Special Anwaltstag: Frauen in Anwaltskanzleien

Nicht nur bunter, nicht nur schöner

Dr. Barbara MayerLesedauer: 5 Minuten
Während die Wirtschaft noch um eine Frauenquote streitet, haben in manchen juristischen Berufen Frauen ihre männlichen Kollegen zahlenmäßig überflügelt. Eine Entwicklung, die nicht nur gesellschaftpolitisch wünschenswert, sondern auch betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Wie die weiblichere Zukunft aussieht und wie sich Unternehmen darauf einstellen, zeigt Barbara Mayer.

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Als Peter Löscher im Sommer 2008 seinen Dienst als Siemens-Chef antrat, benannte er ein Dilemma des Konzerns: Das Management des Unternehmens sei "zu weiß, zu deutsch, zu männlich." Damit hat er zugleich eine Bestandsaufnahme der deutschen Großunternehmen geliefert: Nur etwa zehn Prozent der Aufsichtsratsposten deutscher Großkonzerne sind von Frauen besetzt, ohne die Vertreterinnen der Arbeitnehmerseite sogar nur drei Prozent. Dieser Wert entspricht exakt der Quote der Frauen, die als Vorstand Verantwortung für das operative Geschäft eines Dax-Unternehmens tragen. Dass weibliche Kräfte bei der Besetzung von Führungspositionen stärker berücksichtigt werden sollten, setzt sich allmählich in allen politischen Lagern und gesellschaftlichen Gruppen durch. Die Gründe sind allerdings unterschiedlich: Traditionell geht es bei der "Frauenfrage" eher um ein gesellschaftspolitisches Anliegen. Dass es dafür auch handfeste betriebswirtschaftliche Gründe gibt, spricht sich erst allmählich herum: Gemischte Teams erhöhen die Produktivität, viele Betriebe werden es sich aufgrund des Geburtenrückgangs bald nicht mehr leisten können, auf Frauen in der Führungsriege zu verzichten. Und dass viel wertvolles Potenzial verschwendet wird, wenn Frauen zwar ausgebildet, dann aber im Beruf nicht ausreichend gefördert werden, lässt sich auch nicht ernsthaft bestreiten. Vor diesem Hintergrund dürfte sich das Thema "Frauenquoten in Unternehmensorganen" zu einem der zentralen Themen im deutschen und europäischen Gesellschaftsrecht der nächsten Jahre entwickeln.

EU-Kommission: Aufsichtsräte sollen weiblicher werden – vorerst ohne Quote

Der Deutsche Corporate Governance Codex hat bereits im vergangenen Jahr eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen. Die Regierungskommission fordert mehr Vielfalt in Aufsichtsräten durch Frauen und internatonale Experten sowie eine angemessene Berücksichtigung von Frauen auch in Führungspositionen und Vorständen. EU-Justizkommissarin Viviane Reding hat eine Initiative für einen Anteil von 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten bis 2015 gestartet. Anfang April 2011 hat die EU-Kommission ein "Grünbuch" vorgelegt, in dem sie ihre weiteren Vorstellungen über einen "europäischen Corporate-Governance-Rahmen" zur Diskussion stellt. Im Zentrum dieses Papiers steht der Aufsichtsrat: "Es bedarf leistungsfähiger, wirksamer Verwaltungsräte, die der jeweiligen Geschäftsführung Paroli bieten können". Innerhalb des Aufsichtsrats regt die Kommission eine stärkere Diversität an: Die EU-Kommission hat erkannt, dass ein Aufsichtsgremium besser funktioniert und effizienter kontrolliert, wenn es sich aus verschiedenen Personengruppen zusammensetzt, die Mitglieder unterschiedliche  berufliche Hintergründe und Fähigkeiten mitbringen und sie unterschiedlicher Nationalität sind. Anders als etwa in Norwegen, Frankreich, Spanien oder Island wird eine Frauenquote zwar nicht ins Auge gefasst - dennoch ist die EU-Kommission deutlich: "Die geschlechterspezifische Diversität kann einen Beitrag zur Bekämpfung von Standarddenkmustern leisten. Auch gibt es Nachweise dafür, dass Frauen unterschiedliche Führungsstile haben, an mehr Verwaltungsratsitzungen teilnehmen und eine positive Auswirkung auf die kollektive Gruppenintelligenz zeitigen".

Frauenanteil kein freundliches Entgegenkommen, sondern unternehmerische Notwendigkeit

Der – ausschließlich von Männern besetzte - Roundtable des Berlin Center of Corporate Governance (BCCG) hat jüngst zehn Thesen für eine Verbesserung der Corporate Governance durch die Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen entwickelt. Darunter findet sich folgende Kernaussage: "Die stärkere Berücksichtigung von Frauen bei der Besetzung von Führungspositionen ist schon angesichts der demographischen Entwicklung ein Gebot betriebswirtschaftlicher Vernunft. Sie kann aber ferner auch deshalb im Unternehmensinteresse liegen, weil die Ausschöpfung des spezifischen Qualifikationspotenzials weiblicher Führungskräfte die Qualität der Unternehmensführung verbessern kann." Es ist also unübersehbar, dass sich derzeit viel bewegt an der Frauenfront - wie eingangs erläutert in erster Linie aber nicht wegen gesellschaftspolitischer Überlegungen, sondern eben aus ganz nüchternen betriebswirtschaftlichen Gründen. Und genau das dürfte letztlich den Durchbruch bedeuten: Der Frauenanteil wird nicht mehr nur als freundliches Entgegenkommen zugunsten einer benachteiligten "Randgruppe" wahrgenommen, sondern als unternehmerische Notwendigkeit. Eine weitere These des Roundtable des BCCG ist aus Anwaltssicht besonders interessant: "Eine ausreichende Qualifikation für ein Aufsichtsratsmandat kann auf verschiedenen Kompetenzen beruhen und setzt nicht zwingend eigene Erfahrungen im Topmanagement voraus." Damit wird der Weg frei gemacht für Expertinnen aus der Wissenschaft, aber auch für Anwältinnen, die über langjährige Erfahrung in der Beratung von Unternehmen verfügen.

Kanzleien müssen sich für Frauen attraktiver machen

Und wie sieht es in den Kanzleien aus? Der Frauenanteil unter den Partnern in den wirtschaftsberatenden Großkanzleien ähnelt demjenigen in den Aufsichtsräten deutscher Unternehmen. Er liegt bei rund zehn Prozent. Und das, obwohl mittlerweile über die Hälfte sowohl der Anfänger beim Jurastudium als auch der Absolventen weiblich ist. Dennoch sind von den rund 150.000 Rechtsanwälten nur rund 32 Prozent Frauen (1990 waren es mit 15 Prozent noch weniger). Bei den Richtern vollzieht sich gerade eine drastische Veränderung: 33 Prozent der rund 20.000 Richter sind weiblich, von den jungen Richtern auf Probe aber schon zwischen 50 und 60 Prozent. Auch in den Rechtsabteilungen wächst der Frauenanteil unaufhaltsam. In Unternehmen wie der Deutschen Bahn, dem Otto-Versand oder der HypoVereinsbank-UniCredit  liegt er bereits bei 60 Prozent und mehr; bei BMW, BASF oder Rewe ist immerhin die Hälfte der Unternehmensjuristen weiblich. Die Zahlen belegen zweierlei: Die Bedeutung von Frauen in Anwaltskanzleien wird steigen. Infolge des absehbaren Mangels an hochqualifizierten Fachkräften werden sich Kanzleien für Frauen attraktiver machen und Karrieremuster insgesamt überdenken müssen. Es geht darum, weibliche Talente zu akquirieren und langfristig zu halten. Gleichzeitig steigt die Zahl der weiblichen Mandanten: In vielen Rechtsabteilungen haben sie die Männer zahlenmäßig bereits überflügelt, und langsam aber sicher rücken auch immer mehr Frauen in die Top-Führungspositionen der Wirtschaft. Da also der Frauenanteil unter den (potentiellen) Mandanten zunimmt, wird sich jede Anwaltskanzlei mit der Frage beschäftigen müssen, wie diese am Besten angesprochen und gewonnen werden können. Im Übrigen: Wenn Unternehmen mit einem höheren Frauenanteil an der Spitze erfolgreicher sind als Unternehmen mit überwiegend männlicher Führung, ist nicht ersichtlich, warum dies nicht auch für die Dienstleistungsunternehmen im Rechtsbereich, also für Anwaltskanzleien, gelten soll. Hier wie da wird die Zukunft definitiv weiblicher –  die einzige Frage ist, ob der Weg dahin als evolutionärer Prozess stattfindet oder per Quote verordnet wird. Dr. Barbara Mayer ist Rechtsanwältin und Geschäftsführende Partnerin der Sozietät Friedrich Graf von Westphalen & Partner, Freiburg/Köln. sie ist außerdem stellvertretende Vorsitzende des Geschäfstführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft "Anwältinnen im DAV". Mehr auf LTO.de: Frauenquote: Ein klares Ja zum Mitspielen Diskussion um Quote: Französisches Modell kein Prototyp für Deutschland Gleichstellung: Alle Macht den Quoten?

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