Prädikatsjuristen künftig stärker bevorzugt
Das Vergabeverfahren für Referendariatsplätze in Berlin wird sich kurzfristig verändern. Prädikatsjuristen und sogenannte Landeskinder werden dabei stärker bevorzugt als bisher und bekommen früher einen Platz, während auswärtige Bewerber unter neun Punkten im ersten Staatsexamen voraussichtlich noch länger als bisher warten müssen. Die ersten Zuschriften Betroffener an LTO mit Kritik am neuen System ließen nicht lange auf sich warten.
Die entsprechende Änderung der Justizkapazitätsvergabeverordnung (JKapVVO) wird die für die Justiz zuständige Senatsverwaltung noch kurzfristig erlassen. Der Änderungsentwurf (JKapVVO-E) liegt LTO vor.
Die wartenden Bewerber hat das für das Referendariat zuständige Kammergericht am Montagabend per Mail über die anstehenden Änderungen informiert. Das Kammergericht begründet die Änderung damit, "leistungsstarke Nachwuchsjurist:innen in die Hauptstadt" holen und Berlinern bevorzugt die Juristenausbildung in ihrer Heimat ermöglichen zu wollen sowie zu gewährleisten, dass das gesamte Verfahren bald digitalisiert werden kann.
Was sich ändert
Bisher gab es in Berlin drei Listen für das Bewerbungsverfahren: Die Berliner Liste mit Personen, die ihr Staatsexamen am gemeinsamen Prüfungsamt Berlin-Brandenburg abgelegt haben (bis zu 80 Prozent aller Plätze werden bisher darüber vergeben). Die Leistungsliste für Bewerber ab mindestens zehn Punkten im ersten Staatsexamen (bis zu 20 Prozent). Und die Liste für auswärtige Bewerber aus allen übrigen Bundesländern (bis zu 20 Prozent). Je nach verstrichener Wartezeit haben Bewerber über diese Listen einen Platz fürs Referendariat in der Hauptstadt bekommen.
Künftig soll es nur noch eine Liste geben (§ 6 JKapVVO-E), die auf einem Punktesystem basiert. Zwei Punkte erhalten ab März Bewerber mit der Gesamtnote "gut" in der ersten juristischen Prüfung. Auch Landeskinder bekommen zwei Punkte. Als Landeskind im Sinne der kommenden Änderung zählt, wer in Berlin das erste Staatsexamen gemacht hat.
Je einen Punkt bekommen Bewerber, die in der Gesamtnote ein "vollbefriedigend" erreicht haben, Wehrdienst oder einen Freiwilligendienst (etwa ein soziales Jahr) geleistet haben. Auch Personen mit einer Schwerbehinderung oder mit einer Sorgeberechtigung für ein Kind erhalten einen Punkt, wenn sie Landeskinder sind. Alle Bewerber, die nach Ablauf von sechs Monaten ab Ende der jeweiligen Bewerbungsfrist immer noch warten, bekommen ebenfalls einen Punkt (§ 10 JKapVVO-E).
Nach dem neuen System werden Punkte gegebenenfalls addiert. Wer also zum Beispiel Landeskind mit einem "vollbefriedigend" im Examen ist und ein Kind erzieht, erhält vier Punkte nach dem neuen System und darf sich demnach ziemlich sicher sein, nicht lange auf einen Platz fürs Referendariat in der Hauptstadt warten zu müssen.
Bei Punktgleichstand entscheidet die genaue Note im ersten Staatsexamen, dann das Lebensalter, danach das Los (§ 7 JKapVVO-E). Härtefallregelungen wird es auch künftig geben (§ 9 JKapVVO-E).
Kammergericht verteidigt sich gegen Kritik am neuen System
In ihren Zuschriften an LTO kritisieren die Absender, dass die kurzfristige Änderung die Lebenspläne vieler Bewerber über den Haufen werfe. Außerdem würden Prädikatsjuristen künftig noch mehr als bisher bevorzugt und die Wartezeit derjenigen, die schon nach dem alten System seit Monaten auf einen Platz warten, in der neuen Liste nicht angemessen berücksichtigt.
Das Kammergericht weist in seiner Mail an die wartenden Bewerber, die LTO vorliegt, ausdrücklich darauf hin: "Bewerber:innen mit gutem oder vollbefriedigendem Ergebnis im ersten Staatsexamen können schneller als erwartet ein Platzangebot bekommen, während es für auswärtige Bewerber:innen ohne Prädikatsexamen zu längeren Wartezeiten als bisher kommen kann."
Auf LTO-Anfrage hält die beim Kammergericht zuständige Dezernentin Dr. Madlen Heiland der Kritik entgegen, dass Prädikatsjuristen und Landeskinder schon bisher bevorzugt wurden. Beim Kammergericht gehe man davon aus, dass sich an dem Verhältnis der Bevorzugten am Gesamtanteil der Bewerber nicht viel verändern werde: "Künftig wird eine ähnlich hohe Leistungsträgerquote wie bisher und eine leichte Erhöhung der Landeskinderquote zu erwarten sein", schätzt Heiland.
Die Nachteile, die manche Betroffene in Kauf nehmen müssen, dienen laut Heiland dem Ziel, das Vergabeverfahren insgesamt transparenter zu machen, es endlich digitalisieren zu können und "wegen des großen Bedarfs an Volljurist:innen in den klassischen Rechtsberufen und den hier ansässigen Landes- und Bundesbehörden leistungsstarke Nachwuchsjurist:innen in die Hauptstadt zu holen, die im besten Falle später die Berliner Justiz verstärken". Außerdem soll "Personen, die bereits in unserer Stadt verwurzelt sind, zur Aufrechterhaltung ihres sozialen Umfelds und zum Erhalt von (Neben-)Erwerbsmöglichkeiten die Fortführung ihrer Ausbildung in Berlin" ermöglicht werden, heißt es in einer schriftlichen Antwort auf LTO-Anfrage.
Zuletzt verweist das Kammergericht darauf, dass ein ähnliches System bereits in Hamburg erfolgreich praktiziert werde und man das neue Berliner System fortlaufend evaluieren wolle.
Wichtige Fristen, die Bewerber jetzt beachten müssen
Mit Blick auf die Änderung ab März heißt das für alle, die sich in Berlin bewerben wollen, dass (nach wie vor) der 3. März 2025 als Ende der Bewerbungsfrist für den Einstellungsdurchgang Mai 2025 gilt.
Bewerber, die nach dem alten System warten, sollten sich jetzt informieren, auf welchem Platz der aktuellen Liste sie nun stehen. Sie müssen sich nämlich gegebenenfalls nach den derzeit geltenden Regelungen bis zum 21. Februar 2025 zurückmelden und sollten überprüfen, ob auch alle Punkte nach dem neuen System angerechnet wurden, die ihnen zustehen könnten.
Bewerber, die nach dem neuen System auf der Liste plötzlich weit nach vorn rücken und unverhofft schon im Mai 2025 einen Platz bekommen könnten, müssen sich überlegen, ob sie wegen ihrer privaten Lebensverhältnisse womöglich um Rückstellung bitten möchten. Das müssten sie dann bis spätestens zum 3. März 2025 machen.
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2025 M02 5
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