 1. April 2025 ausgewertet.
Nur zwei Kanzleien mit Partnerinnenanteil über 20 Prozent
Nur zwei Kanzleien erreichen demnach auf Partnerebene einen Frauenanteil von 20 Prozent oder mehr: Freshfields Bruckhaus Deringer (21,1 Prozent) und Latham & Watkins (20 Prozent). Knapp dahinter folgen Baker McKenzie (19,2 Prozent), Rödl & Partner (18,9 Prozent) und CMS Hasche Sigle (18,5 Prozent).
Auf den letzten Plätzen landeten Flick Gocke Schaumburg (10,2 Prozent), DLA Piper (11,8 Prozent) und Görg (11,9 Prozent).
Gleiss Lutz, KPMG Law, A&O Shearman, Heuking, Clifford Chance, Noerr und Taylor Wessing bilden mit Werten zwischen 14,5 Prozent und 15,8 Prozent das Mittelfeld.
Deutlich mehr Partnerinnen an britischen Standorten
Ungefähr die Hälfte der 20 umsatzstärksten Kanzleien in Deutschland sind deutsche Gesellschaften, die andere Hälfte sind amerikanische oder britische Kanzleien mit deutschen Standorten. Der AllBright-Bericht hat auch die deutschen und britischen Standorte verglichen – und stellt signifikante Unterschiede fest: Der Partnerinnenanteil an den britischen Standorten beträgt 31 Prozent, ist im Schnitt also fast doppelt so hoch wie an den deutschen Standorten.
Betrachtet man die Vorstände der DAX-40-Unternehmen, beträgt der Frauenanteil dort immerhin 26 Prozent.
Woran liegt es, dass so wenige Frauen "ganz oben" in den Kanzleien mitmischen?
"Rush-Hour des Lebens sollte nicht über Karrieren entscheiden"
Auch wenn vieles mittlerweile nicht mehr ganz so in Stein gemeißelt ist, setzen doch viele Großkanzleien immer noch zwei Prädikatsexamina, eine Promotion und im besten Fall noch Auslandserfahrungen voraus. Um diese Anforderungen zu erfüllen, ist man mindestens Ende 20, bis man überhaupt in das Berufsleben und damit die Kanzlei einsteigt.
Der Weg zur Partnerschaft ist lang und mit viel Arbeit und Einsatz verbunden. In den meisten Kanzleien werden die Associates nach etwa drei Jahren zu Senior Associates befördert. Nach etwa sechs bis acht Jahren – ggf. mit weiteren Zwischenstufen wie (Senior) Managing Associate – kann die Aufnahme in die Partnerschaft erfolgen. Der genaue Zeitraum unterscheidet sich von Kanzlei zu Kanzlei.
Bis dahin müssen unzählige billable hours geleistet werden, die Partnerschaft muss auf den oder die Associate aufmerksam werden, damit man eine Chance hat, befördert zu werden. Für viele steht aber genau in dieser Phase oft die Familienplanung an – und die Frauen unterbrechen den Partnertrack zu diesem Zeitpunkt zumindest kurzzeitig.
Natürlich gibt es auch viele Frauen, die ihren Weg nach der Elternzeit fortsetzen. Es gibt auch in nahezu allen Kanzleien mittlerweile die Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten und auch Partnerin bzw. Partner zu werden, auch wenn sich der Partnertrack dann unter Umständen verlängert.
Viele – und nicht nur Frauen – wechseln aber auch in die Justiz oder in ein Unternehmen. Die zeitintensive Arbeitskultur ist mit dem Familienleben oft nur schwer vereinbar. "Die Rush-Hour des Lebens sollte nicht endgültig über Karrieren entscheiden", sagte etwa Dr. Leif Schubert, der nach vielen Jahren in einer Großkanzlei in die Justiz gewechselt ist, im LTO-Interview.
Es gibt mehr als nur "billable hours"
Will man mehr exzellente Anwältinnen in den Kanzleien halten, muss sich etwas tun.
"Die Konzerne mit ihrem oft weiblichen Führungspersonal in den Rechtsabteilungen sind zu Recht zunehmend irritiert über die sehr männlich dominierten Beraterteams der Großkanzleien", kommentieren Wiebke Ankersen & Christian Berg, die Geschäftsführer der AllBright Stiftung.
Der Allbright-Bericht etwa schlägt vor, dass Kanzleien sich konkrete Ziele für einen höheren Frauenanteil in den Partnerschaften setzen – "als starkes positives Signal nach innen und außen."
Denkbar wäre auch, etwas am Vergütungssystem zu ändern, wobei da natürlich jede Kanzlei ihre eigenen Maßstäbe hat. "Letztlich kommt es den meisten Kanzleien aber immer noch auf die 'billable hours' an", sagte etwa eine Associate im M&A-Team einer Großkanzlei, die anonym bleiben möchte, anlässlich einer LTO-Umfrage zur Partnerschaft in Teilzeit. Diejenigen, die bis Mitternacht arbeiten, würden belohnt – auch wenn die Arbeit anderer qualitativ besser sei. Auch der Allbright-Bericht schlägt vor, Faktoren wie exzellente Arbeitsergebnisse und gutes Teamwork gleichberechtigt neben den "billable hours" zu berücksichtigen.
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