Die juristische Presseschau vom 27. Juni 2017: Asyl­rechts­kon­f­likt pola­ri­siert / Abschluss NSU-Ver­fahren / US-Ein­rei­se­verbot bestä­tigt

27.06.2018

Die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung Asylsuchender an der Grenze bleibt umstritten. Außerdem in der Presseschau: Im NSU-Prozess endet die Beweisaufnahme und der Oberste Gerichtshof der USA bestätigt Einreiseverbot.

Thema des Tages

Asylrechtsdebatte: In der anhaltenden Diskussion über die Rechtmäßigkeit von Zurückweisungen an der Grenze nimmt Rechtsanwalt Christoph Tometten auf verfassungsblog.de eine rechtliche Systematisierung vor, indem er die aktuelle Situation in Deutschland mit den Zurückweisungen an der italienisch-französischen Grenze vergleicht. Zu deren Rechtmäßigkeit verfasste die französische Menschenrechtskommission eine Stellungnahme, welche der Autor darstellt und ihre Aussagen auf die deutsche Situation überträgt.

Auch FAZ-Einspruch (Sylvia Kaufhold) stellt die rechtlichen Rahmenbedingungen des aktuellen Asylrechtskonflikts dar, um einen "Wegweiser durchs Dickicht" rechtlicher Verunsicherung bei der Frage zu bieten, unter welchen Umständen Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. Christian Rath (taz.de) analysiert die "strategischen Fehler" Angela Merkels und vertritt die Auffassung, Merkel hätte Bundesinnenminister Seehofer stärker auf die rechtlichen Grenzen seines Vorhabens und seine eigenen Handlungsspielräume verweisen müssen.

In einem Gastbeitrag für FAZ-Einspruch stellt der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof die aktuelle Debatte in den Kontext der großen Herausforderungen für die Europäische Union, die er neben den Fluchtbewegungen vor allem in der Schwächung der Verfassungsgerichte und dem innerunionalen Finanzausgleich sieht.

Rechtspolitik

Mindestlohn:  Den Vorschlag der Mindestlohnkommission zur stufenweise Anhebung des Mindestlohns auf 9,35 € ab 2020 nimmt Dorothea Siems (Welt) zum Anlass, auf das gravierende Umsetzungsdefizit der bisherigen Mindestlohnregelung aufmerksam zu machen.

Weltraumrecht: Der Bundesverband der Deutschen Industrie fordert von der Bundesregierung entsprechend der Ankündigung im Koalitionsvertrag alsbald ein Weltraum-Bergbau-Gesetz zu erlassen. Hierdurch solle die bestehende Rechtsunsicherheit beendet und Rohstoffgewinnung im All attraktiver werden, wie spiegel.de berichtet.

§ 219a StGB: Anlässlich der heute im Bundestag stattfindenden Expertenanhörung zur Reform von § 219a Strafgesetzbuch zur Strafbarkeit der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche stellt die FAZ (Heike Schmoll) verschiedene Positionen zu der Gesetzesreform dar.

Transparenzregister: Sechs Monate nach Start des deutschen Transparenzregisters zieht lto.de Bilanz und bewertet die Funktionsfähigkeit dieses Werkzeugs zur Eindämmung von Geldwäsche.

Parteienfinanzierung: Für FAZ-Einspruch untersucht der Wissenschaftliche Mitarbeiter Alexander Hobusch die Reform der Parteienfinanzierung und kritisiert die Abwendung von den durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen. Er lenkt den Blick zudem auf die Finanzierung von Abgeordneten, Fraktionen und politischen Stiftungen, die in dieser Debatte bislang wenig Beachtung fänden.

Ankerzentren außerhalb Europas: In einem Beitrag für FAZ-Einspruch spricht sich der Rechtsprofessor Christian Tomuschat gegen den Ausbau von EU-Ankerzentren in Nordafrika aus. Er bezweifelt dabei insbesondere die Möglichkeit, die Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden in akzeptable rechtsstaatliche Formen zu bringen. 

Justiz

BVerfG zu überlanger U-Haft: In einem gestern veröffentlichten Beschluss gibt das Bundesverfassungsgericht der Verfassungsbeschwerde eines Mannes statt, der seit über anderthalb Jahren in Untersuchungshaft sitzt. Die Überlastung der Gerichte falle in den Verantwortungsbereich des Staates und könne nur in Ausnahmefällen eine mehr als drei Monate andauernde Untersuchungshaft begründen, wie lto.de und die FAZ (Marlene Grunert) melden.

BVerfG – Wählbarkeit der CDU in Bayern: Mit einem Eilantrag wenden sich nach Informationen von lto.de zwei Anwälte an das Bundesverfassungsgericht um den Bundestag zeitnah zu verpflichten, über ihren Antrag auf Wahlprüfung zu entscheiden. Nach ihrer Auffassung werden sie durch die Absprache der beiden Parteien, wonach die CSU nur in  Bayern und die CDU umgekehrt nur im restlichen Bundesgebiet wählbar ist, in ihrem Wahlrecht verletzt. Die Eilbedürftigkeit begründen die Antragsteller mit der Unsicherheit darüber, ob die aktuelle Legislaturperiode tatsächlich vier Jahre andauern wird.

OLG München – NSU: Nach dem Schluss der Beweisaufnahme im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München hat Richter Manfred Götzl für nächsten Dienstag die letzten Worte der Angeklagten Beate Zschäpe angesetzt. Diese hat bereits angekündigt sich äußern zu wollen, ebenso wie drei der vier weiteren Angeklagten. Danach muss nach § 268 StPO das Urteil innerhalb von elf Tagen ergehen, wie SZ (Annette Ramelsberger und Wiebke Ramm) und Tsp (Frank Jansen) berichten. 

Mit dem zentralen Vorwurf der schweren Brandstiftung befasst sich zeit.de (Tom Sundermann). Von neuen Hinweisen zu dem bislang nicht aufgeklärten Anschlag in einer Bar in Nürnberg 1999 weiß die taz (Isabella Greif).

BAG zu Tariffähigkeit des DHV: Das Bundesarbeitsgericht hat ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg aufgehoben, in dem dieses dem "Deutschen Handlungsgehilfen-Verband" die Tariffähigkeit zugesprochen hatte, ohne vorher dessen Mitgliederzahl genau zu ermitteln. Es berichtet die SZ (Detlef Esslinger).

EuGH zu Renteneintrittsalter von Transmenschen: Auf eine Vorlage des Obersten Gerichtshofs Großbritanniens hin entschied der Europäische Gerichtshof, dass das Renteneintrittsalter von Transpersonen nicht anders berechnet werden darf als das von Personen, die mit dem betreffenden Geschlecht geboren wurden. Über den Verfahrensgang berichten lto.de und BerlZ.

VG Gießen zu Waffenbesitz durch Reichsbürger: Im Rahmen eines Eilrechtsschutzverfahrens bestätigte das Verwaltungsgericht Gießen die Ansicht einer Waffenbehörde, wonach der Nachweis der Anhängerschaft zur Reichsbürgerbewegung ausreicht, um von waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit auszugehen, wie zeit.de berichtet.  

AG Magdeburg zu Eigentumsbeeinträchtigung: Nach einem Urteil des Amtsgerichts Magdeburg kann das Ablegen von Stapeln von Anzeigenblättern vor Haustüren eine Eigentumsbeeinträchtigung darstellen, vermeldet lawblog.de (Udo Vetter).  

IS - Strafverfahren: Georg Mascolo und Ronen Steinke (SZ) stellen die Schwierigkeiten bei der strafrechtlichen Verfolgung von IS-Kämpfern dar. Ronen Steinke (SZ) untersucht zudem, warum die Strafrahmen bei den wenigen erfolgten Verurteilungen in der Regel hinter denen in anderen europäischen Ländern zurück bleiben.

OLG Schleswig - Puigdemont: Constantin van Lijnden spricht sich in der FAZ für eine Auslieferung des katalanischen Regionalpräsidenten nach Spanien aus. Das Oberlandesgericht Schleswig stütze seine Ablehnung der Auslieferung primär darauf, dass Puigdemont nach deutschem Recht nicht strafbar sei. Dieses enge Verständnis des Gebots der Doppelstrafbarkeit sei jedoch nicht zwingend. Solange keine Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit Spaniens bestünden solle sich die deutsche Justiz mit Gesten "moralischer Schulmeisterei" zurückhalten.

Medieneinfluss auf Rechtsprechung:  Mit der aktuellen Studie zum Einfluss der Medien auf Strafverfahren setzen sich nun auch die FAZ (Constantin van Lijnden) und lto.de (Markus Sehl) auseinander.

Recht in der Welt

USA – Einreiseverbot bestätigt: Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat die aktuelle Version des durch die Trump-Regierung erlassenen Einreiseverbots für Staatsangehörige mehrerer mehrheitlich muslimischer Länder für rechtmäßig erklärt. Die fünf konservativen Richter überstimmten dabei die vier liberalen Richter, die in dem Einreiseverbot eine rechtswidrige religiöse Ungleichbehandlung sehen, wie die SZ (Christian Zaschke), lto.de und FAZ berichten. 

Spanien – Kindesraub während Franco-Diktatur: In Madrid steht seit gestern ein Arzt vor Gericht, der sich in 30.000 Fällen an staatlich durchgeführtem Kindesraub beteiligt haben soll. Betroffen waren ledige Frauen und Angehörige des linken politischen Milieus, denen gesagt worden war, ihr Kind sei tot zur Welt gekommen. Bisherige Versuche strafrechtlicher Aufarbeitung waren nicht erfolgreich. Es berichten taz (Reiner Wandler) und SZ (Thomas Urban).

El Salvador – Schwangerschaftsabbruch: Wie spiegel.de meldet, wurde gestern eine Frau nach 18 Jahren aus der Haft entlassen, die nach einer Totgeburt als Mörderin verurteilt worden war. Trotz einzelner Haftentlassungen in den letzten Jahren hat El Salvador auch weiterhin eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze weltweit. 

Sonstiges

beA: Laut Informationen von lto.de (Pia Lorenz) verschickt die Bundesnotarkammer (BNotK) derzeit Rechnungen für einen Leistungszeitraum, in dem das Postfach nicht verwendbar war. 

Das Letzte zum Schluss

Kein Rattenfänger für Hameln: Das niedersächsische Verkehrsministerium hat der Stadt Hameln die Errichtung individualisierter Rattenfänger-Verkehrsampeln versagt. Gesetzlich seien bundesweit einheitliche Verkehrszeichen vorgesehen. Die Stadtverwaltung reagierte enttäuscht, schließlich habe auch Trier einen Karl-Marx Kopf und Mainz seine Mainzelmännchen auf den Ampeln. Eine Arbeitsgruppe soll jetzt neue Strategien ersinnen, berichtet die SZ (Thomas Hahn). 

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.  

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/asp

(Hinweis für Journalisten)

Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.

Sie können die tägliche lto-Presseschau im Volltext auch kostenlos als Newsletter abonnieren.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 27. Juni 2017: Asylrechtskonflikt polarisiert / Abschluss NSU-Verfahren / US-Einreiseverbot bestätigt . In: Legal Tribune Online, 27.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29397/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen