Die juristische Presseschau vom 22. November 2017: Urteil gegen Mladić / Nie­der­lage mit Erfolg vor dem BVerfG / Keine Sperr­klausel in NRW

22.11.2017

Justiz

EuGH – Auslieferung: Nach Einschätzung des Generalanwalts Yves Bot ist die Auslieferung von Unionsbürgern aus Deutschland in die USA rechtens. Denn würden die Verletzungen des Diskriminierungsverbots und der Freizügigkeit durch die ansonsten drohende Straflosigkeit Betroffener gerechtfertigt. Über das beim Europäischen Gerichtshof anhängige Verfahren schreibt lto.de (Tanja Podolski).

EuGH  "Fack Ju Göhte": Auch die Welt (Hannelore Crolly) berichtet nun über den beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Streit über die Eintragungsfähigkeit der Wortmarke "Fack Ju Göhte".

BVerfG zu Kita-Gesetz S-A: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Übertragung der Zuständigkeit für die Kita-Planung von den Kommunen auf Landkreise und kreisfreie Städte in Sachsen-Anhalt mit dem Grundgesetz vereinbar ist. In der Niederlage der Klägerinnen stecke allerdings "ein messbarer Erfolg für die Kommunen", so die SZ (Wolfgang Janisch). Denn sei ihnen nunmehr ein direktes Klagerecht in Karlsruhe eingeräumt worden. Auch im Übrigen habe sich das Gericht als "starker Freund" der Gemeinden erwiesen. In der Urteilsverkündung sei es als "Substanz der praktizierten Demokratie" bezeichnet worden, dass der Staat den Kommunen die zur Erfüllung ihrer Pflichten erforderlichen Mittel zur Verfügung stelle.

Diese Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch das Gericht beschreibt auch der Kommentar von Reinhard Müller (FAZ). Deutschland wurzele "in der örtlichen Gemeinschaft, die ihre Angelegenheiten selbst regelt". Hierfür bräuchten die Kommunen "Mittel, keine Bevormundung".

BGH zu Urlaubsmängeln: Mängel bei einer gebuchten Hotelunterkunft sind auch dann schadensersatzpflichtig, wenn sie nur einen kleinen Teil des Gesamturlaubs betreffen. In einem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatten mehrere Mängel in den ersten Tagen eines Urlaubs bestanden, erst dann konnte die betroffene Familie in ein mangelfreies Zimmer umziehen, berichtet die FAZ (Hendrik Wieduwilt). Der Bericht von bild.de erklärt auch, wie Verbraucher bei mangelhaften Urlaubsleistungen ihre Rechte durchsetzen können.

BGH zu Unfall auf Fluggastbrücke: Das Ausrutschen auf einer feuchten Fluggastbrücke kann Schadensersatzansprüche gegen die Fluggesellschaft begründen. Denn bezwecke die einschlägige EU-Verordnung den Schutz von Reisegästen im Flugverkehr, wozu auch das Ein- und Aussteigen in Flugzeuge gehöre. Dies entschied nach Meldung der FAZ (Hendrik Wieduwilt) der Bundesgerichtshof.

BAG – Leiharbeitnehmer: Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Verfahren zur Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Massenentlassungsanzeige dem Europäischen Gerichtshofs mehrere Fragen zur Anwendung einiger Bestimmungen der Massenentlassungsrichtlinie vorgelegt. Dies meldet community.beck (Markus Stoffels).

VerfGH NRW zu Sperrklausel: Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hat die erst im letzten Jahr durch eine Verfassungsänderung eingeführte Sperrklausel bei Kommunalwahlen als grundgesetzwidrig aufgehoben. In der mündlichen Verhandlung sei kein einziges konkretes Beispiel für eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit lokaler Vertretungen durch zu viele Parteien und Gruppen genannt worden, schreibt die SZ (Christian Wernicke). Lediglich abstrakte Gefahren rechtfertigten aber nicht den hier vorliegenden Verstoß gegen die Wahlgleichheit. lto.de (Tanja Podolski) interviewt den am Verfahren beteiligten Rechtsanwalt Robert Hotstegs zu Inhalt und Hintergrund von Klage und Entscheidung und deren möglichen Verarbeitung in juristischen Klausuren und Hausarbeiten. Sperrklauseln in Flächenstaaten dürften "nun vom Tisch sein", so das Fazit des Anwalt.

OVG S-H – Aldi Nord: Ab dem morgigen Donnerstag wird vor dem Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht der familiäre Streit zweier Familienzweige des Aldi Nord Konzerns ausgetragen. Anlass bietet eine beantragte Satzungsänderung in einer der von Unternehmensgründer Theo Albrecht eingerichteten Stiftung. spiegel.de (Alexander Preker) berichtet ausführlich.

OLG München – NSU: Das Verfahren gegen Beate Zschäpe und andere vor dem Oberlandesgericht München wurde mit den Plädoyers der Nebenkläger fortgesetzt. Einzelheiten berichten FAZ (Karin Truscheit) und taz (Konrad Litschko).

LG Mannheim zu Zinswetten: Das Landgericht Mannheim hat die frühere Pforzheimer Oberbürgermeisterin Christel Augenstein (FDP) wegen Untreue zu einer auf Bewährung ausgesetzten Haftstrafe verurteilt. Durch die von ihr und der ebenfalls verurteilten Kämmerin initiierten Zinswetten auf Kosten der Stadt habe sie einen massiven Pflichtverstoß begangen, schreibt die FAZ (Marcus Jung) über die Urteilsverkündung. Die taz (Christian Rath) geht auch auf die fraglichen Geschäfte selbst und deren Entdeckung ein. Nach dem separaten Kommentar von Marcus Jung (FAZ) ist das Urteil "eine Mahnung für alle Stadtspitzen, die ihren Haushalt mit komplexen Finanzgeschäften zu frisieren versuchen".

VG Köln – Braunkohleabbau: Der Bund für Umwelt und Naturschutz klagt vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen Genehmigungen zum Braunkohleabbau unter einem als Hambacher Forst bekannten Waldstück. Richterliche Vergleichsangebote zu alternativen Abbauorten habe der beklagte RWE-Konzern abgelehnt, so die SZ (Benedikt Müller). Das Urteil werde am kommenden Freitag erwartet.

AG Gießen – Schwangerschaftsabbruch: Aus Anlass der am kommenden Freitag am Amtsgericht Gießen stattfindenden Strafverhandlung gegen eine Ärztin wegen verbotener Werbung für Schwangerschaftsabbrüche stellt Rechtsprofessorin Ulrike Lembke auf lto.de Inhalt und Geschichte des sogenannten Werbeverbots sowie die verfassungsgerichtlichen Leitentscheidungen zum Schwangerschaftsabbruch dar. Deren "Absolutheit" führe zu Wertungswidersprüchen gegenüber den §§ 218ff. Strafgesetzbuch, die es verdienten, im jetzigen Strafverfahren thematisiert zu werden.

AG Hamburg – G20-Ausschreitungen: Die "bisher höchste Strafe" wegen der Beteiligung an den G20-Ausschreitung in Hamburg ist nun gegen einen 28-Jährigen verhängt worden. Der geständige und vorbestrafte Mann wurde zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt, meldet focus.de.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 22. November 2017: Urteil gegen Mladić / Niederlage mit Erfolg vor dem BVerfG / Keine Sperrklausel in NRW . In: Legal Tribune Online, 22.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25639/ (abgerufen am: 27.04.2024 )

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