Die juristische Presseschau vom 24. Juni 2014: Ägypten verurteilt Journalisten - Wem gehört Rock am Ring? - Nachspiel zu Stuttgart 21

24.06.2014

Ein weiterer Schauprozess in Ägypten endet mit drastischen Strafen für Journalisten. Außerdem in der Presseschau: EU gegen Vorratsdatenspeicherung, Mietpreisbremse ausgebremst, Rockveranstalter vor Gericht, Verhandlungsbeginn im Stuttgart-21-Verfahren, neue Arbeit für Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und modische Innovation für Fachanwälte.

Thema des Tages

Journalisten verurteilt: Nach einem weltweit verfolgten Prozess hat ein ägyptisches Gericht drei für den Fernsehsender Al Jazeera tätige Journalisten wegen "Verbreitung falscher Informationen und Unterstützung der verbotenen Muslimbrüderschaft" zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Das gleiche Urteil ereilte Berufskollegen, gegen die in Abwesenheit verhandelt wurde.

Die Berichte von SZ (Sonja Zekri), FAZ (Markus Bickel) und taz (Karim El-Gawhary) sind sich einig darüber, dass es der Anklage nicht gelungen sei, überzeugende Beweise für subversive Tätigkeiten der nach dem Ort ihrer Festnahme "Marriott-Zelle" benannten Gruppe von Reportern nachgewiesen zu haben. Stattdessen sei das Urteil als Warnung vor unabhängigem Journalismus und gleichzeitig als Retourkutsche gegen die katarische Herrscherfamilie als Hauptgeldgeber des Fernsehsenders zu verstehen. Katar hatte die gestürzte Muslimbrüderschaft unterstützt.

Der Bericht von spiegel.de (Ulrike Putz) äußert die Vermutung, dass zumindest der australische Verurteilte durch den Druck seiner Regierung in absehbarer Zeit freikommen könnte.

Thomas Avenarius (SZ) kommentiert, dass es schwerfalle, "Ägyptens Justiz nach diesem Urteil noch als unabhängig zu bezeichnen". Das Urteil sei aber mehr als skandalös, es bringe vielmehr "den Umgang des neuen Ägyptens mit der Pressefreiheit" zum Ausdruck. Dem Ausland signalisiere die Entscheidung eine Gleichgültigkeit darüber, "wie die Außenwelt auf einen so groben Verstoß gegen die nationale und internationale Rechtskultur reagiert". Dieser Verfall betreffe nicht nur Journalisten. Seit dem Sturz Mursis habe das neue Regime bis zu 40.000 Häftlinge unter zum Teil hanebüchenen Vorwürfen produziert. Ohne die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit könnten diese sich nicht mehr auf eine unabhängige Justiz verlassen, in Ägypten sei diese "nicht unparteiisch, sondern auf erschreckende Weise politisiert".

Rechtspolitik

Bloßstellende Fotos: Der von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) im Zuge des Edathy-Skandals vorgestellter Gesetzentwurf sieht neben der Verschärfung von Strafbestimmungen zur Kinderpornographie auch die Strafbarkeit der Herstellung, Verbreitung und Veröffentlichung solcher Bilder vor, die ohne Kenntnis der – auch erwachsenen - Betroffenen angefertigt wurden und diese bloßstellend abbilden. Rechtsanwalt Niklas Haberkamm befasst sich für lto.de mit diesem Aspekt des Entwurfes und stellt neben der verwendeten Begrifflichkeit vor allem das Regelungsbedürfnis in Frage. Bereits jetzt verbiete § 201a StGB die unbefugte Anfertigung von Bildern im höchstpersönlichen Lebensbereich des jeweils Betroffenen. Gegen die Veröffentlichung schützten zudem Bestimmungen des Kunsturhebergesetzes.

Freihandelsabkommen: Netzpolitik.org (Matthias Monroy) berichtet über ein für diese Woche terminiertes Treffen europäischer und US-amerikanischer Justiz- und Innenminister in Athen. Es sei damit zu rechnen, dass unter Beteiligung u.a. der EU-Justiz-Kommissarin Viviane Reding und des US-amerikanischen Generalbundesanwalts Eric Holder über das transatlantische Freihandelsabkommen, nicht jedoch über die Auswirkungen der NSA-Affäre verhandelt werde. Der Beitrag stellt zudem weitere Kooperationen zwischen EU und USA vor.

Helene Bubrowski (FAZ) hält das Handelsabkommen "nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht" für wichtig. Es könne eine "Rückbesinnung auf gemeinsame Werte und gemeinsame Interessen" dies- und jenseits des Atlantiks bewirken und Diskussionen über Unterschiede befördern. Eine an den Fakten und auch den Interessen von Verbrauchern vorbeigehende Generalkritik an der Freihandelsvereinbarung sei demgegenüber als "Zeichen eines erstarkten Antiamerikanismus" zu werten.

Regierungsvorhaben und WM: Die taz (Ulrich Schulte) untersucht die These, die Regierungskoalition nutze die allgemeine Fußballbegeisterung während der Weltmeisterschaft dazu, unpopuläre Maßnahmen unbemerkt zu beschließen. Anhand mehrerer Beispiele kommt der Beitrag zu der Erkenntnis, diese Annahme sei "Unfug".

Vorratsdatenspeicherung: Der juristische Dienst des EU-Rates geht davon aus, dass eine "allgemeine, voraussetzungslose" Datenspeicherung nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom April nicht mehr möglich ist, schreibt fr-online.de (Mira Gajevic) unter Berufung auf Informationen des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.

Datenschützer: Jan Heidtmann (SZ) stellt in Abrede, dass sich ausgerechnet Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU) als "oberster Datenschützer" eignet. Der Minister sei zwar "recht überzeugend" in seinen Rollen als Geheimdienst-, Spionageabwehr- und Polizeiminister, als Datenschutzminister habe er bislang jedoch nur bewiesen, dass ihm die Rechte der Bürger weniger wichtig seien als ein gutes Verhältnis zu den USA. Dagegen wäre ein "überzeugender Gesetzentwurf" zum Datenschutz wichtig, um endlich "Normalität nach Snowden herzustellen".

E-Zigaretten: Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) plant ebenso wie Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU), die Abgabe sogenannter elektronischer Zigaretten an Kinder und Jugendliche zu verbieten. Hierfür solle das Jugendschutzgesetz ergänzt werden, berichtet die SZ (C. von Bullion/C. Schrader). Matthias Drobinski (SZ) fragt, ob angesichts der von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ausgemachten "möglichen Gesundheitsgefahren" des elektronischen Rauchs ein Verbot die adäquate Antwort ist.

Rente: Dass bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung einer Rente mit 63 den Versicherungsträgern zahlreiche Anträge vorliegen, ist für Heike Göbel (FAZ) ein "weiterer Beleg für die Fähigkeiten der Bürger, für sich das Beste aus dem Sozialstaatsangebot herauszuholen". Die geplante Neuregelung beweise, dass Deutschland "beim Ausbau der sozialen Sicherung" zunehmend jene begünstige, die es eigentlich nicht nötig hätten.

Mietpreisbremse: Die von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) angestoßene, gesetzliche Mietpreisbremse stößt nach einem Bericht der FAZ (Joachim Jahn) nun auch in der Regierungskoalition auf Widerstand und dürfte kaum vor Sommer kommenden Jahres in Kraft treten. Während ein zitierter CDU-Abgeordneter eine zeitliche Befristung der Neuregelung und die Verknüpfung mit einem qualifizierten Mietspiegel fordere, habe auch das SPD-geführte Justizministerium Nordrhein-Westfalens einen Bericht zusammengestellt, der "vielfache Bedenken", etwa von Präsidenten mehrerer Oberlandesgerichte zusammenfasse. Nach diesen sei die Verfassungsmäßigkeit des Vorhabens wegen eines Eingriffs in das Eigentumsrecht von Immobilieneigentümern zweifelhaft.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 24. Juni 2014: Ägypten verurteilt Journalisten - Wem gehört Rock am Ring? - Nachspiel zu Stuttgart 21 . In: Legal Tribune Online, 24.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12320/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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