Verbot bloßstellender Bilder: Internet macht kein neues Straf­recht nötig

Im Bemühen, die Behörden in ihrem Kampf gegen Kinderpornographie zu stärken, hat Bundesjustizminister Maas eine Verschärfung des Strafrechts vorgeschlagen, mit der auch Erwachsene vor "bloßstellenden" Fotos geschützt werden sollen. In der Diskussion wird vergessen, dass die aktuellen Gesetze bereits einen ausreichenden Schutz gewähren, erklärt Niklas Haberkamm.

Bundesjustizminister Heiko Maas musste handeln. Der Fall Edathy hatte zu einer öffentlichen Diskussion über die Strafbarkeit der Herstellung und des Handels mit Fotos und Videos nackter Kinder und Jugendlicher geführt. Mit dem Referentenentwurf, der sich aktuelle in der Ressortabstimmung der Bundesregierung befindet, schlägt das Ministerium eine gesetzliche Klarstellung zu sogenannten Posing-Bildern vor, also Aufnahmen von nackten Kindern in einer unnatürlich geschlechtsbetonten Pose. Bislang ist die rechtliche Einordnung solcher Bilder zum Teil schwierig – im Gegensatz zu Aufnahmen, auf denen eindeutige sexuelle Übergriffe an Kindern zu sehen sind. Maas will die Unklarheit im Gesetz beseitigen und Herstellung, Verbreitung sowie Besitz von "Posing-Bildern" klar unter Strafe stellen.

Daneben sollen aber auch Erwachsene besser geschützt werden: Der Justizminister wählte einen umfassenderen Ansatz: Künftig soll die Herstellung, Verbreitung sowie die Veröffentlichung sämtlicher Bilder strafbar sein, die ohne Kenntnis des Betroffenen geschossen wurden und ihn "bloßstellend" abbilden.

Maas will damit eine Problematik einfangen, die durch das Internet Brisanz erlangt hat. Heute hat jeder mit seinem Smartphone eine Kamera jederzeit griffbereit in der Tasche. Das führt dazu, dass immer häufiger Fotos und Filme von Betrunkenen oder von Unfallopfern gemacht und ins Internet gestellt werden. Das beeinträchtigt die Abgebildeten massiv in ihrem Persönlichkeitsrecht. In sozialen Netzwerken verbreiten sich die Bilder rasant. Was im Mittelalter der Pranger auf dem Marktplatz war, ist heute das Internet. Während man im Mittelalter anschließend zumindest noch die Stadt verlassen  konnte, um das Geschehene hinter sich zu lassen und neu anzufangen, ist dies im Zeitalter des Internets kaum noch möglich. Denn das Internet vergisst nicht und ist omnipräsent.

Was ist "bloßstellend"? Wertentscheidung wird den Gerichten übertragen

Trotzdem ist der Referentenentwurf nicht unumstritten. Ein Problem ist bereits der populäre, aber wenig klare Begriff des "bloßstellenden" Fotos. Was eine Person als bloßstellend empfindet, ist eine subjektive und moralisch verankerte Wahrnehmungsfrage. Wie jeden unbestimmten Rechtsbegriff werden die Gerichte die gesetzliche Vorgabe präzisieren und mit Leben füllen müssen. Die Kritik des Deutschen Richterbundes hat dementsprechend nicht lange auf sich warten lassen. Die Vize-Vorsitzende Andrea Titz erklärte, es sei immer problematisch, wenn Rechtsbegriffe moralische Werturteile voraussetzen. Der Gesetzgeber sollte diese Wertentscheidungen nicht den Gerichten überlassen, so ihre Kritik.

Auch der Deutsche Journalistenverband sieht den Referentenentwurf kritisch. Er befürchtet eine übertriebene Kriminalisierung von Fotojournalisten, weil bereits das Anfertigen entsprechender Fotos künftig strafbar sein soll. Reine Spekulation bleibt aber, dass der Justizminister nicht nur den Kampf gegen bloßstellende Fotos im Kopf hat, sondern durch die Hintertür auch die Effektivität von Polizeieinsätzen verstärken will – als bloßstellend könnten nämlich auch Polizisten Fotos und Videos empfinden, die Journalisten während eines Einsatzes der Ordnungshüter machen.

Eine Gruppe von Strafrechtlern, Kriminologen und Psychiatern kritisierte den Gesetzentwurf als eine punktuelle, unsystematische und risikoreiche Ad-Hoc-Reaktion auf den Fall Edathy.

Rechtlich kaum Neues

Auch rechtlich präsentiert Maas nicht viel Neues. Vergessen wird in der Diskussion, dass Betrunkene, Unbekleidete oder Unfallopfer bereits heute keinesfalls schutzlos sind. Nach § 201a Strafgesetzbuch (StGB) ist es strafbar, unbefugt Bilder zu machen von Personen, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblicke besonders geschützten Raum – beispielsweise einer Umkleidekabine – befinden, wenn dadurch deren höchstpersönlicher Lebensbereich verletzt wird. Diese Strafrechtsnorm erfasst also bereits sämtliche Sachverhalte, soweit sich die abgebildete Person in einer geschützten Umgebung und damit nicht in der Öffentlichkeit befindet.

Daneben gewährt das Recht am eigenen Bild Schutz über diesen örtlich eingeschränkten Bereich hinaus. Die §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG) schützen jede Person davor, dass unbefugt Fotos von ihr verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Danach kann grundsätzlich jeder selbst entscheiden, welche Fotos von ihm oder ihr angefertigt und veröffentlicht werden, soweit nicht eine der Ausnahmen nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 KUG greift – etwa für Personen der Zeitgeschichte.

Bereits seit 1905 enthält das KUG zudem eine Strafnorm für solche Aufnahmen, die nicht unter den Straftatbestand des § 201a StGB fallen. Nach dem nicht sehr bekannten § 33 KUG wird derjenige, der entgegen den §§ 22, 23 KUG ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bestraft. Allerdings wird die Tat nur auf Antrag verfolgt.

Der Regelungsgehalt des Referentenentwurfs erscheint vor diesem Hintergrund unklar. Lediglich das Anfertigen von Fotos außerhalb von Wohnungen oder sonstigen gegen Einblicke besonders geschützten Räumen würde dadurch erstmals verboten. Zumindest zivilrechtlich konnten sich Betroffene dagegen aber auch bisher schon wehren, in dem sie sich auf das vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG entwickelte allgemeine Persönlichkeitsrecht beriefen. Und das wirklich problematische Veröffentlichen bloßstellender Bilder ist wie aufgezeigt bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts und damit weit vor dem ersten Gedanken ans Internet strafrechtlich sanktioniert.

Der Autor Niklas Haberkamm, LL.M. oec. ist Partner der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum in Köln. Er ist spezialisiert auf Medienrecht und dort insbesondere auf das Reputationsmanagement sowie den Schutz des Persönlichkeitsrechts.

Zitiervorschlag

Niklas Haberkamm, Verbot bloßstellender Bilder: Internet macht kein neues Strafrecht nötig . In: Legal Tribune Online, 23.06.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12314/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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