Die juristische Presseschau 4. bis 6. März 2017: Wahl­kampf­auf­tritte tür­ki­scher Poli­tiker / Beam­ten­sold für Wendt / Anspruch auf Ster­be­hilfe?

06.03.2017

Justiz

BGH zu Wechselmodell: In der vergangenen Woche entschied der Bundesgerichtshof, dass das paritätische Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden dürfe. Über die Folgen des Urteils schreibt die FAS (Daniela Gassmann).

BVerwG zu Selbsttötung: Schwer und unheilbar kranke Patienten könne in "extremen Ausnahmefällen" der Zugang zu der tödlichen Substanz Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung nicht staatlicherseits verwehrt werden, entschied am vergangenen Donnerstag des Bundesverwaltungsgericht und argumentierte mit dem Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen. Die Hintergründe des Urteils beleuchtet nun auch die Montags-FAZ (Helene Bubrowski) und erklärt, warum es sich um ein Grundsatzurteil handele. Die Samstags-FAZ (Christian Geyer) wirft die Frage auf, ob sich mit Berufung auf das Bundesverwaltungsgericht ein Rechtsanspruch auf Hilfe zur Selbsttötung erheben ließe. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sehe sich dann in der Bredouille, nach einer Einzelfallprüfung Suizidhilfe zu leisten und damit den Tatbestand der Geschäftsmäßigkeit des 2015 neu eingeführten § 217 Strafgesetzbuch zu erfüllen. Die Samstags-taz (Christian Rath) fasst die kritischen Reaktionen auf das Urteil zusammen.

Christian Rath (taz.de) bezeichnet die Entscheidung als "Dammbruch für die Geltung der Menschenrechte" für unheilbar Kranke, deren Autonomie gerade an ihrem Lebensende gewahrt werden müsse. Das Leipziger Urteil könnte und sollte, so Rath, ein Vorbild für das Bundesverfassungsgericht sein, das derzeit die 2015 eingeführte Strafvorschrift gegen "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" prüft. Auch Christina Berndt (Samstags-SZ) begrüßt das Urteil, der "paternalistische Schutz der unheilbar Kranken" habe sich in Schutzlosigkeit verkehrt. Der Staat verkenne, dass besondere Situationen, besonderer Maßnahmen bedürften. Daniel Deckers (Samstags-FAZ) hingegen spricht von einem Urteil, das "dem Inhalt nach unwürdig ist und an der Umsicht der Urteilenden zweifeln lässt", da es die Möglichkeiten der Palliativmedizin verkenne.

OVG Niedersachsen zu Tierschutz: Wie lto.de meldet, können Städte und Gemeinden Zirkussen nicht aus Tierschutzgründen Aufführungen mit wilden Tieren untersagen, wenn sie sich dabei nur auf eine entsprechende Satzung stützen. Das entschied das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht im einstweiligen Rechtsschutz. Das von der Stadt Hameln ausgesprochene Verbot gegenüber einem Zirkus greife in unzulässiger Weise in die freie Berufsausübung des Zirkusunternehmens ein. Über ein Verbot wildlebender Tiere in Zirkussen könne nur der Bundesgesetzgeber entscheiden.

SG Berlin zu neuem TV-Standard: Nach einer Meldung von lto.de entschied das Sozialgericht Berlin im Eilverfahren, dass Sozialleistungsempfänger die kommende Umstellung des bisherigen Antennen-Fernsehens DVB-T zu DVB-T2 HD aus den Regelleistungen finanzieren müssen. Das Gericht sah in einem Fernseh- kein Haushaltsgerät und keinen Einrichtungsgegenstand im Sinne von § 31 Sozialgesetzbuch XII. Zusätzliche Leistungen könnten nur zur Befriedigung grundlegender Bedürfnisse erbracht werden, wozu ein Fernseher nicht gehöre.

SG Düsseldorf zu Rente von Bundestagsabgeordneten: Wie das Sozialgericht Düsseldorf entschied, kann die Rente eines Bundestagsabgeordneten auf Grund der Abgeordnetenentschädigung auf 20 Prozent gekürzt werden. Damit scheiterte die Klage eines 68-jährigen Abgeordneten gegen die Deutsche Rentenversicherung. Zwar liege ein Eingriff in die grundrechtlich geschützte Eigentumsgarantie vor. Dieser sei aber gerechtfertigt, da eine Doppelalimentation aus öffentlichen Mitteln entgegengewirkt werden solle, wie lto.de meldet.

BVerfG – Afghanistan-Abschiebungen: Vor dem Bundesverfassungsgericht sind vier Verfassungsbeschwerden abgelehnter Asylbewerber anhängig. Karlsruhe muss nun über die Verfassungsmäßigkeit der Abschiebungen nach Afghanistan entscheiden, schreibt lto.de.

OLG Dresden – "Gruppe Freital": Am Dienstag beginnt vor dem Oberlandesgericht Dresden der Prozess gegen die "Gruppe Freital". Den acht Angeklagten werden die Bildung einer terroristischen Vereinigung, versuchter Mord und weitere Delikte vorgeworfen. Sie sollen zwei Sprengsätze vor zwei Flüchtlingsunterkünften gezündet und einen Anschlag auf ein linkes Wohnprojekt verübt haben. Mit dem Verfahren wurden erstmals mutmaßliche Angreifer von Flüchtlingsunterkünften unter dem Vorwurf des Terrorismus angeklagt. Für das Verfahren wurde zudem ein Hochsicherheitssaal gebaut. Es berichten die Montags-taz (Konrad Litschko) und spiegel.de (Peter Maxwill).

LG Bonn – "Niklas-Prozess": Im Verfahren um den verstorbenen 17-jährigen Niklas P. wurde die in der Tatnacht anwesende Ex-Freundin des wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagten Walid S. vernommen. Sie sagte aus, Walid S. sei häufiger in Schlägereien verwickelt und sie glaube, er habe mit der Tat "bestimmt etwas zu tun", so die Samstags-FAZ (Michaela Schwinn).

LG Stuttgart – Schlecker: Am heutigen Montag beginnt der Prozess vor der 11. Großen Wirtschaftsstrafkammer beim Landgericht Stuttgart gegen Angehörige der Familie Schlecker. Anton Schlecker, seine Frau und zwei Kinder sowie zwei Wirtschaftsprüfer müssen sich wegen vorsätzlichen Bankrotts in einem besonders schweren Fall, Beihilfe hierzu, Untreue und Insolvenzverschleppung verantworten. In einem ausführlichen Bericht schildert der Spiegel (Janko Tietz) den Fall Schlecker und den Gang der Ermittlungen. Die Montags-SZ (Klaus Ott) kritisiert das harte Vorgehen der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Das Verfahren gegen die Ehefrau Christa Schlecker hätte abgetrennt werden und nach der Verurteilung der anderen Familienmitglieder ohne einen solch langen Prozess erfolgen können. Staatsanwaltschaften würden seit einiger Zeit bei derartigen Wirtschaftsdelikten über das Ziel hinausschießen. Es berichtet auch die Montags-Welt (Carsten Dierig).

Verbraucherzentrale gegen Banken: Die Deutsche Bank, Postbank und die Sparkasse Holstein werden von der Verbraucherzentrale wegen zu hoher Entgelte für Basiskonten verklagt, wie die Samstags-SZ (Matthias Huber) und die Samstags-FAZ (Franz Nestler) schreiben. Laut Gesetz müssen Banken diese Konten für weniger zahlungskräftige Kunden wie Obdachlose, Flüchtlinge und Geringverdiener anbieten. In einem Interview mit der Samstags-taz (Stella Muthorst) erklärt die Juristin Charlotte Buchmüller die Hintergründe der Klagen.

StA Essen – Thyssen-Krupp: Nachdem der israelische Generalstaatsanwalt wegen Korruptionsverdacht im Zusammenhang mit dem Kauf von deutschen U-Booten ermittelt, hat auch die Staatsanwaltschaft Essen Ermittlungen gegen den Konzern Thyssen-Krupp und seine Kieler Werft Marine Systems aufgenommen. Das meldet der Spiegel (Jörg Schmitt).

Rechtsprechung zu Kopftuchverboten: Die Samstags-taz.Berlin (Christian Rath) gibt einen Überblick über die bisherige Rechtsprechung zu Kopftuchverboten. Diese hatte auch Auswirkungen auf die Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Berlin, das in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil einer Grundschullehrerin im vergangenen Februar eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zusprach, weil sie wegen Tragens eines Kopftuches nicht eingestellt wurde. Eine neue Diskussion gebe es über kopftuchtragende Richterinnen, nachdem der baden-württembergische Justizminister Guido Wolf (CDU) ein entsprechendes Verbotsgesetz angekündigt hat.

Asylverfahren: Auf spiegel.de (Julia Jüttner) wird der Kölner Verwaltungsrichter Raphael Murmann-Suchan porträtiert, dessen Kammer für Klagen Asylsuchender aus Pakistan und Syrien zuständig ist.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau 4. bis 6. März 2017: Wahlkampfauftritte türkischer Politiker / Beamtensold für Wendt / Anspruch auf Sterbehilfe? . In: Legal Tribune Online, 06.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22276/ (abgerufen am: 06.05.2024 )

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