Die juristische Presseschau vom 16. April 2013: NSU-Prozess vertagt – Gewerkschaft verklagt Betriebsrat – Knast für Knöllchen

16.04.2013

Das OLG München verschiebt den NSU-Prozess um drei Wochen, um die Presseakkreditierung neu regeln zu können – und ruft damit gemischte Reaktionen hervor. Außerdem in der Presseschau: Streit über Menschenhandel, BGH zur "Volks"-Marke, Gewerkschaft verklagt Betriebsrat, türkischer Star-Pianist wegen Blasphemie verurteilt – und warum ein Rentner für Knöllchen in den Knast geht.

OLG München – NSU-Prozess vertagt: Das Münchner Oberlandesgericht hat den Beginn der Hauptverhandlung im NSU-Prozess um drei Wochen vertagt. Es soll ein neues Verfahren für die Zulassung von Journalisten geben, berichten u. a. die SZ (Tanjev Schultz/Annette Ramelsberger) und die FAZ (Karin Truscheit). Während Verteidigung und Medienvertreter die Entscheidung begrüßten, würde sie von Angehörigen der Opfer kritisiert. Das "erstaunlich einhellige", positive "Echo der Berliner Politik" gibt die SZ (Nico Fried) wieder.

Die überraschende Entscheidung sei die "Radikallösung", die sich niemand habe vorstellen können, meinen Annette Rammelsberger und Wolfgang Janisch (SZ). Die vom Bundesverfassungsgericht gebaute "goldene Brücke" habe der Vorsitzende Richter am OLG wohl nicht nutzen wollen. Als "Fiasko und Erlösung zugleich" bezeichnet Heribert Prantl (SZ) die Verschiebung und hofft künftig auf mehr "menschliche und rechtliche Feinfühligkeit" des Gerichts. Nina Baumann (focus.de) teilt diese Hoffnung nicht und meint, dem Gericht scheine die Bedeutung des Prozesses noch immer nicht bewusst zu sein, hier blamiere "ein Gericht ein ganzes Land". Christian Rath (taz) hält die Entscheidung dagegen für "nachvollziehbar und richtig" und empfiehlt, die Zeit für eine gesetzgeberische Klarstellung der Übertragung von Gerichtsverhandlungen zu nutzen. Auch Thorsten Jungholt (Die Welt) verlangt eine Modernisierung der "antiquierten Regeln zur Beteiligung der Öffentlichkeit". Reinhard Müller (FAZ) macht bereits jetzt "tragische Züge" im NSU-Prozess aus und befürchtet eine Diskreditierung der Justiz durch die "kleine konspirative Terrorgruppe". Gisela Friedrichsen (spiegel.de) sieht in dem "Chaos" auch eine Folge der Opferrechtsreform, die mehr Nebenkläger in die Gerichtssäle bringe.

lto.de (Claudia Kornmeier) führt ein Interview mit dem Dortmunder Medienrechtler Tobias Gostomzyk zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die FAZ (Reinhard Müller) bringt eine ausführliche Analyse des Beschlusses.

OLG München – Manfred Götzl: Ein kritisches Porträt des "aufbrausenden" Vorsitzenden Richters Manfred Götzl bringt die SZ (Annette Rammelsberger): Ihm fehle anscheinend das nötige Gespür für diesen sensiblen Prozess. Ein wohlwollenderes Bild des "erfahrenen Juristen" zeichnet die FAZ (Albert Schäffer). Auch Die Welt (Manuel Bewarder/Hannelore Crolly) porträtiert den Richter ausführlich.

Weitere Themen – Rechtspolitik

Menschenhandel: Über die Auseinandersetzung innerhalb der Bundesregierung rund um die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Kampf gegen den Menschenhandel berichtet Die Welt (Simone Meyer/Silke Mülherr). Auslöser sei ein Bericht der EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström, die unter anderem Deutschland Umsetzungsdefizite vorwirft.

Berlin – Übersichtsaufnahmen: Der Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses hat mit der Regierungsmehrheit einen Gesetzentwurf gebilligt, der pünktlich zum 1. Mai anlasslose Echtzeit-Übersichtsaufnahmen von Versammlungen erlauben soll. Die taz Berlin (Plutonia Plarre) berichtet.

Frauenquote ab 2020? Die Unionsparteien vollziehen einen Schwenk und wollen die Forderung nach einer gesetzlichen Frauenquote für Aufsichtsräte in ihre Wahlprogramme aufnehmen – allerdings erst ab 2020. Die Präsidiums-Entscheidung sei eine Reaktion auf den Bundesrats-Gesetzentwurf, der dem Bundestag am Donnerstag zur Abstimmung vorliegt, berichtet die SZ (Robert Rossmann).

Constanze von Bullion (SZ) kritisiert, dass sich die Unionsfrauen so einmal mehr einer "erpresserischen Logik" beugten. Ines Pohl (taz) meint, es handele sich nicht wie behauptet um einen Kompromiss, sondern "in Wahrheit" um "eine Niederlage für alle Unionsfrauen", die die "historische Chance ungenutzt gelassen" hätten.

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 16. April 2013: NSU-Prozess vertagt – Gewerkschaft verklagt Betriebsrat – Knast für Knöllchen . In: Legal Tribune Online, 16.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8532/ (abgerufen am: 06.05.2024 )

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