Die juristische Presseschau vom 24. Oktober 2017: Lebens­lang für "Reichs­bürger" / Staats­an­walt­schaft bei Fresh­fields / Jour­na­lismus in der Türkei

24.10.2017

Das Landgericht Nürnberg-Fürth verurteilte Wolfgang P. zu einer lebenslangen Haftstrafe. Außerdem in der Presseschau: Die Staatsanwaltschaft durchsucht Freshfields-Büro wegen Cum-Ex-Mandat und Gefahren für türkische Journalisten.

 

 

Thema des Tages

LG Nürnberg-Fürth zu "Reichsbürger": Wegen Mordes und zweifachen versuchten Mordes hat das Landgericht Nürnberg-Fürth den mutmaßlichen "Reichsbürger" Wolfgang P. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Bei einem Polizeieinsatz, der zur behördlichen Sicherstellung von Waffen dienen sollte, hatte der Verurteilte einen SEK-Beamten getötet und zwei andere verletzt. Das Gericht sah die Mordmerkmale der Heimtücke und niedrigen Beweggründe als erfüllt an, so lto.de in einer ausführlichen Darstellung. P. habe seinen Angriff geplant. Der getötete Beamte habe sich durch die anwesenden Kollegen geschützt gefühlt und infolge fehlender eigener Bewaffnung dem Angriff auch nichts entgegensetzen können. Ein niedriger Beweggrund sei in der Ideologie der "Reichsbürger", der sich der Verurteilte zugehörig fühle, zu erkennen. Gerade letzterer Aspekt verleihe dem Urteil "Symbolkraft", so der Bericht von spiegel.de (Peter Maxwill). Nach jenem der FAZ (Karin Truscheit) habe sich die Missachtung der Bundesrepublik, ihrer Amtsträger und Rechtsordnung auch darin gezeigt, dass P. beim Eintreffen der Richter immer "beharrlich sitzen geblieben" sei.

Dass eine besondere Schwere der Schuld durch das Landgericht nicht festgestellt wurde, ist für Reinhard Müller (FAZ) der Beleg dafür, dass gerade kein "politisches" Urteil gefällt wurde. So sollte "allen Gesinnungsgenossen vor Augen" geführt sein, "dass sie schon im freiesten aller Reiche leben". Nach Heribert Prantl (SZ) ist Deutschland "so frei, dass es auch Spinner und ihre Spinnereien ertragen muss". Die Aufladung mit "Verschwörungsfanatismus, Neonazismus und Waffengeilheit" sei jedoch potenziell kriminell, insofern müssten auch Waffenscheine, die "Reichsbürgern" ausgestellt wurden, "umfassend" wieder eingezogen werden.

Rechtspolitik

Gemeinsames Europäisches Asylsystem: Die gegenwärtigen Diskussionen der designierten Regierungskoalition über die künftige Ausrichtung des Asylrechts hält Christoph Tometten auf lto.de für verfehlt. Der vormalige Referent im Büro des Bundestagsabgeordneten Volker Beck (Grüne) legt dar, dass nach der in Aussicht stehenden Verabschiedung der gegenwärtig im Europäischen Parlament und im Europäischen Rat beratenen Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems bestehende nationale Spielräume in der Flüchtlingspolitik weitgehend ausgeschlossen seien, wobei sich die schwerwiegendsten Folgen aus der Neufassung der Dublin-Verordnung und der neuen Verfahrensordnung bei der Bearbeitung von Asylanträgen ergäben. Verbesserungen beim Flüchtlingsschutz brächten die Änderungen dagegen nur "marginal".

Familiennachzug: In einem Gastbeitrag für die SZ fordert Nils Muižnieks, Menschenrechtskommissar des Europarates, die künftige deutsche Regierung auf, die 2016 beschlossene weitgehende Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte wieder aufzuheben. Die Familie sei nicht nur grundrechtlich, sondern auch nach internationalen Menschensrechtsstandards schutzwürdig. Obwohl die Beschränkung wohl der Flüchtlingspolitik anderer europäischer Staaten entspreche, schadete sie "letztlich der deutschen Gesellschaft mehr, als dass sie ihr nutzen".

Bürgerrechte: In einem ausführlichen Gespräch mit netzpolitik.org (Constanze Kurz) und dem Netzaktivisten Frank Rieger äußert sich der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) zur bürgerrechtlichen Bilanz der Sicherheitsgesetzgebung der letzten Großen Koalition und seinen diesbezüglichen Erwartungen an die kommende Regierung.

Datenschutz: Die Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder haben einen Katalog mit "elf Grundforderungen" an die kommende Regierung vorgelegt. netzpolitik.org (Yannick Lebert) stellt die Forderungen vor, etwa zu Nachbesserungen beim Bundesdatenschutzgesetz.

E-Privacy-VO: Das Inkrafttreten der E-Privacy-Verordnung könnte sich nach dem Bericht von Stefan Hanloser (community.beck.de) noch bis zum Jahr 2019 verzögern. Grund sei eine entsprechende Stellungnahme des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments aus der vergangenen Woche.

Entsenderichtlinie: Die Arbeits- und Sozialminister der EU berieten in Luxemburg über mögliche Modelle für eine Reform der Entsenderichtlinie. Der Bericht der SZ (Thomas Kirchner) stellt die Modelle vor und prognostiziert, dass letztlich "ein Kompromiss stehen" werde, zwischen jenen, die heimische Arbeitsplätze schützen wollten, und jenen, die am profitablen Wettbewerb interessiert seien. Die Nachricht zu der in der Nacht auf den heutigen Dienstag gefundenen Verhandlungslösung verbreitet u.a. zeit.de.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 24. Oktober 2017: Lebenslang für "Reichsbürger" / Staatsanwaltschaft bei Freshfields / Journalismus in der Türkei . In: Legal Tribune Online, 24.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25187/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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