Ein Notar macht Musikkarriere

"Das erste Mal Metal habe ich mit sechs Jahren gehört"

von Marcel SchneiderLesedauer: 6 Minuten

Thomas "Angus McSix" Winkler ist Notar in der Schweiz – und Sänger der gleichnamigen neuen Power-Metal-Band. Im Interview spricht er über diese zwei Berufe, wie sie sich vereinen lassen und woher er seine verdammt schicke Rüstung hat.

LTO: Hallo Thomas, du bist Notar im Schweizer Kanton Bern und singst Power Metal. Wie ich sehe, bist Du heute aber nicht in goldener Rüstung und mit blitzeschleuderndem Zweihandschwert unterwegs. Es sieht eher nach einem normalen Bürotag aus. 

Thomas "Angus McSix" Winkler: Wenn ich wie heute im Notariat sitze, ist der Kugelschreiber mein Schwert und das geschriebene Wort meine alltägliche Schlacht.

LTO: Erkläre doch bitte kurz, wie man in der Schweiz Notar wird. Die Juristenausbildungen der DACH-Region sind ja doch recht unterschiedlich. 

Winkler: Jeder Kanton der Schweiz kennt sein eigenes Notariatssystem. Hier in Bern ist es das freiberufliche Notariat, dem auch ich angehöre. Der Werdegang hierfür führt über ein Jurastudium, man macht den Bachelor of Law und danach den Master of Law. Hiernach entscheidet man sich, in welche Richtung man gehen will: Anwaltschaft, Notariat oder eine wissenschaftliche Karriere. 

Entsprechend wählt man seinen weiteren Weg, da geht es vor allem um Berufserfahrung. In meinem Fall waren das insgesamt zwei Jahre Praxiszeit, absolviert bei einem Notar und einem Grundbuchamt. Danach muss man das notarielle Staatsexamen bestehen und dann darf man loslegen. Bei mir hat es vom Beginn des Studiums bis zur Zulassung als Notar acht Jahre gedauert. 

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"Der Nachbarsjunge hatte mir seine Metallica-CD ausgeliehen"

LTO: Wie lange singst du schon? 

Winkler: Praktisch seit ich denken kann. Teil einer richtigen Band war ich zwar das erste Mal erst mit 18, aber gesungen habe ich schon immer gerne. Das erste Mal Metal gehört habe ich mit sechs Jahren. Da hatte mir der Nachbarsjunge seine Metallica-CD ausgeliehen und ich war ganz angetan von den brachialen Gitarrenklängen und dem Gefühl, das die Musik transportierte. 

LTO: Dann war die Leidenschaft für die Musik also schon vor derjenigen für Jura da. Wann und wieso hast du dich dann für das rechtswissenschaftliche Studium entschieden?

Winkler: Das war ganz klassisch: Wenn man seinen Eltern beichtet, dass man beruflich gerne etwas mit Musik machen würde, reagieren die nicht selten erst einmal verhalten. "Brotlose Kunst", "damit verdient man doch nichts" und solche Sätze fallen dann – und in vielen Fällen stimmt das auch, gerade wenn man Musik machen möchte, die typischerweise nicht im Radio gespielt wird. 

Zum Glück war mein Vater nicht ganz so negativ eingestellt und meine Mutter macht bis heute selbst Musik. Die Unterstützung für die Musik jedenfalls als Hobby war also da, was sich letztlich bezahlt gemacht hat. 

Jurist wollte ich werden, weil ich als Kind irgendwann einmal einen Film gesehen habe, in dem es um Anwälte ging. Die Redegewandtheit hat mich sehr beeindruckt und so lag die Entscheidung nahe, nach dem Abschluss vom Gymnasium das Jurastudium zu beginnen. Statt für den Anwaltsberuf entschied ich mich aber schließlich für das Notariat. 

"Ich war damals der jüngste Notar im Kanton Bern"

LTO: Mit 18 der Abschluss vom Gymnasium, dann acht Jahre Juristenausbildung: Du warst also mit 26 Jahren schon Notar? 

Winkler: Genau, damals war ich der jüngste Notar im Kanton Bern. Zeitgleich bin ich bei der Power-Metal-Band "Gloryhammer" eingestiegen, denn das Singen habe ich mir als Hobby nach wie vor erhalten. 

LTO: Drei bis vier Jahre nach deinem Einstieg schaffte "Gloryhammer" dann den Durchbruch in der Szene, das Metal-Plattenlabel "Napalm Records" nahm euch unter Vertrag. Da konntest du von der einst "brotlosen Kunst" dann plötzlich die täglichen Brötchen bezahlen. 

Winkler: Das war für mich damals schon ein Erfolg, wir haben endlich keine Verluste mehr gemacht. In der Zeit davor kam es immer wieder einmal vor, dass wir aus Kostengründen nach Auftritten bei freundlichen Fans auf dem Fußboden geschlafen haben. Das war also schon etwas Besonderes, sein sauer erspartes Studentengeld nicht mehr in sein Hobby investieren zu müssen.

LTO: Nach der Trennung von "Gloryhammer" im Jahr 2021 ist aus deiner ehemaligen Kunstfigur "Angus McFife" der nun wiedergeborene "Angus McSix" geworden, der auch gleich Namensgeber deiner neuen Band ist. Er trägt eine schimmernde Rüstung und ein massives Zweihandschwert statt “nur” Kriegshammer und Lederwams. Ganz schön viel Aufwand. 

Winkler: Da das Motto unserer neuen Band "one better", also "eins besser", lautet, scheuen wir keinen Aufwand. Die Rüstung habe ich aus einem britischen Laden für Mittelalter-Inszenierung kommen lassen, ein Schweizer Lackierer hat sie dann mit einer Legierung aus Silbernitrat und Gold versehen. Das Schwert ist eine Einzelanfertigung meines Onkels, der Spezialist für Theaterrequisiten ist und bereits den Hammer hergestellt hat, den ich in meiner ehemaligen Band genutzt habe. Mit dem Ergebnis bin ich mehr als zufrieden.

Das alles gehört aber auch dazu, die Musikrichtung Metal ist nämlich eine Herzensangelegenheit, egal ob als Musiker oder Zuhörer, und insbesondere im Power Metal geht es darum, Geschichten zu erzählen: Helden, Bösewichte, epische Schlachten - und vor allem eine gehörige Portion Humor, das Ganze auch mal mehr, mal weniger dezent zu übertreiben. 

LTO: Bist du denn mehr Musiker oder mehr Notar? 

Winkler: Um den standesrechtlichen und gesetzlichen Anforderungen an das Berner Notariat gerecht zu werden: Ich bin, was mein Tätigkeitsvolumen angeht, natürlich stets zu mindestens 51 Prozent Notar. 

Aber Spaß beiseite: Es gibt auch Phasen, so wie jetzt mit unserer Debut-Single "Master of the Universe" und dem Videodreh, da werden die übrigen 49 Prozent komplett vom Beruf als Musiker ausgefüllt. Eine Schweizer Boulevardzeitung hatte mal geschrieben, dass ich tagsüber Notar und nachts Metal-Star sei. Solche Zeiten können positiv aufregend, aber auch ganz schön anstrengend sein. Doch meine Familie steht fest hinter mir und unterstützt mich. 

"Ich liebe meine beiden Berufe"

LTO: Wenn es vom Geld her passen würde: Könntest du dir vorstellen, hauptberuflich ganz auf die Musik umzusteigen, obwohl du mit Mitte dreißig und nach mittlerweile zehn Jahren Berufserfahrung schon dein eigenes Notariat hast? 

Winkler: Ich liebe meine beiden Berufe. Hätte ich nur den einen, würde ich den anderen sehr vermissen. Sie ergänzen sich auch wunderbar: Der eine ist laut, man kommt viel herum und kann sich kreativ austoben, der andere bringt Kontinuität ins Leben und – das muss man so ehrlich berücksichtigen – er macht derzeit den größeren und verlässlicheren Teil meines Einkommens aus. 

Der Vorteil besteht auch darin, dass ich so in die Bühnenshow von "Angus McSix" investieren kann, damit wir nicht nur musikalisch, sondern auch optisch "one better" werden als die Konkurrenz. Die Möglichkeiten sind so vielfältig, das hört bei schimmernder Rüstung und beeindruckendem Schwert ja nicht auf. Da werden wir uns für die Zukunft noch richtig was einfallen lassen.

"Handy und Laptop liegen während der Tour natürlich Backstage bereit"

LTO: Wie regelst du das, wenn ihr im Sommer auf Tour geht, unter anderem beim legendären Wacken Open Air? Ist dein Notariat dann eine Zeit lang ohne Chef? 

Winkler: Ich kann mich Gott sei Dank auf meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlassen, wir sind ein gutes Team. Gleichzeitig werde ich natürlich auch die ganze Zeit erreichbar sein, vielleicht abgesehen von der effektiven Showzeit. Handy und Telefon liegen Backstage bereit, ich bin nicht einfach weg – nur eben ein paar Wochen lang abends auf der Bühne unterwegs.

LTO: Haben dir deine Jurakenntnisse im Show Business etwas nützen können? 

Winkler: Gerade bei den Vertragsverhandlungen mit Label, Booking-Agentur und Management hilft ein rechtliches Fachwissen sicherlich, um Probleme zu vermeiden. Das Showbusiness ist mit vielen Risiken behaftet. Auch im Tour-Alltag dürfte daher mein beruflicher Hintergrund hin und wieder dienlich sein. 

Jeder Beruf, in dem man analytisch und strukturiert denken und arbeiten muss, hilft dir dabei, ein so anspruchsvolles Unterfangen wie eine neue Band aufzuziehen. Letztlich gründet man damit mehr oder weniger ein KMU. 

LTO: Eine letzte, etwas abgedroschene, aber doch spannende Frage: Wie viel Thomas Winkler steckt denn in "Angus McSix"? 

Winkler: Das ist wohl wie bei Clark Kent und Superman: Der eine kann nicht ohne den anderen. Als Privatperson bin ich natürlich sehr viel ruhiger als auf der öffentlichen Bühne. Trotzdem fließen in die Kunstfigur auch meine persönlichen Gefühle und Charaktereigenschaften ein, ähnlich wie bei einem Schauspieler. Ich habe mal einem Freund gesagt, wenn ich anfange, in der Freizeit mit meiner Rüstung rumzulaufen, solle er bitte den Notruf wählen. So weit ist es bis jetzt nicht gekommen und ich freue mich, den Fans bald die ganze Geschichte präsentieren zu können, die wir auf dem kommenden Debütalbum "Angus McSix and the Sword of Power" erzählen werden. 

LTO: Vielen Dank für das Gespräch.

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