Die juristische Presseschau vom 20. Oktober 2015: Haf­tung für Hass­kom­men­tare - GBA über­nimmt Atten­tats-Ermitt­lungen - Prüf­vor­gang zu DFB-Über­wei­sung

20.10.2015

Kann Facebook für Kommentare seiner Nutzer in Haftung genommen werden? Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt. Außerdem in der Presseschau: GBA zu Reker-Attentat, fragwürdige Überweisung des DFB und Ärger wegen Hautschmuck.

Thema des Tages

StA Hamburg – Facebook: Der angemessene Umgang mit sogenannten Hasskommentaren auf Facebook beschäftigt seit geraumer Zeit die Politik. Nach einer Anzeige des Würzburger Rechtsanwalts Chan-jo Jun wird sich nun auch die Staatsanwaltschaft Hamburg mit dem Thema befassen. Wie zeit.de (Patrick Beuth) schreibt, erstatte der Anwalt Anzeige wegen Beihilfe zur Volksverhetzung gegen drei Manager des Unternehmens. Grund sei ein Missverhältnis zwischen von ihm gemeldeten und schließlich gelöschten Beiträgen gewesen. Die betroffenen Manager würden zwar für die deutsche Facebook GmbH arbeiten. Diese sei nach Ansicht des Anwalts jedoch ein mit der Muttergesellschaft Facebook Inc. verbundenes Unternehmen. Dessen Unternehmenspolitik bestünde darin, "strafbare Inhalte zu billigen und zu verbreiten". Welt (Philipp Vetter/Virginia Kirst), spiegel.de (Fabian Reinbold) und SZ (Simon Hurtz, erweiterte Online-Version) berichten ebenfalls.

In der rechtlichen Einschätzung von Thomas Stadler (internet-law.de) scheint eine Strafbarkeit von Facebook-Mitarbeitern zumindest bei aus Deutschland stammenden Posts durchaus möglich. Die Beiträge würden vom sozialen Netzwerk auch im strafrechtlichen Sinne verbreitet bzw. öffentlich zugänglich gemacht. Nach Kenntniserlangung eines strafrechtsrelevanten Inhalts sei auch von diesbezüglichem Vorsatz auszugehen, die Privilegierung nach Paragraf 10 des Telemediengesetzes reiche auch nur bis zu diesem Zeitpunkt.

Dass Facebook "ziemlich flugs" dabei sei, "ein nacktes Hinterteil zu löschen", sich dagegen aber bei rassistischen Ausfälle "spreizt und ziert" und von Meinungsfreiheit fabuliere, hält Heribert Prantl (SZ) in seinem Kommentar für doppelzüngig. Die jetzige Anzeige eröffne der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, über den praktischen Nutzen des Sprichworts, Hehler seien so schlimm wie Stehler, im Internet nachzudenken. Es sei zu hoffen, dass hierbei den fragwürdigen Standards von Facebook "auf die Sprünge" geholfen werde.

Rechtspolitik

Datenhehlerei: Die taz (Christian Rath) erinnert daran, dass am vergangenen Freitag vom Bundestag nicht nur die neue Vorratsdatenspeicherung, sondern auch der neue Straftatbestand der Datenhehlerei beschlossen wurde. Der Beitrag stellt die Regelung vor und hält Befürchtungen, durch sie würden journalistische Tätigkeiten gefährdet, für übertrieben. Denn sähe der neue Paragraf 202d des Strafgesetzbuches eine Schutzklausel für Inhaber eines Zeugnisverweigerungsrechts vor. Soweit Unklarheiten bestünden, seien diese der Reichweite dieses Rechts und nicht der neuen Strafnorm geschuldet.

Verbraucherschutzminister: Das Handelsblatt (Anja Stehle) entwirft ein ausführliches Porträt von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Neben umtriebiger Aktivität bei Gesetzesvorhaben erwecke vor allem Maas' Aufgabenbereich als Verbraucherschutzminister den Unmut des Koalitionspartners. Unionspolitiker stießen sich an einem auf Betreiben des Ministers durchgesetzten wachsenden Einfluss der "Verbraucherlobby".

Vorratsdatenspeicherung: Das Handelsblatt (Heike Anger) berichtet zur Kritik mehrerer Berufskammern an der am Freitag beschlossenen Vorratsdatenspeicherung. So habe der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer, Ekkehart Schäfer, angekündigt, mögliche Verfassungsbeschwerden von Mitgliedern zu unterstützen. Dass die beschlossene Regelung ein Verwertungsverbot bestimmter Daten vorsieht, sei nach Schäfer Makulatur, praktisch seien "solche Verbote nichts wert". Der im Text zitierte Präsident der Wirtschaftsprüferkammer habe gleichfalls Unterstützung für etwaige Verfassungsbeschwerden angekündigt.

Sammelklagen: In einem Gastbeitrag für das Handelsblatt spricht sich Rechtsanwalt Christian Harmsen gegen die Einführung sogenannter Sammelklagen aus. Eine entsprechende Empfehlung der Europäischen Kommission von 2013 sei "zu Recht wieder in der Schublade verschwunden". Weil durch das Instrument grundlegende Prinzipien wie der individuelle Anspruch auf rechtliches Gehör zugunsten eines die Wahrheitsfindung erschwerenden "publizistischen und monetären Drucks" verletzt würden, sollte auch der VW-Skandal nicht dazu benutzt werden, derartige Verfahren auch hierzulande einzuführen.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 20. Oktober 2015: Haftung für Hasskommentare - GBA übernimmt Attentats-Ermittlungen - Prüfvorgang zu DFB-Überweisung . In: Legal Tribune Online, 20.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17268/ (abgerufen am: 30.04.2024 )

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