Die juristische Presseschau vom 28. Juni 2016: Ver­däch­ti­gung, Ver­ge­wal­ti­gung, Ver­nunft / Brexit-Fragen / Kopf­tuch im Refe­ren­da­riat

28.06.2016

Gina-Lisa Lohfink ist wegen falscher Verdächtigung angeklagt. Wird dabei auch über die Sexualstrafrechtsreform verhandelt? Außerdem in der Presseschau: Probleme des Brexits, Referendarin mit Kopftuch und AG Bremen erfindet neues Delikt.

Thema des Tages

AG Berlin-Tiergarten – Gina-Lisa Lohfink: Vor dem Berliner Amtsgericht Tiergarten wurde unter regem Publikumsinteresse und einer Demonstration vor dem Gericht das Verfahren gegen Gina-Lisa Lohfink wegen falscher Verdächtigung fortgesetzt. SZ (Verena Mayer) und FAZ (Denise Peikert) berichten zur Vernehmung von eines der beiden mutmaßlich Geschädigten. Der Mann beharrte darauf, dass der Sex zwischen ihm und Lohfink "immer einvernehmlich" gewesen sei. Für die taz (Laura Ewert) spitzte sich der Verhandlungstag auf Fragen zur Entstehung des hierbei angefertigten Videos zu. Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) sieht dagegen vor allem eine "überforderte Angeklagte". Bei der durch ihren Fall befeuerten Debatte über eine Reform des Sexualstrafrechts gehe "es nicht um die Härte", vielmehr "um Schärfe". Während seiner Amtszeit habe sich der Bundesjustizminister vom Rat des "gelernten Richters Montesquieu" entfernt, der sagte: "Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, ist es unbedingt notwendig, ein Gesetz nicht zu erlassen". Fragen zu Fall und Verfahren fasst taz.de (Christian Rath) zusammen.

Für Hannelore Crolly (Welt) ist der Fall Lohfink wie andere mit prominenten Beteiligten ein "Beispiel dafür, wie der Coitus im Kampf der Geschlechter als Waffe eingesetzt wird". Die Justiz stünde bei Beurteilung der Frage, ob "Sex nun einverständlich war oder nicht", "hilflos" da und scheitere häufig. Auch ein im Sinne von "Nein heißt Nein" reformiertes Sexualstrafrecht würde hier nicht weiterhelfen. Notwendig sei vielmehr, "von vornherein vernünftiger zu sein".

Rechtspolitik

BND-Reform: Die SZ (Georg Mascolo/Ronen Steinke) berichtet zu einer ihr vorliegenden Kabinettsvorlage zur Reform der Bundesnachrichtendienstkontrolle. Dessen Auslandsaufklärung solle künftig durch ein neu zu schaffendes Unabhängiges Gremium, bestehend aus einem Bundesanwalt und zwei Bundesrichtern, gewährleistet werden. Weil die Ernennung der Mitglieder durch die Bundesregierung erfolge, müsse deren Unabhängigkeit bezweifelt werden.

Familienrecht/Wechselmodell: Im Oktober 2015 verabschiedete die parlamentarische Versammlung des Europarats eine familienrechtliche Resolution. Nach dieser erhalten Mitgliedsstaaten den Auftrag, die Betreuung von Kindern getrennter Eltern im Wege des sogenannten Wechselmodells auszugestalten. Rechtsanwältin Susanne Delerue untersucht auf lto.de zu erwartende Auswirkungen auf das deutsche Familienrecht, in dem in dieser Frage bislang das gegensätzliche Residenzmodell vorherrsche.

Volksabstimmungen: Torsten Rieke (Hbl) spricht sich im Leitartikel der Zeitung gegen Volksabstimmungen aus. Im digitalen Zeitalter laufe der politische Diskurs Gefahr, "zu einem Wettstreit von populistischen Sprücheklopfern" zu verkommen und gefährde so die repräsentative Demokratie. Diese biete die Chance, "komplexe Probleme durch den Wettstreit von Argumenten und nicht Parolen" zu lösen, bedürfe aber gleichzeitig Vertrauen der Bürger in ihre Volksvertreter.

Bundesteilhabegesetz: Die taz berichtet zu dem am heutigen Dienstag von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) im Kabinett vorgestellten Entwurf des Bundesteilhabegesetzes. Gegenüber dem Referentenentwurf blieben Partnereinkommen und -vermögen nunmehr anrechnungsfrei. Kritiker bemängelten aber, dass hiervon nur wenige Betroffene profitierten. Die Welt (Sabine Menkens) interviewt die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele, zu ihrer Kritik am Entwurf.

Elektronisches Anwaltspostfach: Die vom Bundesjustizministerium angekündigte Verordnung zur Einführung der besonderen elektronischen Anwaltspostfächer soll der Bundesrechtsanwaltskammer ermöglichen, den Starttermin am 29. September nun doch einzuhalten. Dies meldet lto.de.

Privacy Shield: Nach Darstellung von zeit.de (Patrick Beuth) haben sich EU-Kommission und US-Regierung über Inhalte der Datenschutzvereinbarung Privacy Shield als Nachfolgeregelung der Safe-Harbor-Verständigung geeinigt. Unter anderem habe die US-Regierung zugesagt, großangelegte Datensammlungen nur bei Erfüllung spezifischer Bedingungen durchzuführen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 28. Juni 2016: Verdächtigung, Vergewaltigung, Vernunft / Brexit-Fragen / Kopftuch im Referendariat . In: Legal Tribune Online, 28.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19808/ (abgerufen am: 30.04.2024 )

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