Die juristische Presseschau vom 1. September 2016: Anspruch für Schein­väter / Kameras in Gerichten / NSU-Pro­zess geht weiter

01.09.2016

Die Bundesregierung hat einen Auskunftsanspruch für Scheinväter auf den Weg gebracht. Außerdem in der Presseschau: In Gerichten sollen zukünftig Kameras zugelassen werden und im NSU-Prozess ist die Sommerpause vorbei.

Thema des Tages

Scheinväter: Das Kabinett hat ein Gesetz zur Regelung von Unterhaltsregressansprüchen von Scheinvätern auf den Weg gebracht. Danach sollen Scheinväter gegenüber der Mutter einen Anspruch auf Auskunft über Sexualpartner haben. Der Regressanspruch, dessen Geltendmachung dadurch ermöglicht werden soll, soll jedoch gesetzlich auf zwei Jahre beschränkt werden. Bundesjustizminister Heiko Maas begründet das damit, dass ein Scheinvater in den ersten Jahren "typischerweise ein gewöhnliches Familienleben" gelebt habe, dessen vollständige finanzielle Rückabwicklung nicht sinnvoll sei. Die FAZ (Mona Jaeger) und die taz (Christian Rath) erläutern den Gesetzentwurf sowie dessen Vorgeschichte: Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass für einen Auskunftsanspruch eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist.

Heribert Prantl (SZ) kritisiert den Gesetzentwurf als "Werkzeugkasten mit Folterinstrumenten, um die Mutter zu Auskünften über einen früheren Sexualpartner zu zwingen". Statt mit dem Auskunftsanspruch massiv in die Persönlichkeitsrechte der Mutter einzugreifen, solle der Regressanspruch des Scheinvaters ganz abgeschafft werden. Simone Schmollack (taz) gibt zu bedenken, dass die Mütter selbst oft nichts von dem Kuckuckskind wissen. Wenn Mütter – aus welchem Grund auch immer – keine Auskunft erteilen, helfe auch kein Anspruch. Mona Jaeger (FAZ) hält den Auskunftsanspruch für sinnvoll, "nicht nur um Unterhalt für sogenannte Kuckuckskinder zurückzufordern, sondern auch um böse Zweifel zu zerstören", und Dagmar Rosenfeld (Zeit) meint, dass der Gesetzentwurf auch die Position "betrogener Kinder" stärkt.

Die Rechtsanwältin Marieluise Becker-Busche begrüßt im Gespräch mit der SZ (Simon Pötschko) die Reform. Den Regressanspruch sieht sie auch als "eine Art Schmerzensgeld" an. Über das geplante Gesetz und dessen Folgen spricht spiegel.de (Christian Neeb) zudem mit Familienrechtsexpertin Kerstin Aust.

Rechtspolitik

Videoübertragung aus Gerichtssälen: Das Kabinett hat einen Gesetzentwurf beschlossen, nach dem zukünftig wichtige Urteilsverkündungen der obersten Gerichtshöfe des Bundes im Fernsehen übertragen werden dürfen. Außerdem sollen Verfahren mit großem Andrang in einen Arbeitsraum für Journalisten übertragen und Verfahren von zeitgeschichtlicher Bedeutung aufgezeichnet werden. zeit.de und netzpolitik.org (Markus Reuter) fassen die geplante Änderungen zusammen. Die FAZ (Alexander Haneke/Reinhard Müller) lässt Praktiker zu Wort kommen, die die Änderung kritisch sehen. Auch die Präsidenten der obersten Bundesgerichte seien dem Vernehmen nach sehr skeptisch eingestellt.

In einem gesonderten Kommentar gibt Reinhard Müller (FAZ) zu bedenken, dass die Grundrechte der Beteiligten geschützt werden müssten und eine Übertragung den Prozess verändern wird: "Eine Live-Justiz wird in einer Manege mit Showmastern, Clowns und Opfern spielen." Pia Lorenz (lto.de) hält solche Ängste für übertrieben: "Von amerikanischen TV-Schlachten jedenfalls sind die heute eingeläuteten Veränderungen in etwa so weit entfernt wie Karlsruhe von New York."

Ausbildung für Makler: Makler sollen zukünftig Prüfungen ablegen müssen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat die Bundesregierung beschlossen, wie bild.de meldet. Jan Heidtmann (SZ) begrüßt die Änderung, fordert jedoch weitergehend, dass Makler eine mehrjährige Ausbildung abschließen müssen.

BKA-Gesetz: Die Bundesregierung würde bei der Umsetzung der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zum BKA-Gesetz auf Zeit spielen, kritisiert netzpolitik.org (Anna Biselli) unter Berufung auf die Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion.

Erbschaftsteuer: Das Hbl (Donata Riedel) erläutert die Auseinandersetzung um die Erbschaftsteuer. Am 8. September wird sich der Vermittlungsausschuss mit dem Thema befassen.

AfD zu Strafrecht: Manuel Ladiges analysiert auf lto.de die strafrechtlichen Forderungen aus dem Grundsatzprogramm der AfD. Die Partei fordere eine "durchgreifende Alternative zum geltenden Strafrechtssystem", die im Widerspruch zu Grundprinzipien des deutschen Rechts stünde.

Neue Richterin am BVerfG: Die BGH-Richterin Yvonne Ott soll Richterin am Bundesverfassungsgericht werden. Sie soll den Platz von Reinhard Gaier übernehmen, meldet lto.de.

Neuer Präsident des BSG: Rainer Schlegel ist als Präsident des Bundessozialgerichts eingeführt worden. Der Jurist, der auf Vorschlag der Union ernannt wurde, war zwischenzeitlich als Abteilungsleiter im Bundesarbeitsministerium abgeordnet. Der bisherige Präsident Peter Masuch wurde bei dem Festakt, von dem die FAZ (Reinhard Müller) berichtet, verabschiedet.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 1. September 2016: Anspruch für Scheinväter / Kameras in Gerichten / NSU-Prozess geht weiter . In: Legal Tribune Online, 01.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20444/ (abgerufen am: 04.05.2024 )

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